Predigtthema: In der Schrift findet man das Zeichen
Die Erarbeitung dieser Predigt erfordert etliche Stunden an Vorbereitung. Zu eurer Unterstützung enthält diese Predigthilfe deshalb Hinweise für eure Verkündigung, ersetzt aber nicht euer eigenständiges Erarbeiten des Bibeltextes. Bei der Vorbereitung dieser Predigt suchen wir nach dem, was der Herr über den Predigttext durch uns sagen will, denn wir verkündigen nur die Botschaft, die uns persönlich auf der Basis des Predigttextes aufs Herz gelegt wird. Nur wo der Herr uns das Herz gefüllt hat, da haben wir etwas zu sagen, da nur dann gilt: „Wer euch hört, hört mich“ (Lk 10,16a)!
- Sehen, was dasteht
Verschiedene Bibelübersetzungen um mit dem Predigttext vertraut zu werden findet man z.B. unter www.bibleserver.com (Luther 1984 / Revidierte Elberfelder Bibel / Hoffnung für alle / Schlachter 2000 / Neue Genfer Übersetzung / Gute Nachricht Bibel / Einheitsübersetzung / Neues Leben Bibel / Neue Evangelistische Übersetzung).
1.1 Allgemeine Hinweise zum Predigttext
Wir sind im Juni in der Predigtreihe zu Matthäus. Der heutige Abschnitt besteht aus drei Blöcken, deren Zusammenhang etwas umstritten ist: Vers 38-42, Vers 43-45 und Vers 46-50. Die Verknüpfung dieser drei Blöcke zu einer zusammenhängenden Predigt ist sicherlich eine Herausforderung bei diesem Text. Wir werden uns in der Auslegung unter 1.3. fragen, warum Matthäus diese Abschnitte zusammenstellt und ich werde versuchen aufzuzeigen, wie man aus den Teilen eine zusammenhängende Predigt machen kann. Unser heutiger Text knüpft sehr eng an den Predigttext der letzten Woche an (Vers 22-37): Zum einen durch die Thematik der bösen Geister, die wieder aufgegriffen wird. Zum andern aber darin, dass Jesus weiterhin die Frage stellt: Wer bin ich eigentlich? Wie im Abschnitt letzte Woche legt Jesus seinen Hörern und besonders den Pharisäern wieder dar: Wenn ihr vernünftig denkt und euren Verstand gebraucht, müsst ihr an mich glauben!
In diesem Text gibt es keine großen exegetischen Schwierigkeiten; der Inhalt ist im Großen und Ganzen klar. Die Verse über die unreinen Geister (43-45) sind bieten in der Auslegung wahrscheinlich die größte Herausforderung. Einfach aus dem Grund, weil diese Welt uns heutzutage meist eher fremd ist. Hier hilft es möglicherweise, in einer Dogmatik kurz eine Zusammenfassung zur Lehre von den guten und bösen Geistern zu lesen, um diese Verse richtig aufzufassen. In der Texterklärung versuche ich aber auch knapp darzulegen, wie man die Verse einordnen kann.
1.2 Hilfen zum Verständnis des Predigttextes
Hilfen zur Auslegung bieten z.B.
* Gerhard Maier, Matthäus, Historisch-Theologische Auslegung: aktueller Kommentar, wissenschaftlich, verständlich
* D. A. Carson, Matthew, Expositor´s Bible Commentary: diskutiert ausführlich die exegetischen Herausforderungen im Text
* Fritz Rienecker, Matthäus, Wuppertaler Studienbibel: gute Anwendungen und hilfreich zur Predigtvorbereitung
* Gerhard Maier, Matthäus, C-Edition: konkrete Predigtvorschläge mit Gliederung
* N. T. Wright, Matthäus für heute 1: dort finden sich vor allem hilfreiche Geschichten und Beispiele für Predigten
1.3 Anmerkungen zum Verständnis des Predigttextes
Vers 38:
- Worauf antworteten die Pharisäer?
Das Wort „antworten“ kann auch bedeuten „anfangen zu reden“ (so z.B. Mt 11,25). So argumentiert beispielsweise Maier, dass hier ein neuer Abschnitt beginnt, der nicht direkt mit dem vorherigen verknüpft ist (697). Ich sehe hier aber durchaus eine direkte Antwort: Zum einen passt es inhaltlich gut. Jesus hat im vorherigen Abschnitt den Hörern deutlich gemacht, dass er Dämonen austreiben kann und dass er deshalb Gottes Sohn und der Messias ist. Er fordert sie auf zu glauben und warnt sie davor, nicht zu glauben – was man an ihren Früchten erkennt. Hier passt die Frage der Pharisäer sehr gut dazu, wenn sie daraufhin antworten und sagen: Wir wollen ein wirkliches Zeichen sehen, dass uns beweist, dass du der Retter bist! Außerdem greift spätestens Vers 43-45 wieder ganz deutlich die Geistthematik aus den vorherigen Versen auf. Es ist zwar nicht ganz klar, ob die Abschnitte 22-37 und 38-50 historisch gesehen direkt nacheinander abliefen; denn in Mk 8,10-12 ist die Zeichenforderung in einem ganz anderen Kontext eingeordnet und in Lk 11,29-32 ist sie nicht als Antwort auf den vorherigen Abschnitt formuliert und es sind einige Verse dazwischen eingeschoben. Aber weil das „Antworten“ nur bei Matthäus auftaucht, scheint mir Matthäus ganz bewusst diese Begebenheiten zusammengestellt zu haben (ob sie ursprünglich direkt nacheinander waren, ob Jesus dazwischen noch mehr sagte oder nicht, wissen wir nicht) – gerade, weil es inhaltlich so gut zusammenpasst. Mit Rienecker (228) denke ich also, dass Matthäus hier zeigen will: Die Pharisäer waren echt erschrocken nach den vorherigen Worten und wollen es nun ganz genau wissen: Bist du es wirklich? Beweise es uns noch deutlicher!
- Wer sind die Pharisäer und die Schriftgelehrten?
