Matthäus

Predigthilfe vom 6. November 2022 – Matthäus 24, 1-31

Predigtthema: Auf die richtige Blickrichtung kommt es an       

Die Erarbeitung dieser Predigt erfordert etliche Stunden an Vorbereitung. Zu eurer Unterstützung enthält diese Predigthilfe deshalb Hinweise für eure Verkündigung, ersetzt aber nicht euer eigenständiges Erarbeiten des Bibeltextes. Bei der Vorbereitung dieser Predigt suchen wir nach dem, was der Herr über den Predigttext durch uns sagen will, denn wir verkündigen nur die Botschaft, die uns persönlich auf der Basis des Predigttextes aufs Herz gelegt wird. Nur wo der Herr uns das Herz gefüllt hat, da haben wir etwas zu sagen, da nur dann gilt: „Wer euch hört, hört mich“ (Lk 10,16a)!

1. Sehen, was dasteht

Verschiedene Bibelübersetzungen um mit dem Predigttext vertraut zu werden findet man z.B. unter www.bibleserver.com (Luther 1984 / Revidierte Elberfelder Bibel / Hoffnung für alle / Schlachter 2000 / Neue Genfer Übersetzung / Gute Nachricht Bibel / Einheitsübersetzung / Neues Leben Bibel / Neue Evangelistische Übersetzung).

1.1 Hinweise zum Predigttext

Matthäus 24 gehört zu den prophetischen Texten der Evangelien.

So wie Jesus nicht nur einmal mit den Jüngern über seinen Tod und seine Auferstehung redete, sondern immer wieder, gehören auch die Reden Jesu über die Endzeit zu den Themen, die er wiederholte.

Was Jesus in Matthäus 24 sagte, war für die Jünger nichts völlig Neues. Aber wie die prophetischen Voraussagen über seinen Tod und seine Auferstehung, so verstanden die Jünger auch die Reden über die Endzeit nicht und fragen deshalb noch einmal nach.

Wie bei allen prophetischen Texten der Bibel gehen die Auslegungen auch hier weit auseinander. Vor allem, was die zeitliche Abfolge betrifft. Das spiegelt sich in den Kommentaren wider. Diese Predigthilfe folgt den Auslegern, die davon überzeugt sind, dass man eine zeitliche Abfolge aus den Texten ablesen kann,

Endzeitreden in den Evangelien (Parallelstellen):

Matthäus 10, 16- 21

Markus 13, 1- 27

Lukas 17, 22- 25

Lukas 21, 5- 28

Von den drei Evangelisten ist Lukas derjenige, der den Anspruch erhebt, der Reihe nach zur schreiben (Lk 1,3). So finden wir bei Lukas Strukturwörter, die die Endzeitreden in eine Reihenfolge bringen, was auch für die Auslegung unseres Textes in Matthäus sehr erhellend ist. Es ist sicher hilfreich, die Bibelstellen auszudrucken, um sie nebeneinanderlegen und vergleichen zu können!

Lukas schreibt zwei Mal, dass vor der endzeitlichen Verfolgung die Verwerfung des Messias und damit verbunden das Gericht über Jerusalem und den Tempel hereinbrechen wird:

Lukas 17,25: Zuvor aber muss er viel leiden und verworfen werden von diesem Geschlecht.

Lukas 21, 12: Aber vor diesem allen werden sie Hand an euch legen und euch verfolgen und werden euch überantworten den Synagogen und Gefängnissen und euch vor Könige und Statthalter führen um meines Namens willen.

Die Verwerfung des Messias vollzieht sich über einen längeren Zeitraum, denn auch nach dem Tod von Jesus hatten die Juden noch Gelegenheit zur Umkehr. Lukas 21, 12- 24 schildert uns die Ereignisse, deren Erfüllung wir in der Apostelgeschichte zum Teil nachlesen können. So sehen wir, wie exakt Jesus seinen Jüngern vorausgesagt hat, was auf sie zukommen würde.  Den Abschluss der Verwerfung, das darauf folgende Gericht, ist dann in der Zerstörung der Stadt Jerusalems und des Tempels zu sehen. Sehr wichtig für die richtige Einordnung dieser Ereignisse ist der Schlusssatz von Vers 24: sie werden fallen durch die Schärfe des Schwertes und gefangen weggeführt unter alle Völker, und Jerusalem wird zertreten werden von den Heiden, bis die Zeiten der Heiden erfüllt sind.

Im Rückblick können wir erkennen, wie genau sich die Prophetie von Jesus aus Lk 21 erfüllt hat! Zunächst erlebten die ersten Christen genau die Verfolgungswelle, die Jesus ihnen angekündigt hat. Nachzulesen in der Apostelgeschichte. Im Jüdischen Krieg (66- 70 n. Chr.) wurde Jerusalem und der Tempel von den Römern zerstört. Man kann heute noch die römischen Heerlager im Land sehen (besonders in Massada). Die Römer zogen nach Jerusalem und fingen an, die Stadt zu belagern. Aber dann gab es eine Unterbrechung, als Kaiser Nero Selbstmord beging. Der Heerführer Vespasian, der in Israel das Heer befehligte, reiste nach Rom, um Kaiser zu werden. In dieser Zeit wurde der Krieg gestoppt. Und tatsächlich flohen in dieser Zeit, als die Heerlager schon um Jerusalem aufgebaut waren, der Krieg aber pausierte, alle messianischen Juden aus Jerusalem in das Gebirge. Im Gegensatz dazu versammelten sich ca. 3 Millionen Juden zum Passahfest in der Stadt Jerusalem. Der neue Feldherr, Titus, musste nur abwarten, bis alle Juden in der Stadt waren, um sie dann einzuschließen und anzugreifen. In einem furchtbaren Gemetzel verloren ca. 1 Million Juden ihr Leben. Der Tempel wurde vollkommen zerstört, sodass nicht ein Stein auf dem anderen blieb und die Juden wurden als Sklaven in alle Welt verkauft.

Die Prophetie, die uns Lukas überliefert hat, hat sich exakt erfüllt.