Die Pharisäer waren eine theologische, philosophische und politische Richtung. Sie beschäftigten sich besonders intensiv mit der Schrift und vertraten einige Sonder-Lehren im Gegensatz zu anderen Gruppierungen wie den Sadduzäern oder den Essenern. Wer nähere Infos zu den Pharisäern lesen will, findet online gute Zusammenfassungen dazu. Hier stellt sich aber die Frage: Wer sind die Schriftgelehrten? Schriftgelehrte war ein allgemeiner Begriff, der sowohl für Pharisäer aber auch für Schriftgelehrten aus anderen Gruppen stehen konnte. Es gibt zwei Theorien, was hier mit „Pharisäer und Schriftgelehrte“ gemeint ist: Entweder es sind einige Schriftgelehrte aus der Gruppe der Pharisäer. Oder es sind einige Pharisäer und zusätzlich einige Schriftgelehrte aus anderen Gruppen. Ich denke, dass man es nicht genau sagen kann und vielleicht sogar Matthäus selbst es nicht genau wusste. Wenn teilweise hunderte oder tausende von Leuten Jesus zuhörten, kannten die Jünger sicher nicht alle. Wenn nun einige Schriftgelehrte kamen, um Jesus eine Frage zu stellen, muss man nicht davon ausgehen, dass man alle sofort genau zuordnen konnte. Vielleicht wussten die Jünger: Einige von diesen, die die Frage stellen, gehören ganz sicher zu den Pharisäern. Und deshalb schreibt beispielsweise Markus in dieser Geschichte (8,11) nur von Pharisäern, während Matthäus von Pharisäern und Schriftgelehrten schreibt.
Eine wichtige Bemerkung hier ist: Matthäus spricht explizit davon, dass „einige“ von ihnen diese Frage stellten. Ich denke, er will deutlich machen, dass es auch andere Schriftgelehrte und Pharisäer gab, die die Frage nicht stellten. Das kann positiv oder negativ verstanden werden: Es gab andere, die sich nicht fragten, ob Jesus wirklich der Messias ist. Oder: Es gab andere, die schon überzeugt waren, dass Jesus ihr Retter ist und die deshalb nicht weiter nachfragten.
- Warum sprechen sie ihn als „Lehrer“ an?
Die respektvolle Anrede als „Lehrer“ fällt hier auf. Die Schriftgelehrten hatten gemerkt, dass Jesus ein Lehrer ist, der gut unterrichtet und redet. So reden sie ihn als Lehrer an – aber gleichzeitig schwingt die Frage mit: Bist du denn wirklich ein guter Lehrer? Hast du wirklich gute Antworten, hast du einen Beweis, dass du von Gott gesandt bist?
- Was für ein Zeichen wollen die Pharisäer sehen? Haben sie nicht gerade ein Zeichen gesehen? Und weshalb wollen sie ein Zeichen sehen?
Die erste Frage, die ich mir hier gestellt habe ist: Warum stellen die Pharisäer diese Frage? Sie haben doch gerade ein Zeichen gesehen, als die Dämonenausreibung geschehen ist. Außerdem hat Jesus auch schon in den vorherigen Kapiteln Zeichen und Wunder getan. Was also soll diese Frage? Es ist ganz klar: Sie wollten nicht von Jesus, dass er einfach noch jemanden heilt oder einen Dämon austreibt. Das hatte sie nicht überzeugt, denn sie fragten sich immer noch: Macht er das Ganze nicht vielleicht auch durch böse Mächte? Deshalb ist klar: Sie hoffen, dass Jesus ein Zeichen macht, das sich von allen bisherigen Wundern unterscheidet. Ein Legitimationszeichen, das ganz eindeutig bestätigt, dass er von Gott gesandt ist. Eine unzweideutige Kundgebung Gottes. Die Frage bleibt aber: Wie sollte dieses Zeichen denn aussehen? Vielleicht erhofften sich die Pharisäer eine Stimme aus dem Himmel? Das war schon geschehen, als Gott in Mt 3,17 bei der Taufe Jesu aus dem Himmel redete und Jesus bezeugte. Vielleicht erhofften sie sich, dass noch größere Wunder geschehen sollten, vielleicht Totenauferweckungen? Auch Tote hat Jeus auferweckt, beispielsweise die Tochter des Jairus, auch wenn das vielleicht erst nach dieser Begebenheit geschah. Vielleicht erhofften sie sich, dass Jesus ganz klar alttestamentliche Prophetien erfüllen würde? Auch das hatte Jesus mit seinen Heilungen und Wundern schon getan. Was also forderten die Pharisäer? Vielleicht erhofften sie sich, dass Jesus genau die Wunder tun würde, die sie sich wünschen. Dass er sozusagen auf ihren Befehl handelt, dann müsste er ja ihr Gott sein. Aber ich denke der entscheidende Punkt hier ist, dass sie es einfach nicht glauben wollten. Sie hofften auf immer noch größere Zeichen und Wunder zur Bestätigung Jesu – aber ihnen war nicht klar, dass sie, wenn sie wollen, jedes Zeichen und jede Bestätigung verdrehen können. Das zeigt sich auch daran, dass sie die Zeichenforderung wiederholten, beispielsweise in Mt 16,1ff. Erstmal ist das zwar ein positives Ringen darum, die Wahrheit über Jesus herauszufinden. Es ist super, wenn Leute die Frage stellen: Woran erkennen wir denn, dass Jesus Gott ist? Aber sie müssen auch bereit sein, auf die Zeichen zu sehen, die schon da sind – wenn man will, kann man alles umdeuten! Das macht auch die Formulierung „wir wollen“ deutlich. Die Pharisäer wollten noch mehr sehen, es ging ihnen nur darum, was sie wollen, aber dadurch sahen viele von ihnen auch nur das, was sie sehen wollten, weil sie nicht genauer hinschauten.
Vers 39:
- Warum antwortet Jesus so hart: Zeichen fordern heißt ehebrecherisch und böses Geschlecht? Was ist am Zeichenfordern falsch?