Jesus macht klar, dass mit der Verwerfung des Messias das Zeitalter der Heiden beginnt, während diesem Jerusalem von den Heiden zertreten wird, so wie es geschehen ist. Aber er macht auch klar, dass diese Zeit einmal erfüllt sein wird und ein Ende haben wird, was dann mit der Zeit des Endes gleichgesetzt werden kann, welche in vielen biblischen Prophezeiungen vorausgesagt wird. Zur Zeit des Endes macht Gott dann rückgängig, was er hier ankündigte: die Wegführung der Juden unter alle Völker. Auch dieses Ereignis kündigen viele Propheten des Alten Testaments an und machen damit deutlich, dass die Endzeit als der Zeitraum verstanden werden muss, wenn Gott sein Volk wieder in Israel sammelt.

1.2 Hilfen zum Verständnis des Predigttextes

Hilfen zur Auslegung bieten z.B.

  • Gerhard Maier: Matthäusevangelium (Edition C, Band 2)
  • Fritz Rienecker: Das Evangelium des Matthäus (Wuppertaler Studienbibel)
  • Gerhard Maier: Das Evangelium des Matthäus (HTA)
  • Adolf Schlatter: Das Evangelium nach Matthäus (Erläuterungen zum Neuen Testament 1)

Bitte studiert auch den hilfreichen Predigttipp von Eckhart Löffler vom 27.4.2008 zu Matthäus 24, 3-14 unter www.studienbibel.de. Beachtenswerte Anmerkungen zum Predigttext bietet z.B. die MacArthur Studienbibel.

1.3 Anmerkungen zum Verständnis des Predigttextes

V. 1-2: Der herodianische Tempel war ein Meisterwerk seiner Zeit. Außen mit Goldplatten belegt, sodass der Betrachter von der Sonne geblendet wurde, die sich im Tempel spiegelte. In den Aussagen der Jünger über den Tempel (vgl. auch Markus 13,1 und Lukas 21,5) schwingt eine Vorahnung mit, die ihren Ursprung wohl in den Gerichtsworten Jesu über Jerusalem hat (Mt. 23,37f): Euer Haus wird öde gelassen werden.

Jesus antwortet ganz kurz, aber seine Antwort wird sich sehr präzise in der Geschichte erfüllen: nicht ein Stein des Tempels ist noch auf dem Tempelberg zu finden. Der Tempel ist tatsächlich komplett verschwunden und nicht ein Stein steht mehr an Ort und Stelle. So wird berichtet, dass der Brand des Tempels so heiß war, dass die mächtigen Steine zerbarsten und das geschmolzene Gold in die Ritzen lief. Die Römer haben schließlich, um an das Gold zu gelangen, die Steine zertrümmert und im Kidrontal entsorgt.

V. 3: Die Ölbergrede findet am Dienstag vor Karfreitag statt. Jesus hatte an diesem Tag harte Auseinandersetzungen mit den führenden Gruppen des Judentums (Mt. 21,23- 23,39). An diesem Tag wird klar, dass ihn die gesamte Elite des jüdischen Volkes ablehnt. Anschließend geht Jesus mit seinen Jüngern aus dem Tempel hinaus gen Osten auf den Ölberg und wird nicht mehr zurückkommen. Das kann man als Gerichtshandeln verstehen, denn auch die Herrlichkeit des HERRN zog gen Osten vom ersten Tempel aus und stellte sich auf den Ölberg (Hes 11,23).

Vom Ölberg hat man einen sehr guten Blick auf den Tempel, da der Ölberg etwas höher liegt. An diesem Ort sagt Jesus seinen Jünger voraus, dass der Tempel zerstört werden wird.

Als Jesus auf dem Ölberg sitzt und sich ihnen der Tempelkomplex mit all seinen wunderbaren Gebäude zeigt, fragen die Jünger nach dem Wann der Tempelzerstörung und den Zeichen für seine Wiederkunft und der Vollendung des Zeitalters.

Im synoptischen Vergleich sehen wir, dass die Jünger noch eine weitere Frage stellten: die Frage nach dem Zeichen der Tempelzerstörung.

Die Jünger stellen an diesem Tag also 4 Fragen:

  1. Wann wird die Zerstörung des Tempels stattfinden? (Mt 24,3; Mk 13,4; Lk 21,7)
  2. Was wird das Zeichen der Zerstörung des Tempels sein? (Lk 21,7)
  3. Was ist das Zeichen deiner Wiederkunft? (Mt 24,3; Ma 13,4)
  4. Was ist das Zeichen der Endzeit? (Mt 24,3; Ma 13,4)

Die ersten zwei Fragen haben etwas mit der Zerstörung des Tempels zu tun. Hier geht es um die Zeit des ersten Kommens des Messias am Anfang. Die zwei letzten Fragen mit dem kommenden Königreich des Messias hier auf Erden. Hier geht es um das zweite Kommen des Messias am Ende. Das entspricht der biblischen Prophetie des Messias, der zuerst als der leidende Messias in seinem ersten Kommen angekündigt wird, der von den Menschen abgelehnt und für unsere Sünden sterben wird (Jes 53 u.a.).

Dann als der herrschende Messias bei seinem zweiten Kommen, der Gerechtigkeit und Frieden in dieser Welt einführen wird und die Welt im Frieden regieren wird (Daniel 7). Das spiegelt sich auch wieder in den Worten, wie der Messias angekündigt wird: in Sach 9,9 wird er auf dem Esel reitend angekündigt. Das entspricht dem ersten Kommen. In Dan 7,13 wird er angekündigt als der, der mit den Wolken des Himmels kommen wird, das entspricht dem zweiten Kommen.

Zwischen diesen beiden Erscheinungen des Messias Jesus wird eine große Zeitspanne sein. In der Sprache Jesu die Zeit der Schwangerschaft, an deren Ende sich die Geburt des neuen Reiches in Wehen ankündigt.

Die Jünger fragen nun ganz konkret nach Zeichen, zum einen den Zeichen, die die Zerstörung des Tempels ankündigen. Und zum anderen den Zeichen, die die Endzeit (wörtl. „Vollendung des Zeitalters“) sowie das Kommen von Jesus ankündigen.

Endzeit wird oft mit dem Ende der Welt gleichgesetzt, was aber biblisch nicht zutreffend ist: Endzeit meint hier die Vollendung des Zeitalters der Gnade, die letzte Zeitepoche, bevor Jesus wiederkommt. Endzeit wird in der Bibel vor allem mit der Rückkehr der Juden in ihr Land gleichgesetzt. Bereits Hosea kündigte eine lange Zeit der Staatenlosigkeit der Juden an und dass sie ohne Tempel sein würden bevor sie in der Endzeit wieder in ihr Land zurückkehren werden.