Jesus antwortet auf diese Frage sehr harsch und direkt: Ihr seid böse und ehebrecherisch. Böse bedeutet, dass sie Gegner Gottes sind. Ehebrecherisch bedeutet, dass sie den Bund mit Gott verlassen haben und ihm als ihrem „Ehepartner“ untreu waren. Das Bild vom Ehepaar für den Bund Gottes mit den Menschen wir in der ganzen Bibel immer wieder verwendet (z.B. Hosea 1-2; Hes 16,23ff). Warum antwortet Jesus so deutlich? Nachdem er ihnen liebevoll gezeigt hat, dass alle Argumente dafürsprechen, dass er der Retter ist (Vers 22-30), merkt er jetzt: Sie wollen eigentlich gar keine Argumente mehr. Sie wollen mich nur herausfordern und auf die Probe stellen, wie der Teufel es bei der Versuchung Jesu tat (Mt 4,7). Sie wollen ihn dazu bringen, dass er genau das tut, was sie wollen – und sich damit gegen Gottes Plan und Willen erhebt. Denn eine Sache ist klar: Es gibt keine Zeichen und Wunder, die nicht zweideutig sind. Es gibt keine unzweideutige Kundgebung. Das liegt nicht an Gott, sondern an unserem sündhaften Verstand. Unser Verstand ist wie unser ganzer Körper seit dem Sündenfall eingeschränkt. Und deshalb können wir egal was geschieht, danach entweder sagen: Das war ein Zeichen von Gott, oder irgendeine andere Erklärung finden (indem wir es rationalistisch erklären, anderen bösen Mächten zuschreiben oder Ähnliches), egal wie unvernünftig diese Erklärung eigentlich ist. Ich denke also, es gibt zwei Gründe für die harte Zurechtweisung: Erstens wurde Jesus wie schon vom Teufel jetzt versucht, nach seinem eigenen Willen und Geschmack Zeichen zu tun, die gar nicht Gottes Willen sind. Und zweitens war Jesus klar: Ich habe schon so viele Zeichen getan: Euer Problem liegt nicht an den fehlenden Zeichen, sondern an eurem Unglauben! Ihr seid Gegner Gottes und habt den Bund mit ihm gebrochen, deshalb seht ihr die Zeichen nicht!
Die Frage, die man sich hier im Anschluss an diese Aussage stellen kann: Ist es also falsch, Zeichen von Gott zu fordern? Ist es nicht so, dass manche Menschen Gott glauben, weil sie erlebt haben, dass Gott Wunder tut und ist es dann nicht verständlich, dass jemand anders auch solche Wunder erleben will? Die Bibel macht ganz klar: Gott tut Zeichen und Wunder. Zum Beispiel die Israeliten haben immer wieder durch die großen Zeichen Gottes gesehen, wie mächtig und herrlich er ist (2Mose 3,20; 15,6). Außerdem lesen wir Geschichten, in denen Menschen explizit ein Zeichen von Gott forderten und Gott sich darauf einlässt. In Ri 6,17ff fordert Gideon ein Zeichen und ein Wunder, weil er sich nicht sicher ist, ob Gott das wirklich zu ihm gesagt hat. In 2Kön 20,8ff fordert Hiskia ein Zeichen dafür, dass er wirklich wieder gesund wird. Und auch im Neuen Testament wird explizit gesagt, dass Menschen glaubten, weil sie die Zeichen sahen, die Jesus tat (Joh 2,23). Also es wird klar: Wir dürfen in der Not Zeichen von Gott erbitten. Manchmal schenkt Gott uns Zeichen und Wunder, die uns stärken. Aber die entscheidende Frage ist: Will ich Gott nur versuchen – was ich ja nicht soll? Habe ich offene Augen und will Gott glauben? Sehe ich die vielen Wunder und Zeichen, die Gott schon getan hat? Das größte Wunder überhaupt hat Gott ja schon getan, dass er Jesus auf den Toten auferweckt hat. Das ist auch außerordentlich gut belegt. Also wenn man allgemein Zeichen von Gott fordert, muss man sich wie die Pharisäer die Frage stellen lassen: Willst du vielleicht einfach ein Gegner Gottes sein und willst ihm gar nicht glauben, egal was passiert? Gott will uns Menschen natürlich auch nicht zwingen, an ihn zu glauben, denn er will eine freiwillige Liebesbeziehung zu uns, für aber auch gegen die wir uns frei entscheiden dürfen.
- Warum verallgemeinert Jesus auf das ganze Geschlecht?
Wie kann Jesus das ganze Geschlecht, die ganze damalige Generation, als böse beschreiben, nur weil ein paar diese Frage stellen? Zum einen ist wichtig: „Das ganze“ bedeutet nicht zwingend jeder einzelne, sondern ist eine Verallgemeinerung. Wenn ich sage: „Deutsche sind pünktlich“, heißt das auch nicht, dass jeder einzelne Deutsche pünktlich ist, sondern nur, dass ein großer Teil der Deutschen oft pünktlich ist im Vergleich zu anderen Kulturen. Also: Jesus spricht dieses Wort gegen einen großen Teil der damals lebenden Menschen und das kann er, weil er selbst miterlebt, wie viele aus seinem Volk ihn ablehnten. Weil er selbst schon wusste, dass sein eigenes Volk sich gegen Gott stellen wird und ihn kreuzigen wird. Auch wenn einige ihm glaubten, so brachen viele den Bund mit Gott und glaubten nicht an den Messias, den er gesandt hatte.
- Was meint Jesus mit: Kein anderes Zeichen wird gegeben? Es gab doch schon ganz viele? Warum bezieht er sich gerade auf Jona?
Jesus macht den Hörern mit den Worten klar: Ich bin kein Automat, ihr könnt nicht irgendetwas fordern und genau das tue ich dann für euch. Ihr werdet nicht das Zeichen bekommen, das ihr euch erhofft. Aber gleichzeitig zeigt er ihnen durch den Vergleich mit Jona auf: Das größte Zeichen überhaupt wird geschehen: Ich werde aus den Toten auferstehen. Ich werde zeigen, dass ich mächtiger bin als der Tod. Und dann wird es wirklich keinen Grund mehr zu geben, nicht zu glauben. Obwohl Jesus erkannt hat, dass diese Gruppe der Schriftgelehrten nach den vernünftigen Gründen einfach nicht glauben will, ringt er noch um sie und macht ihnen nochmal klar: Es wird ein Zeichen kommen, aber ihr müsst hinschauen und glauben! Wenn ihr es nicht sehen wollt, werdet ihr es auch nicht sehen!
Vers 40:
- Was ist das für ein „Beleg“ aus Jona? Was soll das für ein Zeichen sein?