Denn die Söhne Israel bleiben viele Tage ohne König und ohne Oberste, ohne Schlachtopfer und ohne Gedenkstein und ohne Efod und Terafim.

Danach werden die Söhne Israel umkehren (zurückkehren) und den HERRN, ihren Gott, suchen und David, ihren König. Und sie werden sich bebend zum HERRN wenden und zu seiner Güte am Ende der Tage. (Hos 3, 4f)

Hesekiel kündigt in seiner Weissagung an, dass die Juden in ihr Land zurückkehren werden, das lange Zeit verödet war. Israel war, nach der endgültigen Zerstörung des Staates Israel durch die Römer, über viele Jahrhunderte hinweg ein fast menschenleeres und ödes Land. Aber es wurde wieder bebaut und bepflanzt:

Hesekiel 38, 8 Nach vielen Tagen sollst du aufgeboten werden; zur letzten Zeit wirst du in das Land kommen, das dem Schwert entkommen und aus vielen Völkern wieder gesammelt worden ist, auf die Berge Israels, die die ganze Zeit verödet waren; es wurde aber aus den Völkern herausgeführt, und sie wohnen nun alle in Sicherheit.

Um die ersten beiden Fragen zu beantworten, wann das sein wird und was das Zeichen der Zerstörung des Tempels sein wird, müssen wir unbedingt die Parallelstellen von Markus 13 und Lukas 21 vergleichen.

Lukas schreibt, was vor der Zerstörung des Tempels geschehen wird, Lukas 21,12: Aber vor diesem allenAls einziger hat Lukas die Frage nach den Zeichen der Zerstörung Jerusalems überliefert. Und er geht auf diese Frage, im Unterschied zu Markus und Matthäus, ausführlich ein. Lukas schildert dann auch, was wir in der Apostelgeschichte lesen können: Die Juden (insbesondere die Apostel) werden vor Gerichte (wörtlich Synhedrien= jüdische Gerichte) gestellt, den Synagogen (=jüdisch) und Gefängnissen überantwortet und vor Könige und Statthalter (=damalige Regierungsbeamte) gestellt werden.

Das alles muss also geschehen, bevor das Zeichen der Zerstörung des Tempels sichtbar wird: Es sind die Heerlager, die um Jerusalem herum aufgestellt sein werden!

Auch wenn sich die Anweisungen von Jesus (in die Berge zu fliehen) in den 3 Evangelien ähnlich anhören, man muss diese Stellen unterscheiden! Denn Lukas schreibt ausdrücklich, dass dies geschieht, bevor sich eine Nation über die andere erhebt etc. Auch ist das Zeichen, das Lukas erwähnt, ein anderes als Matthäus und Markus, die vom Gräuel der Verwüstung schreiben. Kein Geschichtsschreiber erwähnt, dass im Jerusalemer Tempel vor seiner Zerstörung ein Gräuelbild aufgestellt wurde! Während Lukas von „Tagen der Vergeltung“ schreibt, schreiben Markus und Matthäus von einer Not, wie sie nie gewesen ist und bis zum Ende der Erde nicht mehr sein werden. Ein wichtiger Schlüsselvers dazu ist Lukas 21, 24: Und sie werden fallen durch die Schärfe des Schwerts und gefangen weggeführt werden unter alle Heiden. Und Jerusalem wird zertreten werden von den Heiden, bis die Zeiten der Heiden erfüllt sind.

Jesus sagt also sehr deutlich, dass nach der Zerstörung des Tempels und der Zerstreuung der Juden unter alle Völker, sich eine Zeitperiode anschließen wird, die sich erfüllen muss.  Es ist die „Zeit der Heiden“, in der das Evangelium allen Völker verkündigt werden wird, „und dann wird das Ende kommen“ (Matthäus 24,14). Aber es ist auch die Zeit, in der Jerusalem von den Heiden zertreten wird, genau das, was viele Jahrhunderte hindurch geschehen ist und was besonders auch in unserer Zeit immer noch geschieht

Matthäus schreibt, was dann geschehen wird, wenn eben jenes Ende kommen wird:

Mt 24,15: Wenn ihr nun den Gräuel der Verwüstung, von dem durch Daniel, den Propheten, geredet ist, an heiliger Stätte stehen seht – wer es liest, der merke auf! –,

16 dann sollen die in Judäa auf die Berge fliehen;

Bedeutet, Jesus ordnet den Gläubigen zweimal an, zu fliehen: in der Zeit, wenn Jerusalem und der Tempel zerstört werden wird. Das Zeichen dafür wird sein, wenn Jerusalem von Heerlagern umgeben sein wird, den messianischen Juden jener Zeit.

Und in der Endzeit, wenn das Zeichen, das Gräuelbild der Verwüstung an heiliger Stätte steht! Und wieder handelt es sich wohl um die messianischen Juden, die aus den Völkern zurückgekehrt und an Jesus gläubig sein werden.

V. 4- 5: Jesus spricht das Problem an, dass falsche Christusse (Christus ist das griechische Wort für Messias) kommen werden (z.B. Apg 5, 36: Theudas oder Bar Kochba 100- 135 n. Chr. und im Laufe der 2000 Jahre viele weitere). Wer den von Gott gesandten Messias ablehnt, ist in höchster Gefahr, von falschen Messiassen verführt zu werden! Das ist insbesondere auch eine Warnung an die Juden der damaligen Zeit, die Jesus, ihren Messias ablehnten. Aber natürlich nicht nur. Diese Gefahr bezieht sich nicht speziell auf den Anfang oder das Ende, sondern ist die ganze Zeit über präsent.

Verführung ist die größte Gefahr für die Gemeinde. Nicht Kriege, Hungersnöte, Erdbeben oder Verfolgung. Deshalb steht diese Warnung an erster und letzter Stelle (und dort noch mit der seelsorgerlichen Mahnung: „Siehe, ich habe es euch vorausgesagt.“)

V. 6-8: Die Jünger fragten nach den Zeichen der Wiederkunft und der Vollendung des Zeitalters. Jesus nennt nun diese Zeichen der Endzeit. Kriege und Kriegsgerüchte, Hungersnöte, Erdbeben (in Lukas Unruhen/ Revolutionen, Seuchen). Diese Ereignisse ziehen sich durch die 2000 Jahre Kirchengeschichte. Man könnte also davon ausgehen, dass Endzeit nicht eingegrenzt werden kann auf einen Zeitraum. Dagegen sprechen die Aussagen der Propheten des Alten Testaments, dass Gott am Ende der Tage sein Volk sammeln wird. Endzeit ist, wenn Gott sein Volk in Israel sammelt. Und so können wir beobachten, dass seit dieser Sammlung ab dem Ende des 19. Jahrhunderts diese Zeichen ganz deutlich sichtbar wurden: Jesus redet nämlich nicht nur von Kriegen, sondern davon, dass eine Nation sich gegen die andere erhebt, ein Königreich gegen das andere. Es sind Massenkriege, wie es sie nie in der Geschichte vorher gab: der 1. und 2. Weltkrieg. Damals wähnten sich viele ganz nah am Ende.