Natürlich sind die Verse aus Jona keine Vorhersage auf Jesu Sterben und Leiden. Allerdings sehen wir immer wieder in der Bibel, das Gott in verschiedenen Zeiten auf dieselbe Weise handelt, und man ihn so „wiedererkennen“ kann. Gott hat durch sein Handeln im Alten Testament Bilder geschaffen, die sich im Nachhinein auch auf Jesus übertragen lassen (vgl. Kol 3,17). Das Alte Testament ist wie ein Bilderbuch, dessen Bilder uns teilweise erst in Jesus erklärt werden. Manche sprechen bei solchen Vergleichen von Typologie, andere nennen es Allegorie. Die Bibel nennt solche Vergleiche auch mit dem griechischen Wort „Prophetie“ (z.B. Mt 13,35), womit man aber vorsichtig sein muss; heute wird unter Prophetie meist nur eine konkrete Vorhersage verstanden, manche biblische Autoren fassen den Begriff der Prophetie hingegen weiter und zählen auch solche Typologien/Allegorien hinzu. Es gibt mehrere Parallelen zwischen Jesus und Jona, mindestens zwei werden hier explizit erwähnt: Jesus war drei Tage im Bauch des Fisches und ist dann sozusagen „auferstanden“ – Jesus ist drei Tage tot und wird aus den Toten auferweckt. In Vers 41 wird dann noch erwähnt: Die Leute aus Ninive kehrten um und taten Buße auf die Predigt von Jona hin, obwohl sie kein Zeichen hatten oder wenn dann nur die Geschichte von Jona als Zeichen hatten. Auch Jesus ruft zur Umkehr auf und predigt noch auf viel größere Weise als Jona und er stellt die Frage: Kehrt ihr auch um? Es gibt noch mehr interessante Parallelen, die beispielsweise Maier aufzählt, die hier im Text nicht explizit erwähnt werden (700): Zum Beispiel hatte Ninive 40 Tage Bußfrist, nachdem Jona gepredigt hat (Jona 3,4). Die Israeliten hatten noch 40 Jahre nach Jesu Tod Bußfrist, bevor ihr Land 70 n. Chr. vollends zerstört und eingenommen wurde. Also: Jesus will hier nicht nur sagen, dass die Juden doch schon Zeichen im Alten Testament bei Jona hatten, sondern er macht ihnen auch nochmal Hoffnung: Das größte Zeichen seht ihr in mir und werdet ihr in meinem Sterben und Auferstehen sehen – ein eindeutigeres Zeichen gibt es wohl nicht (vgl. Röm 1,4).
- Was bedeutet Herzen der Erde?
Jona war drei Tage im Bauch des großen Fisches. Hier zieht Jesus nun die Parallele: Auch er (der Menschensohn) werde drei Tage im Herzen der Erde sein. Herz der Erde steht hier vermutlich für das Grab, dass Jesus drei Tage lang im Felsen, im Innern der Erde und tot sein wird. Möglicherweise spielt es auch über das Grab hinaus darauf an, dass Jesus im Totenreich war, wie wir beispielsweise in Eph 4,9, Röm 10,7 und 1Petr 4,6 lesen.
- Bei Jona waren es wirklich drei Tage und drei Nächte, bei Jesus aber nicht, oder?
In Jona 2,1 lesen wir, dass Jona drei Tage und drei Nächte in dem Fisch gefangen war. Hierauf bezieht sich Jesu. Es fällt aber schnell auf: Bei Jesus waren es doch keine drei Tage und drei Nächte! Jesus ist freitags um 15 Uhr gestorben und am Sonntagmorgen war er schon auferstanden, also können es maximal zwei Nächte gewesen sein und es waren genau genommen insgesamt 35-40 Stunden, die Jesus tot war. Da scheinen doch die drei Tage und drei Nächte nicht ganz zu passen. Wir lesen zwar häufig, dass Jesus am dritten Tage auferstanden ist bzw. drei Tage tot war (z.B. 1Kor 15,4), aber das liegt an der jüdischen Zählweise. Damals wurden angefangene Tage ganz mitgezählt, also Jesus war am Freitag, Samstag und Sonntag tot – damit war er drei Tage tot und ist am dritten Tage auferstanden. Wie passt das hier nur? Die wohl beste Erklärung ist, dass „drei Tage und drei Nächte“ einfach eine weitere Formulierung für „drei Tage“ ist und das deshalb der Vergleich passt (Maier, 701). Möglicherweise war Jesus aber auch einfach nicht so wichtig, dass es exakt gleichlang ist. Auf jeden Fall wird hier klar: Jesus wird sterben und auferstehen, er ist der verheißene Menschensohn und Messias.
Vers 41:
- Wie kann man von dem Kollektiv der Leute aus Ninive sprechen, dass sie alle umgekehrt sind?
In Jona 3 kann man nachlesen, wie der König aus Ninive umkehrte und alle dazu aufrief, Buße zu tun. Das heißt zwar (wie oben) nicht zwingend, dass jeder Einzelne dabei war, aber der Großteil von Ninive tat wirklich Buße, bereute seine Schuld und kehrte um zu Gott. Daraufhin strafte sie Gott nicht, wie angekündigt, sondern war ihnen gnädig.
- Was war die „Predigt“ des Jona?
Wir lesen in Jona 3 nur sehr knapp, was Jona gepredigt hat: „Es sind noch vierzig Tage, so wird Ninive untergehen“ (Jona 3,4). Da Ninive daraufhin umkehrte und Buße tat, ist davon auszugehen, dass Jona sie ähnlich wie Jesus zur Umkehr aufrief. Möglicherweise erzählte Jona ihnen auch seine Geschichte, wie Gott ich zu ihnen geführt hat – dann hätten die Leute aus Ninive dadurch auch ein kleines Zeichen gehabt. Das viel größere Zeichen geschah dann natürlich in Jesus.
- Inwieweit werden die Leute aus Ninive richten können? Wird jeder Christ andere richten?
Jesus sagt zuerst, dass die Leute aus Ninive auferstehen werden – da stimmten die Pharisäer ihm zu, da sie auch an die Auferstehung der Toten glaubten. Wie schon in Matthäus 12,27 (vgl. dazu die Predigthilfe letzte Woche) geht Jesus davon aus, dass sie Gericht üben werden. Dadurch, dass die Leute aus Ninive umgekehrt sind, obwohl sie viel weniger Zeichen sahen als die Juden zurzeit Jesu, agieren sie indirekt als Zeugen und klagen die Juden an, die Jesus nicht geglaubt haben. Jeder, der nach Jesu Tod und Auferstehung lebt, hat letztlich dieses viel größere Zeichen und wird deshalb, wenn er nicht glaubt, angeklagt von denen, die schon vor Jesu Zeit an Gott glaubten. Möglicherweise hatte Jesus auch eine gängige Auslegung im Kopf, wie die Rabbiner die Flucht von Jona aus Ninive deuteten (vgl. Maier, 702): Sie meinten, er sei geflohen, weil er Angst vor der Buße Ninives hatte. Denn diese Buße würde zur Anklage Israels führen, weil das Volk Gottes nicht umgekehrt war wie die Leute aus Ninive.