Das Wort Königreich (griechisch basiliea) muss aber nicht auf ein Land bezogen werden. Das Wort für Königreich, das hier im Urtext steht (basileia) kann auch ganz allgemein „Königswürde“ und „Herrschaft“ bedeuten und geht somit über ein bestimmtes Territorium hinaus. Es kann, modern ausgedrückt auch ein „System“ meinen, das gerade nicht an eine Ethnie gebunden ist. Unsere Gegenwart liefert dafür Anschauungsbeispiele genug: „Kommunismus“, „Sozialismus“, „Islamischer Staat“, „Al-Kaida“ usw. Der politische Raum hört zunehmend auf, ein Bereich des Schutzes und Vertrauens zu sein.

Auch wenn wir die anderen Zeichen betrachten, können wir sehen, dass diese seit dem Ende des 19. Jahrhunderts massiv zugenommen haben: Nie gab es mehr Revolutionen wie im 20. Jahrhundert mit Millionen Toten. Nie gab es größere Seuchen wie in diesem Zeitraum mit ebenfalls Millionen Toten (z. B. spanische Grippe mit 50 Millionen Toten). Nie gab es größere Hungersnöte mit ebenfalls vielen Millionen Toten. Und statistisch gesehen nahmen auch die Naturkatastrophen in diesem Zeitraum massiv zu.

Aber Jesus sagte: es ist noch nicht das Ende und das alles aber ist erst der Anfang der Wehen, heißt: die Endzeit erstreckt sich über einen längeren Zeitraum. Die Zeichen der Endzeit werden nicht einmalig sein, sondern sie werden zyklisch wiederkehren. Und wie bei einer Geburt werden sie gegen Ende in kürzeren Abständen folgen und heftiger werden.

Es fällt auf, dass in der Endzeit, so wie Jesus sie voraussagt, das Verhalten der Menschen massiv von Gesetzlosigkeit geprägt sein wird und gleichzeitig die Natur ins Wanken gerät (Erdbeben), sodass die Menschen von allen Seiten verunsichert werden.

V. 9- 14: Bedrängnis (oder Drangsal, Trübsal) ist der zentrale Ausdruck des Neuen Testaments für das Leiden der Christen in der Welt, besonders unter Verfolgung. Verfolgung war ein besonderes Kennzeichen der Anfangszeit und sie ist auch ein besonderes Kennzeichen der Endzeit. Auch dieses Zeichen ist vor allem seit dem Beginn der Rückkehr der Juden in ihr Land ganz deutlich: Christenverfolgung ist heute in vielen Ländern traurige Realität. Aber auch das andere: ein großer Abfall vom christlichen Glauben (die Liebe wird in vielen erkalten= die Liebe zu Gott). Auch Paulus weist auf dieses Zeichen der Endzeit hin, wenn er in seinem zweiten Brief an die Thessalonicher schreibt, dass die Christen sich nicht durch Gerüchte verunsichern lassen sollen, der Tag des Herrn sei schon da (2. Thess 2,3): Lasst euch von niemandem verführen, in keinerlei Weise; denn zuvor muss der Abfall kommen…. Insbesondere durch die europäische Aufklärung, aber auch z. B. durch den Kommunismus sind viele Menschen vom christlichen Glauben abgefallen.

So sind Verfolgung, Verführung und Abfall vom christlichen Glauben gerade besondere Kennzeichen der Endzeit.

An dieser Stelle fügt Jesus eine wichtige Erklärung ein, die an die Ankündigung seines Todes erinnert: es muss geschehen. Das ist das göttliche muss, das zum Heil notwendig ist (vgl. Joh 3,14: Und wie Mose in der Wüste die Schlange erhöhte, so muss der Sohn des Menschen erhöht werden. Die Bedrängnisse der Endzeit könnten den Eindruck erheben, dass Gott die Kontrolle verloren hat oder, dass ihn das Leiden der Menschen nicht interessiert. Aber das Gegenteil ist der Fall: Indem Jesus alles im Voraus ankündigt, zeigt er, dass das alles zu Gottes Plan der Errettung gehört. Das Böse wird vor allem am Ende ausreifen und zu einem Höhepunkt kommen. Der Gedanke, dass das Böse ausreifen muss, bevor mit Gericht antwortet, findet sich schon in 1. Mose 15,16: Und in der vierten Generation werden sie hierher zurückkehren; denn das Maß der Schuld des Amoriters ist bis jetzt noch nicht voll.

Angesichts all dessen könnte den Jüngern der Mut entfallen. Wer soll dann gerettet werden? Jesus verspricht: Wer an ihm dranbleibt, aushält, beharrt, wird gerettet! Aber gerettet werden ist immer beides: Gott rettet, er ist mit uns und wir glauben, dass er erretten wird und harren auf ihn.

Und schließlich, ein letztes Kennzeichen der Endzeit: das Evangelium wird in der ganzen Welt gepredigt, allen Nationen. Die Nation ist die größte ethnische Einheit, insofern ist das Evangelium tatsächlich schon allen Nationen gepredigt worden, wenn auch noch nicht allen Stämmen und Sprachen.

Dann wird das Ende kommen: Das dann weist klar auf eine zeitliche Abfolge hin: wenn das alles erfüllt ist, kommt das Ende, welches nun in den folgenden Versen beschrieben wird.

V. 15- 21: So, wie die Juden das nahende Ende des zweiten Tempels klar an den römischen Heerlagern erkennen konnten, so werden die Christen (wohl überwiegend messianische Juden) das nahende Ende des Zeitalters am Gräuelbild der Verwüstung erkennen. Matthäus verweist ausdrücklich auf die Prophetie des Propheten Daniel, die sich dann erfüllen wird.

Wer das liest, der merke auf: damit macht Jesus deutlich, dass die Christen ihre Bibel lesen werden, und er ermahnt sie mit einem direkt an sie gerichteten Wort, so dringlich ist diese Mahnung!

Der Kontext aus Daniel 9 ist auch für unseren Abschnitt sehr erhellend:

Daniel 9, 26 Und nach den zweiundsechzig Wochen wird ein Gesalbter ausgerottet werden, und niemand wird ihm helfen. Und das Volk eines Fürsten wird kommen und die Stadt und das Heiligtum zerstören, aber dann kommt das Ende durch eine Flut, und bis zum Ende wird es Krieg geben und Verwüstung, die längst beschlossen ist.

27 Er wird aber vielen den Bund schwer machen eine Woche lang. Und in der Mitte der Woche wird er Schlachtopfer und Speisopfer abschaffen. Und im Heiligtum wird stehen ein Gräuelbild, das Verwüstung anrichtet, bis das Verderben, das beschlossen ist, sich über den Verwüster ergießen wird.

Den zeitlichen Rahmen, den Daniel vorgibt, sehen wir in unserem Text: Der Gesalbte ist Jesus, der von seinem Volk abgelehnt und gekreuzigt wird. Nach seinem Tod kommt das Volk eines Fürsten und zerstört Stadt und Heiligtum. Damit ist die Zerstörung von Stadt und Tempel durch die Römer vorausgesagt. Das Ende durch eine Flut beschreibt Daniel auch in seinem 11. Kapitel, das den geschichtlichen Verlauf vom persischen Reich bis zur Endzeit schildert (wobei die Jahre ab der Zerstörung Jerusalems bis zum Beginn der Endzeit nicht berücksichtigt sind), Daniel 9,40: Und zur Zeit des Endes wird der König des Südens mit ihm zusammenstoßen, und der König des Nordens wird gegen ihn anstürmen mit Wagen und mit Reitern und mit vielen Schiffen. Und er wird in die Länder eindringen und wird sie überschwemmen und überfluten. Und er wird in das Land der Zierde eindringen, wobei vieles stürzen wird. Mit dem Land der Zierde ist Israel gemeint, was bedeutet, dass Israel zur Endzeit von einer riesigen Armee aus dem Norden überrannt werden wird.

Bevor diese Armee kommen wird, wird das Gräuelbild der Verwüstung auf dem Tempelberg stehen. In Offenbarung 13, 14f wird das Bild als sprechendes Bild charakterisiert. Es hat also eine besonders verführerische Macht in sich.

Das wird für die messianischen Juden das Zeichen zur Flucht sein, um nicht in dieses Gericht hineinzugeraten.

Wie das Wort Überflutung schon nahelegt, wird all das sehr schnell und überraschend geschehen, sodass nicht einmal mehr Zeit bleibt, vergessenes noch aus dem Haus zu holen. Die Zeit der Flucht ist für Schwangere und Stillende besonders belastend, deshalb ermahnt Jesus zum Gebet, dass dies nicht im Winter oder an einem Sabbat geschieht (am Sabbat fahren die Juden nicht mit dem Auto).

V. 21-22: Dass es sich eindeutig um die endzeitliche Bedrängnis handelt, machen die Worte von Jesus klar, in denen er sagt, dass es nie vorher und auch nachher keine solche Zeit der Bedrängnis mehr geben wird. Die Tage werden so schlimm sein, dass Gott diese Zeit verkürzen wird, damit die Menschheit nicht ausgelöscht wird. Es geht an dieser Stelle nicht um die Errettung der Seele des Menschen, sondern im Urtext steht das Wort, das den menschlichen Körper meint. Gott wird also die Menschheit davor bewahren, sich selbst auszulöschen. Aber weil es auch zu dieser Zeit gläubige Menschen geben wird, wird Gott sich erbarmen.

V. 23- 28: Die Gefahr der Verführung war zu jeder Zeit präsent, aber ganz am Ende wird sie besonders gefährlich. Denn zu jeder Zeit konnten falsche Propheten und Messiasse an ihren Worten und Taten gemessen werden. Falsche Prophetie, die nicht eintrat, war das klare Zeichen, dass hier Gott nicht spricht. Am Ende aber werden die falschen Propheten und Messiasse sogar Zeichen tun können, die eigentlich die echten Propheten ausgewiesen haben (Vgl. Elia und die Baalspriester in 1. Kön 18). Und dann wird es wichtig sein, den Messias nicht an einem bestimmten Ort zu suchen, als wäre diese Information ein Geheimwissen.

Der Messias wird am Ende der Zeit für alle sichtbar kommen, unübersehbar wie ein Blitz in der dunkelsten Nacht, der die Erde erleuchtet und nicht übersehen werden kann.

In unserem medialen Zeitalter, wo Kameras allgegenwärtig sind und Fernsehbilder in Echtzeit am anderen Ende der Welt angeschaut werden, ist diese Aussage nicht schwer zu verstehen, aber wie genau seine Erscheinung sichtbar wird, ist daraus natürlich nicht ersichtlich.  

Auch das Bild vom Aas und den Geiern deutet vermutlich in die gleiche Richtung: Alexander vom Stein schreibt in seinem Buch „feder:führer“ folgende aufschlussreiche Worte über die Geier: „Ein typisches Kennzeichen aller Geier ist das Auftreten in großen Scharen, sobald irgendwo ein Kadaver entdeckt wird. Die enorme Zuverlässigkeit, mit der die Geiergemeinde sich in kürzester Zeit zum großen Fressen einfindet, hat Beobachter schon immer fasziniert. Wie kommt es, dass diese Aasfresser unmittelbar nach dem Tod eines Tieres oder Menschen in großer Zahl zur Stelle sind – so verlässlich wie ein „Naturgesetz“?

Grund dafür ist ihre geniale Suchstrategie: Die einzelnen Vögel fliegen in großer Höhe und überblicken ein riesiges Terrain, behalten aber gleichzeitig ihre Artgenossen im Auge, die einige Kilometer entfernt kreisen. Sobald ein Kollege aus dem „Scanmodus“ in den Sinkflug wechselt, schließen sich die Nachbarn ringsum an, die im Gefolge wiederum ihre Nachbarn anlocken und so weiter. Auf diese Weise versammelt sich die ganze Geierschaft eines großen Einzugsgebietes in kürzester Zeit zum Festmahl.“

Jesus macht mit diesem eindrücklichen Beispiel also deutlich, dass sich die Nachricht von seiner Wiederkunft so blitzschnell verbreiten wird, wie unter Geiern die „Nachricht“, dass ein Kadaver gesichtet wurde. Während im vorhergehenden Vers gesagt wird, dass die Wiederkunft überall sichtbar sein wird, betont dieser Vers vermutlich die Schnelligkeit, mit der diese Nachricht verbreitet wird: vielleicht das, was wir heute unter „viral gehen“ verstehen: eine Nachricht, ein Bild oder Video verbreitet sich explosionsartig in den sozialen Medien, sodass innerhalb sehr kurzer Zeit sehr viele Menschen Bescheid wissen.