- Warum ist Jesus mehr/größer als Jona?
Jesus nimmt hier wie so häufig und gern historische Beispiele aus der Bibel, die zeigen, dass er der Sohn Gottes und der Messias ist. Und Jesus provoziert damit seine Hörer: Wenn schon die Leute aus Ninive aufgrund der Predigt von Jona und dem Zeichen, dass Gott ihn errettet hat, umgekehrt sind, wie viel größer ist nicht meine Predigt in Vollmacht, die ihr merkt (vgl. Mt 7,28f)? Wie viel größer ist nicht das Wunder meiner Auferstehung? Jesus macht dadurch klar: Es gibt genug Zeichen und das größte Zeichen wird noch kommen. Ihr habt keinen Grund, nicht zu glauben!
Vers 42:
- Was ist die Geschichte der Königin von Süden?
Die Geschichte der Königin von Saba, deren Namen wir nicht kennen, ist in 1Kön 10,1ff und 2Chr 9,1ff nachzulesen. Dort lesen wir, dass die Königin von Salomos Weisheit gehört hatte. Sie kam von Ferne her mit vielen wertvollen Geschenken. Und als sie mit ihm redete und ihm Fragen stellte, war sie noch begeisterter von seiner Weisheit. Sie beschenkte Salomo reich und er gab wiederum ihr alles, was ihr gefiel. Außerdem lobte sie Salomos Gott. Dass Salomo besonders viel Weisheit hatte, lesen wir immer wieder (1Kön 3,5ff). Er hat beispielsweise einen großen Teil der Sprüche und das Buch Prediger geschrieben.
- Woher kam die Königin?
Die Königin kam laut dem alttestamentlichen Bericht aus Saba, das wahrscheinlich im heutigen Jemen liegt – also im Süden Israels. Aus der damaligen Sicht war das am „Ende der Erde“, weil es kurz vor dem Meer und damit ganz weit weg war. Das meint natürlich nicht, dass es wirklich das Ende der Erde war, sondern einfach ganz weit weg – ähnlich wie man heute manchmal noch sagt, dass Neuseeland beispielsweise am Ende der Erde liegt.
- Ist die Königin errettet, nur weil sie die Weisheit Salomos gesucht hat?
Es wird im AT nicht ganz klar, ob sie an Gott geglaubt hat und gerettet ist. Auf jeden Fall lobte sie Gott und war darin ein Vorbild. Weil Jesus sie als Vorbild für seine Hörer benutzt, tendiere ich eher dazu, dass sie wirklich gläubig geworden ist, ganz sicher wird das aber auch bei Jesu Erzählung nicht. Auf jeden Fall zeigt sich in dem, wie sie die Weisheit Salomos erkannt und dadurch nach Gott gefragt hat, dass sie auf dieses „Zeichen“ geachtet hatte, das Gott durch Salomo gegeben hat.
- Was meint Jesus damit, dass hier mehr ist als Salomo? Worauf spielt er an?
Jesus vergleich sich mit Salomo. Salomo war sehr weise, weil Gott ihm Weisheit geschenkt hat – und das war genug, um die Königin von Saba auf Gott aufmerksam zu machen. Jesus ist aber eindeutig noch weiser als Salomo, das sollten selbst schon die Juden gemerkt haben. Mehr Grund gibt es doch nicht, an ihn zu glauben, oder? Warum glauben sie nicht allein schon wegen der Weisheit Jesu an ihn und wollen noch mehr sehen? Vielleicht spielt Jesus hier auch auf Sprüche 8 an, wo Salomo die Weisheit personifiziert und beschreibt und wo sich erstaunliche viele Parallelen zu Jesus finden: Jesus ist letztlich die Weisheit in Person.
- Warum nimmt Jesus gerade Beispiele von Heiden?
Jesus bringt immer wieder Beispiele von Leuten, die nicht zu den Juden zu gehören – um die Juden zum Nachahmen zu reizen. Er will ihnen deutlich machen: Selbst solche Leute aus anderen Völkern glauben an Gott. Wie viel mehr solltet dann nicht auch ihr mir glauben?
Vers 43:
- Wie kommt Jesus jetzt auf einmal auf den unreinen Geist, wie ist das hier im Zusammenhang zu verstehen?
Zuerst fällt auf, dass in Lukas die Verse, die in Matthäus 12,43-45 sind, direkt an die Verse anknüpfen, die hier in Matthäus in die Verse 22-30 sind. Die Abschnitte von 31-37 und von 38-42 erscheinen in Lukas (in etwas anderer Form) erst weiter hinten. In Matthäus passt die Thematik vom Geist hier in Vers 43-45 auf den ersten Blick gut zu den Verse 22-37, wo es auch um den Geist geht. Deshalb meinen manche, die Verse von 38-42 wären nur ein Einschub. Allerdings setzt Matthäus hier ganz bewusst eine Verbindung durch den Beisatz am Ende von Vers 45, der im Paralleltext in Lukas nicht erscheint: „So wird es auch diesem bösen Geschlecht ergehen.“ Matthäus will also, dass wir einen Zusammenhang erkennen zwischen dem bösen Geschlecht in Vers 39 und in Vers 45. Außerdem bezieht Matthäus die Verse in 43-45 damit eindeutig nicht nur auf einen einzelnen Menschen, sondern genauso auch auf ein ganzes Geschlecht bzw. ein ganzes Volk. Am besten ist dann der Zusammenhang zwischen 38-42 und 43-45 wie folgt zu verstehen: Jesus hat zuerst gesagt: Das größte Zeichen der Auferstehung werdet ihr noch sehen. Diese Verse sind nun als Warnung zu verstehen: Neutralität ist nicht möglich (vgl. Carson, 298). Er macht den Pharisäern und allen Juden klar: Wenn du als Einzelner aber auch ihr als Volk nicht an mich glaubt, dann werden andere euch stattdessen füllen und beherrschen!
- Worauf bezieht sich Jesus hier mit dem unreinen Geist, der ausgefahren ist?
Zum einen bezieht sich Jesus sicher auf die Exorzismen, die er schon durchgeführt hat. Unreiner Geist ist einfach eine andere Bezeichnung für einen Dämon bzw. böse Geister (Mk 5,8). Jesus greift also darauf zurück, dass Menschen von den bösen Geistern verlassen werden und stellt nun die Frage: Was passiert nun mit dem Menschen? Da Matthäus hier diese Verse auch auf das ganze Geschlecht bezieht, ist die Frage gleichzeitig: Wenn ihr als Volk erkennt, dass ihr auf einem falschen Weg seid, dann ist die Frage: Kehrt ihr um und glaubt an mich oder nicht?
- Warum geht ein unreiner Geist gerade durch wasserlose Stätten?
Wasserlos ist in der Bibel immer auch ein Bild für eine Stelle, wo Gott nicht ist, weil er das lebendige Wasser ist (z.B. Jes 44,3ff) – weil Jesus das lebendige Wasser ist und Gott Wasserströme und Leben schafft. Wasserlos ist hier also am besten übertragen als Bild zu verstehen, für Stellen, an denen Gott nicht ist, an denen kein wirkliches Leben ist. Spannend ist, dass die Schweine, in die Jesus den Dämonen erlaubte zu fahren, sich danach in das Wasser stürzten und starben (Mt 8,28ff). Möglicherweise wird auch da dieses Bild gebraucht: Die Dämonen halten es im Wasser nicht aus – die Schweine rennen dorthinein und sterben und die Dämonen verlieren dadurch ihren Ruheplatz.
- Warum sucht der unreine Geist Ruhe – inwieweit braucht der Ruhe? Und warum findet er sie nicht? Könnte der Geist nicht in jeden beliebigen Menschen?
Da die Absicht der unreinen und bösen Geister immer ist, gegen Gott zu arbeiten, können sie keine Ruhe finden, wenn sie nicht Menschen von Gott wegbringen. Deshalb suchen die bösen Geister immer wieder einen Ruheplatz, einen Menschen, den sie beeinflussen können. Es gibt verschiedene Grade von Beeinflussung durch böse Geister; das deutsche Wort „besessen“, welches es im Griechischen nicht so gibt (dort heißt es einfach: er hat einen Dämon), assoziiert manchmal zu schnell, dass man im Besitz des Dämons ist. Das zeigt sich auch daran, dass Matthäus dieses Bild von einem Menschen auch auf ein ganzes Volk überträgt, das sich von bösen Geistern beeinflussen lässt. Dämonen haben zwar viel Macht, aber wichtig ist auch: Er kann nicht einfach so in einen Menschen gehen, sodass er einen Dämon hat. Ein Dämon kann nicht einfach so jeden Menschen beeinflussen. Außerdem sind Dämonen ein stückweit an einen Ort gebunden und sind nicht überall gleichzeitig wie Gott. Die bösen Geister können nur das tun, was Gott ihnen erlaubt zu tun – das wird beispielsweise in der Geschichte von Hiob aber auch in Mt 8,28ff deutlich, wo Jesus den Dämonen erlauben muss, in die Schweine zu fahren. Auch in dieser Geschichte sieht man, dass ein Dämon nicht einfach nur ein Schwein besetzt, da es dort um eine ganze Schweineherde geht, die von Dämonen beeinflusst wird. Allerdings haben die Geister eine Macht und Jesus macht ja im folgenden Vers auch klar: Wer sich nicht auf Gott einlässt und sich von ihm füllen lässt, bei dem haben Dämonen sehr viel mehr Macht und können sich leichter niederlassen.
Vers 44:
- Worauf bezieht sich das Haus hier?
Das Haus ist hier ein Bild für den menschlichen Leib wie z.B. auch in Joh 2,21. Gleichzeitig kann das Haus aber auch ein Bild für eine ganze Gruppe oder ein ganzes Volk sein, die der böse Geist beeinflussen will.
- Was heißt es, dass das Haus leer, gesäubert und geschmückt ist? Was bedeuten die Worte? Vor was will Jesus damit warnen?
In den meisten deutschen Bibelübersetzungen steht hier: „Wenn er kommt, findet er es“. Man kann aber auch übersetzen mit: „Er kommt und wenn er es … findet“. Zweites scheint mir besser zu passen, da nur in dem Fall, dass er es so vorfindet, die Folge in Vers 45 eintrifft (vgl. Maier, 706). Außerdem wird dadurch nochmal deutlich: Es sollte nicht der Normalfall sein, dass jemand nach einem Exorzismus noch immer „leer“ ist. Gleichzeitig verstärkt das die Warnung nochmal: Ist es bei euch so?
Jesus beschreibt das Haus als „leer, gesäubert und geschmückt“. Das ist hier eine Steigerung: Leer meint noch, dass niemand anders den Menschen oder die Gruppe von Menschen ausfüllt und ihr Leben bestimmt. Gesäubert steht dafür, dass es sogar sauber und ordentlich ist (vielleicht auch eine Anspielung auf die Vergebung und Reinigung durch Gott?): Der Mensch wartet schon fast darauf, dass er neue Maßstäbe und Werte bekommt von irgendeinem Geist. Geschmückt ist dann noch eine Stufe mehr: Es ist extra schön hergerichtet, damit der Geist zurückkommt.
Die Warnung von Jesus ist also: Wenn ihr nicht mehr vom bösen Geist bestimmt werdet, lasst euch von etwas Anderem, Besserem füllen: Vom Heiligen Geist. Denn von irgendwas wird ein Mensch langfristig immer gefüllt. An irgendwelche Werte, Regeln, Ethiken, Weltbilder etc. hält sich ein Mensch immer und die Frage ist, von welchem Geist man sich prägen lässt: Es gibt nur Gottes Geist oder böse Geister zur Auswahl.
Vers 45:
- Warum spricht Jesus von sieben anderen Geistern?
Sieben ist hier wohl einfach als Gleichniszahl zu verstehen: Sieben steht für die Fülle und Totalität, also das ganze Böse zieht dann in den Menschen ein.
- Gibt es Geister, die böser sind als andere?