V. 29: Viele alttestamentliche Propheten kündigten diesen Tag des Herrn an. Besonders Joel enthält viele Elemente, die Jesus hier wieder aufgreift:

Joe 1,15 O weh des Tages! Denn der Tag des HERRN ist nahe und kommt wie ein Verderben vom Allmächtigen.

Joe 2,1 Blast die Posaune zu Zion, ruft laut auf meinem heiligen Berge! Erzittert, alle Bewohner des Landes! Denn der Tag des HERRN kommt und ist nahe,

Joe 2,11 Und der HERR lässt seinen Donner vor seinem Heer erschallen. Denn sein Heer ist sehr groß; denn es ist mächtig und richtet seinen Befehl aus. Ja, der Tag des HERRN ist groß und voller Schrecken, wer kann ihn ertragen?

Joe 3,4 Die Sonne soll in Finsternis und der Mond in Blut verwandelt werden, ehe denn der große und schreckliche Tag des HERRN kommt.

Und dann ist natürlich an Matthäus 26, 63f zu denken, als der Hohepriester Kaiphas Jesus fragt: Ich beschwöre dich bei dem lebendigen Gott, dass du uns sagst, ob du der Christus bist, der Sohn Gottes. Jesus spricht zu ihm: Du sagst es. Doch sage ich euch: Von nun an werdet ihr sehen den Menschensohn sitzen zur Rechten der Kraft und kommen auf den Wolken des Himmels.

Damit ist das Ende des Zeitalters der Gnade besiegelt. Nun beginnt das Neue, das sich durch die Geburtswehen angekündigt hat: die Herrschaft Jesu auf dieser Erde, die eine Zäsur in vielerlei Hinsicht bringen wird. Es wird eine Herrschaft des Friedens sein, ähnlich wie die Zeit König Salomos, als alle Kämpfe mit den Feinden Israels, die die Zeit Davids prägten, ein Ende hatten. Es wird eine herrliche Zeit anbrechen, in der noch einmal alles aufblühen und gedeihen wird.

2. Verstehen, worum es geht

2.1 Hinweise für hermeneutische Überlegungen (Auslegung)

In der Auslegung von Matthäus 24 (und der Parallelstellen in Markus und Lukas) muss man sich bewusst sein, dass es Vorentscheidungen von Auslegern gibt, die sich auf die Auslegung der Texte auswirken und weitreichende Folgen haben.

So ist eine der großen Fragen die, ob es noch einmal einen Tempel geben wird oder nicht. Damit zusammen hängt die nächste Frage, ob die beiden Zeichen (Belagerung Jerusalems + Gräuelbild der Verwüstung an heiliger Stätte) ein Ereignis darstellt oder, ob es zwei zeitlich getrennte Ereignisse sind.

Matthäus zitiert in Vers 15 den Propheten Daniel. In Daniel 9 ist im Zusammenhang ganz klar vom Tempel und von den Opfern im Tempel die Rede, Vers 27: Er wird aber vielen den Bund schwer machen eine Woche lang. Und in der Mitte der Woche wird er Schlachtopfer und Speisopfer abschaffen. Und im Heiligtum wird stehen ein Gräuelbild, das Verwüstung anrichtet, bis das Verderben, das beschlossen ist, sich über den Verwüster ergießen wird.

Dieser Vorgang (die Aufstellung dieses Götzenbildes), den Jesus erwähnt, ist geschichtlich nicht eindeutig zuzuordnen, d. h. bei der Zerstörung des Tempels nicht nachgewiesen. Er steht also eigentlich noch aus. Aber der Tempel steht nicht mehr.

Der Verfasser des Hebräerbriefes schreibt aber, dass die Stiftshütte und der Opferdienst nur ein Schatten der himmlischen Dinge war (Hebräer 9,5) der in Jesus Wirklichkeit geworden war. Paulus bekräftigt, indem er schreibt, dass die Gemeinde, die Gläubigen nun der Tempel des Heiligen Geistes sind (1. Kor 6,19). Warum sollte also der Tempel noch einmal aufgebaut werden? Kann sich diese Prophezeiung also auf die Zukunft beziehen oder müsste sie nicht zwangsläufig schon erfüllt sein?

Ein Weg, eine Harmonie zwischen beiden Texten herzustellen, besteht in dem Versuch, die eine Beschreibung in Matthäus auf zwei verschiedene Ereignisse zu deuten, also auf die Zeit der Zerstörung des Tempels und die Zeit vor der Wiederkunft von Jesus.

Tatsache ist, dass Hesekiel 40- 48 eine so detaillierte Beschreibung des 3. Tempels enthält, dass man sich fragen muss: kann das alles nur geistlich gedeutet werden oder sieht Hesekiel nicht tatsächlich den Tempel, der wieder in Jerusalem stehen wird?

Eine geistliche Deutung vieler Stellen ist schlicht unmöglich. Das trifft z. B. auf den Strom zu, von dem gesagt wird, dass er aus dem Tempel fließen wird (Hes 47,8-11):

8 Und er sprach zu mir: Dies Wasser fließt hinaus in das östliche Gebiet und weiter hinab zum Jordantal und mündet ins Tote Meer. Und wenn es ins Meer fließt, soll dessen Wasser gesund werden, 9 und alles, was darin lebt und webt, wohin der Strom kommt, das soll leben. Und es soll sehr viele Fische dort geben, wenn dieses Wasser dorthin kommt; und alles soll gesund werden und leben, wohin dieser Strom kommt. 10 Und es werden an ihm die Fischer stehen. Von En-Gedi bis nach En-Eglajim wird man die Netze zum Trocknen aufspannen; denn es wird dort sehr viele Fische von aller Art geben wie im großen Meer. 11 Aber die Teiche und Lachen daneben werden nicht gesund werden, sondern man soll daraus Salz gewinnen.

Die Annahme, dass es vor der Wiederkunft von Jesus wieder einen Tempel in Jerusalem geben wird, so wie es Hesekiel vorausgesehen hat, macht es um einiges leichter, den Text wörtlich auszulegen.

So lässt sich eine Unterscheidung der Zeichen (Heerlager um Jerusalem und Gräuelbild der Verwüstung an heiliger Stätte) auf zwei verschiedene Ereignisse viel besser mit dem textlichen Befund in Übereinstimmung bringen, als wenn man die Texte in eins setzt. Die Erfüllung von Lukas 21, 12- 20 kann man geschichtlich sehr gut nachweisen. Wogegen eine Gleichsetzung desselben mit Matthäus 24,9-27 große Probleme bereitet. Nicht nur von der Textstruktur, auch inhaltlich unterscheidet sich Matthäus zu stark von Lukas. Der Bericht von Matthäus ist viel globaler.

So ist es auch leicht nachvollziehbar, dass Jesus die Anweisung, in die Berge zu fliehen, zweimal gibt: einmal den Christen im Jahre 70 n. Chr., und dann den Christen zu der Zeit, bevor Jesus wieder kommt und es zu einer letzten großen Schlacht kommen wird.

Das eine ist schon einmal geschehen, und zwar Wort für Wort und so können wir davon ausgehen, dass auch das andere geschehen wird, ebenfalls Wort für Wort!

Und damit wird deutlich, dass Matthäus 24, 1-31 (sowie Lukas 21, 5-28 und Markus 13, 1- 27) einem chronologischen Aufbau folgt. Legt man die 4 Fragen der Jünger nach dem „Wann“ der Tempelzerstörung und dem Zeichen dafür, sowie dem Zeichen des Wiederkommens Jesu und der Vollendung des Zeitalters dem Aufbau des Textes zugrunde, so wird deutlich, dass Jesus der Reihenfolge nach antwortet. Für einen chronologischen Aufbau sprechen gerade auch die Strukturwörter der Texte: „Vor diesem allen“ (Lukas 21,12), „Das alles ist der Anfang der Wehen. Dann…“ (Mt 24,8f), „und dann wird das Ende kommen“ (Mt 24,12), „Denn in diesen Tagen wird eine solche Bedrängnis sein, wie sie nie gewesen ist bis jetzt vom Anfang der Schöpfung, die Gott geschaffen hat, und auch nicht wieder werden wird (Markus 13,19) „Aber in jenen Tagen, nach jener Bedrängnis“ (Mt 24,24) u. a.

Bleibt die Frage, welche Bedeutung der 3. Tempel und die Opfer haben würde. Klar ist, dass die Opfer an sich keine Bedeutung mehr haben werden, sondern, wie im Alten Testament die Opfer über sich auf Jesus hinaus gewiesen haben, werden die Opfer wohl auf Jesus zurück weisen und zwar nur für die Zeit, bevor Jesus wieder kommt. Auch sie können also nur ein Schatten der Wirklichkeit sein, die in Jesus schon sichtbar wurde und werden mit der Wiederkunft Jesu wieder aufhören. Der Tempel wird dann der Thron Davids sein, von dem im Alten Testament die Rede ist, z. B. in Jesaja 9,6: Groß ist die Herrschaft, und der Friede wird kein Ende haben auf dem Thron Davids und über seinem Königreich, es zu festigen und zu stützen durch Recht und Gerechtigkeit von nun an bis in Ewigkeit. Der Eifer des HERRN der Heerscharen wird dies tun.

2.2 Hinweise für situative Überlegungen (Predigtanlass)

Die Grundstimmung, die mit der Corona- Pandemie, spätestens aber mit dem Ukrainekrieg unter vielen vorherrscht, ist Angst und Beklemmung. Was kommt da auf uns zu? Wird es ein kalter Winter mit Blackouts? Die Menschen spüren, dass etwas aus den Fugen geraten ist. Das Vertrauen in die Politiker ist stark geschwunden. Die schlechten Nachrichten werden mit jedem Tag mehr.

Umso wichtiger ist es, dass wir uns als Christen intensiv mit den prophetischen Texten der Bibel beschäftigen. Die Predigt kann sicher nur ein Einstieg, eine Einladung dazu sein, zu wichtig und umfangreich ist das Thema. Aber es wäre schon sehr viel erreicht, wenn Zuhörer durch die Predigt ermutigt werden, die Texte selbst noch einmal nachzulesen. Wenn rüberkommt, dass sich Gottes Plan durch alle Wirren der Zeit hindurch oder gerade durch sie hindurch, erfüllt.

2.3 Hinweise für homiletische Überlegungen

„Endzeit“ ist ein Wort, das unbedingt erklärungsbedürftig ist. Zu viele falsche Vorstellungen kursieren und machen es Christen schwer, mit diesem Begriff auch etwas Positives zu verbinden. Der Text bietet eine wunderbare Grundlage dafür, um Irrtümer aufzuzeigen und den Begriff biblisch zu füllen:

Irrtum 1: Endzeit bedeutet das Ende der Welt, den Weltuntergang.

Das ist eine weitverbreitete Meinung aber nicht biblisch. Endzeit bezeichnet die letzte Epoche, bevor Jesus wiederkommt. Im Text nennt Jesus einige Endzeitzeichen, das sind die Wehen, die eine neue Zeit ankündigen. Sie treten zyklisch auf und werden gegen Ende immer heftiger und intensiver. Die Propheten des Alten Testaments kündigen an, das Israel am Ende der Zeit aus dem Exil ins verheißene Land Israel zurückkehren werden. Nachweislich kehren Juden seit dem Ausgang des 20. Jahrhunderts wieder in ihr Land zurück. Genau dies meint Jesus in Mt 24,32: An dem Feigenbaum lernt ein Gleichnis: Wenn seine Zweige jetzt saftig werden und Blätter treiben, so wisst ihr, dass der Sommer nahe ist. Der Prozess der Rückkehr der Juden ist schon seit über 130 Jahren im Gange. Somit leben wir schon seit dieser Zeit in der Endzeit. Am Ende dieser Epoche wird Jesus sichtbar wiederkommen und eine neue Zeit beginnt, die messianische Heilszeit (vgl. Jesaja 11 und 35).

Wir leben also, heilsgeschichtlich gesehen, in einer sehr spannenden Zeit und es ist keinesfalls so, wie manche vermuten:

Irrtum 2: Die Christen reden schon lange von Endzeit, aber Jesus ist immer noch nicht wieder gekommen. Also haben sie sich getäuscht.