Es gibt wahrscheinlich gewisse Abstufungen bei bösen Geistern, ähnlich wie bei Engeln, über die wir aber nichts Genaueres wissen. Jesus meint hier allerdings auch noch etwas anderes, wenn er von „böser“ spricht: Die bösen Geister werden den Menschen noch mehr beeinflussen als vorher. Sie werden noch mehr Auswirkungen und Zugriff haben als zuvor. Matthäus geht es um die ganze Nation: Wenn ihr als Nation nicht umkehrt zu Gott, nachdem Jesus zu euch gekommen ist, dann wird es mit eurer Nation danach noch schlimmer werden als davor (vgl. Carson 298). Das passt biblisch-theologisch auch zu dem Denken, dass es einer, dem sich Gott offenbart hat und den er befreit hat, der es aber abgelehnt hat, danach noch schwerer hat, zu Gott zu kommen, weil er unter einem noch stärkeren Einfluss des Bösen steht (vgl. Hebr 6,4).
- Können mehrere Geister auf einmal in einem Menschen wohnen? Ist das schlimmer als nur einer?
Es können mehrere Geister auf einmal einen Menschen beeinflussen und auf ihn einwirken. Immer wenn wir davon lesen, scheint das ein Ausdruck dafür zu sein, dass es noch schlimmer ist als nur mit einem. In Mk 5,9 lesen wir von der Legion, viele Geister. In Lk 8,2 lesen wir von sieben bösen Geistern, die in Maria waren.
- Was wird mit diesem Geschlecht passieren, was meint Jesus hier?
In diesem letzten Satz wird ganz klar: Matthäus will, dass wir diese Verse nicht nur auf eine einzelne Person, sondern auch auf das ganze Volk der Juden beziehen. Es wird damit zur Warnung für alle: Wenn Jesus sich euch offenbart und zu euch spricht und euch damit ein stückweit von unreinen Geistern befreit hat, die gerade das Reden Gottes verhindern wollen, dann lasst euch von Gott füllen! Lehnt es nicht ab! Umso öfters ihr euch gegen Gott stellt, umso schwerer wird es, zu ihm zu kommen, weil die bösen Geister immer mehr Einfluss auf euch bekommen. Die Verse sind damit ein ganz deutlicher Aufruf an das ganze Volk damals: Kehrt um! Wenn ihr nicht umkehrt, wird es euch und dem Volk danach noch schlechter gehen als bevor Jesus zu euch kam und redete. Diese Aussage macht auch deutlich: Die Verse hier sind in erster Linie eine pädagogische Mahnung: Lasst euer Haus nicht leer stehen, dadurch ladet ihr den Bösen ein. Lasst euren Geist vom Geist Gottes füllen.
Vers 46:
- Wie hängen die Verse über Geschwister und Mutter mit den Versen davor zusammen?
Gibt es einen chronologischen oder thematischen Zusammenhang dieser Verse zu den Versen davor? Auf den ersten Blick scheint das Thema zu wechseln. Das „als er noch redete“ könnte ein Hinweis darauf sein, dass die Situation aber noch dieselbe ist. Maier plädiert dafür, dass dies nicht so ist (710). Das begründet er damit, dass bei Matthäus häufig Überleitungswörter als Einleitungswörter verwendet werden und nicht zwingend einen zeitlichen Zusammenhang herstellen. Beispielsweise das Wort „dann“ und „darauf“ wird ganz klar als Einleitungswort für einen neuen Abschnitt verwendet, genauso könnte es hier mit dem Wort „noch“ sein. Außerdem erscheint die Geschichte in Lukas an einer anderen Stelle, weshalb entweder Lukas oder Matthäus hier nicht chronologisch sein können. Das ist zwar möglich, ich tendiere aber eher dazu, hier einen zeitlichen Anschluss zu sehen. Denn beide Parallelstellen in Mk und Lk leiten den Abschnitt nur mit „sie kamen“ ein. Matthäus hingegen beginnt mit den Worten: „Als er noch redete.“ Außerdem erscheint in Mk und Mt dieser Abschnitt im gleichen Zusammenhang, nur in Lukas an anderer Stelle. Deshalb tendiere ich eher dazu, bei Matthäus hier einen zeitlichen Anschluss zu sehen. Man kann sich vorstellen, dass Jesus den ganzen Tag lehrte und unterrichte. Irgendwann im Laufe des Tages predigte er die Worte, die wir in den vorherigen Versen lesen. Und während er predigte (möglicherweise nicht direkt nach den vorherigen Versen), erschien irgendwann seine Familie. Auch thematisch scheinen mir die Verse in 46-50, wenn man genauer hinschaut, gut in den Zusammenhang zu passen. Sie sind ein Abschluss der Kapitel 11 und 12, in denen es im Schwerpunkt um „Konflikte und Zeichen“ geht (Matthäus stellt in diesem Abschnitt sicher auch einiges thematisch zusammen, was nicht zeitlich gesehen beisammen war). Außerdem knüpft es gut an die vorherigen Sätze an: Nach der Warnung, sich nicht „unbewohnt“ zu lassen, weil dann böse Geister einen füllen, knüpft Jesus an der Begebenheit seiner Familie an und erklärt den Hörern, wie sie sich von Gott füllen lassen können, wie sie zur Familie Gottes gehören und seine Kinder werden können.
- Hatte Jesus Brüder?