Wie oben aufgezeigt, ist die Endzeit eine lange Zeitepoche. Viele Prophezeiungen der Bibel haben sich in dieser Zeit schon erfüllt. Man könnte sagen: es läuft alles genau nach Plan. Freilich kann niemand „Zeiten oder Zeitpunkte“ (Apg 1,7) wissen. Und immer, wenn Christen angefangen haben, Berechnungen anzustellen, wann genau Jesus wiederkommen wird oder wo das sein wird, sind sie daran gescheitert und haben dem biblischen Zeugnis einen Bärendienst erwiesen. Stattdessen dürfen wir immer wieder getrost auf den biblischen Text verweisen, der so klar und deutlich davon redet, dass Gottes Plan keine eigenen Argumente mehr braucht. Das gibt Hoffnung und hilft, einen weiteren Irrtum entgegenzutreten:

Irrtum 3: In der Endzeit wird alles ganz schrecklich werden.

Die Endzeitzeichen, die Jesus aufzählt, sind schrecklich. Aber noch leben wir in der Gnadenzeit, weil das Evangelium noch gepredigt wird (Vers 14). Endzeit ist also auch noch Gnadenzeit! Gott lädt jeden Menschen zu sich ein. Sein Wort ist das Licht auf einem finsteren Weg (Psalm 119,105). Er ist bei uns bis ans Ende der Welt (Mt 28,20).

3. Sagen, wo es hingeht

3.1 Predigtziel – warum halte ich diese Predigt?

Die Predigt soll die Blickrichtung der Zuhörer ändern: weg von den Problemen, den Schwierigkeiten und dem Angstmachendem dieser Welt, hin auf Gott.

3.2 Predigtthema – was sage ich in dieser Predigt?

Drei mahnende Worte Jesu aus unserem Text können die Schwerpunkte der Predigt bilden:

Lasst euch nicht verführen: es ist so enorm wichtig, dass wir Gottes Wort kennen! Denn nur das Wort Gottes offenbart uns Jesus, wie er wirklich ist. Die Bibel macht uns sehr deutlich, dass viele Verführer kommen werden, die zwar den Namen Jesu in ihren Mund nehmen und „Herr“ zu ihm sagen werden, ihn aber mit ihren Taten verleugnen werden. Nur ein lebendiger Glaube, der auf das Wort achtet, schützt vor Verführung.

Erschreckt nicht, dies muss geschehen: niemand redet gerne über die Endzeitzeichen, die so beängstigend sind. Menschlich gesehen sind wir versucht, wie Petrus zu sagen: Gott bewahre dich, Herr! Das widerfahre dir nur nicht! (Mt 16,22). Aber Gottes Heilsplan sieht das Ausreifen des Bösen bis zur Gerichtsreife vor. Mit einem Ziel: das Böse endgültig zu richten und ein ewiges Heil zu schaffen. So dürfen wir ermutigen, den richtigen Blick auf die Geschehnisse der Endzeit zu bekommen: das Leid wird einmal enden! Bis dahin hält Gott seine Hand über uns. Wir müssen nicht erschrecken.

Hebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht. Jesus macht deutlich, dass mit den Zeichen der Endzeit seine Wiederkunft immer näher rückt. Er ermutigt, ihn vom Himmel zu erwarten= die Häupter erheben, aufblicken. Es gilt, angesichts des Leides sich vor Augen zu halten, dass etwas ganz Neues sich ankündigt. Die Not ist nicht das letzte, sondern kündigt dieses Neue an. Genau wie bei der Geburt eines Kindes, wo der Fokus der Eltern auch nicht auf den Schmerzen der Geburt, sondern auf die Vorfreude auf das neue Leben liegt.

3.3 Predigtentfaltung – wie sage ich es in dieser Predigt?

Auf die richtige Blickrichtung kommt es an:

a) Wer auf Gottes Wort achtet, lässt sich nicht verführen.           

b) Wer Gottes Heilsabsicht kennt, braucht nicht zu erschrecken.

c) Wer Jesu Wiederkunft erwartet, wird mit Freude erfüllt.

3.4 Predigtveranschaulichungen – wie verdeutliche ich es in dieser Predigt?

Lieder:

Lobpreiset unsern Gott

Bald schon kann es sein

Wenn der König wiederkehrt (Miroslav Chrobak)

»Warum musste mein Volk Israel mehr leiden als alle anderen Völker der Erde?«, fragte ein an Christus gläubiger Israeli unsere deutsche Reisegruppe und antwortete selbst: »Ich bin davon überzeugt, dass unser Vater im Himmel sein Volk Israel, das eigene Wege ging, durch all diese Leiden zu sich zurückführt.«

Ist so ein Glaube nicht naiv – angesichts der Ungerechtigkeit im Holocaust, insbesondere im Massenmord an Millionen unschuldiger Kinder? Ist da ein gerechter und allmächtiger Gott überhaupt denkbar? Schon vor 3.000 Jahren quälte den Dichter des 73. Psalms im Prinzip dieselbe Frage. Nach langem Suchen sah er ein, dass es unlogisch und ungebührlich ist, dem allmächtigen Gott Vorwürfe zu machen und bekannte: »Ja, Gott ist Israel gut, denen, die reinen Herzens sind.« Gott gibt den Menschen eine Zeitlang die Freiheit zu tun, was sie wollen. Dabei benutzt er in seiner Allwissenheit auch die Bosheit der Menschen, um sein gutes Ziel zu erreichen. Dieses besteht darin, dass sein Volk Israel und alle Menschen, die sich nach Gerechtigkeit sehnen, zum freiwilligen Vertrauen auf Gott finden. Da Gott ewig ist, steht er unter keinerlei Zeitdruck bei der Verwirklichung seiner Pläne. Und alle, die unschuldig gelitten und an Gott festgehalten haben, werden in Gottes Reich erleben, dass Gott gütig und gerecht ist und auch auf dieser Erde zu seiner Zeit ein vollkommen gerechtes Gericht ausführen wird. Der Glaube an einen gerechten und allmächtigen Gott ist daher auch heute nicht naiv; er erweist seine Echtheit im geduldigen Warten auf die Erfüllung von Gottes Zeitplan.

Hartmut Ising, Gibt es einen gerechten und allmächtigen Gott? in: Leben ist mehr.

(Karlheinz Deininger)