Die Frage scheint auf den ersten Blick selbsterklärend. Hier ist doch von Brüdern Jesu die Rede, das ist doch ganz klar, oder? Allerdings stößt man auch ganz schnell darauf, dass sowohl die katholische Kirche als auch die orthodoxe Kirche davon überzeugt sind, dass Maria ihr Leben lang Jungfrau war und Jesus keine Halbgeschwister hatte. Wie können sie das vertreten? Diese These geht schon auf die alte Kirche zurück, schon Ambrosius von Mailand legte Jes 7,14 so aus, dass Maria ihr Leben lang Jungfrau gewesen sein muss. Daher kommt auch der Begriff der „Josefsehe“, der dafür steht, dass Josef und Maria zwar verheiratet waren, aber keine Sexualität gelebt hätten. Der Begriff „Brüder“ kann eindeutig auch für weitere Verwandte stehen und muss nicht immer nur den direkten Bruder bezeichnen. Zwei Erklärungsansätze werden in diesen Traditionen für die vielen Verse in der Bibel von „Brüdern Jesu“ verwendet: Zum einen gehen einige davon aus, dass Josef Witwer war und vor seiner Ehe mit Maria schon mit seiner ersten Frau Kinder hatte. Das scheint zwar etwas spekulativ, allerdings lesen wir schon in einer apokryphen Schrift aus dem 2. Jahrhundert davon (apokryphes Protoevangelium des Jakobus), dass genau das der Fall gewesen sei: Josef war Witwer und brachte Kinder mit in die Ehe mit Maria. Andere vertreten die These, dass die Brüder Jesu nur seine Cousins waren. Die Schwester von Maria hieß auch Maria (Joh 19,25) und so könnte es sein, dass ihre Kinder, also Jesus Cousins, auch Kinder von Maria waren (so werden die Brüder Jesu bezeichnet), aber eben nicht von Maria, der Mutter Jesu. Da es schon sehr frühe Belege für diese Auslegung gibt, halte ich sie für nicht komplett abwegig und man sollte die Auslegung zweier Großkirchen nicht vorschnell als „Schwachsinn“ abtun. Trotzdem würde ich aus folgenden Gründen dafür plädieren, dass Jesus wirklich Halbgeschwister hatte, also dass Maria und Josef weitere Kinder hatten: 1. Gibt es in der Bibel keinen Hinweis dafür, dass Josef Kinder mit in die Ehe mit Maria brachte und es gibt keine Stelle, die ausdrücklich sagt, dass Maria ihr Leben lang Jungfrau war und sie mit Josef keine Kinder hatte. 2. Stellen wir Mk 6,3 sprechen in einem Zug von der Mutter Jesu und seinen Brüdern und implizieren dadurch, dass es wirklich seine leiblichen Halbbrüder, also Kinder von Maria und Josef sind: „Ist der nicht der Zimmermann, Marias Sohn und der Bruder des Jakobus und Joses und Judas und Simon? Sind nicht auch seine Schwestern hier bei uns?“ 3. Dass mit „Brüder“ beispielsweise in diesem Abschnitt weitere Verwandte bezeichnet werden, scheint nicht einleuchtend: Denn es waren sogar Jünger Jesu seine Cousins (Johannes und Jakobus auf jeden Fall), vermutlich sind sie sogar zusammen aufgewachsen. Trotzdem werden diese beiden Cousins Jesu nicht als seine Brüder bezeichnet, wir wissen noch nicht mal von Berichten aus der frühen Kirche (meines Wissens), in denen mit diesem Verwandtschaftsverhältnis begründet würde, dass sie mehr Gewicht hatten. Allerdings bei Jakobus und Judas, die Brüder des Herrn genannt werden, lesen wir immer wieder davon, dass sie Brüder Jesu waren.
- Warum kamen nur Brüder und die Mutter Jesu? Was war mit Schwestern oder mit Josef?
Jesus wird in den Evangelien einige Male als Sohn Josefs bezeichnet (z.B. Joh 1,45). Allerdings fällt auf, dass er abgesehen von den Startkapiteln nirgends in den Evangelien eine Rolle spielt, dabei ist oder handelt. Deshalb gingen schon in der frühen Kirche viele davon aus, dass Josef vor dem aktiven Auftreten Jesu gestorben ist (so zum Beispiel Hieronymus). Ganz sicher ist das zwar nicht, allerdings ist es gut möglich, da Josef sicher schon alt war, als Jesus knapp 30 war und zu predigen begann. Das wäre auch eine gute Erklärung dafür, warum hier beispielsweise nur die Mutter und die Brüder kommen.
Schwestern hatte Jesus auch (z.B. Mk 6,3), allerdings wird nie eine namentlich erwähnt. Warum sie hier nicht dabei sind, ist nicht ganz klar.
- Warum kommt Jesu Familie extra zu ihm zum Reden? Sahen sie sich sonst nicht?
Jesus scheint während der 3 Jahre seines Dienstes kaum bei seiner Familie gewesen zu sein. Vielleicht verstand er sich in Anschluss an Johannes den Täufer ein stückweit als Nasiräer, Gottgeweihter, der sich ganz besonders seinem Dienst hingab (vgl. Maier, 710). Während Jesus die ersten Jahre ganz normal bei seiner Familie aufwuchs, verließ er sie wohl für den Dienst, um seiner Berufung zu folgen und das Reich Gottes zu verkündigen. Es scheint so, dass die Brüder und vielleicht auch die Mutter Jesu während des Dienstes nicht ganz von Jesus überzeugt waren, sie hielten ihn teilweise für nicht zurechnungsfähig (Mk 3,21) und glaubten nicht an ihn (Joh 7,5). Wohl erst gegen Ende seines Dienstes oder mit der Kreuzigung und Auferstehung Jesu, wurden auch einige seiner Brüder überzeugte Nachfolger Jesu. In Apg 1,14 lesen wir, dass sie bei einer Gebetsgemeinschaft dabei waren. Von Judas und Jakobus wissen wir, dass sie in der frühen Gemeinde angesehen waren (Apg 15,13; und vgl. die Briefe der beiden). Aber als sie hier zu Jesus kommen, kamen sie wohl eher noch anklagend und wollten ihn zur Rede stellen.
Vers 47:
- Warum musste ein Informant Jesus mitteilen, dass seine Familie draußen steht?
Hier wird deutlich, dass Jesus in diesen Versen in einem Haus oder im Hof eines Hauses lehrte. Anscheinend war das Haus so voll, dass seine Familie von draußen nicht rein konnte, um mit ihm zu reden. Vielleicht wäre es der Familie auch unangenehm gewesen, sich gemeinsam nach vorne zu drängen, um Jesus dort von der „Bühne“ zu ziehen. Deshalb beauftragten sie einen, es Jesus auszurichten. Vielleicht sprach es sich auch irgendwie durch die Menge herum und einer teilte es Jesus mit.
- Gehört der Vers 47 überhaupt dazu?
In Vers 47 stoßen wir auf ein textkritisches Problem. In vielen alten Handschriften ist dieser Vers gar nicht enthalten. Im Paralleltext in Mk 3,33 geht es auch direkt weiter mit: „Jesus antworte ihnen und spricht.“ In einigen alten Abschriften, die relativ gut sind, fehlt dieser Satz. In teilweise noch älteren Handschriften ist er aber enthalten; von der Menge und Qualität der Handschriften her sprechen mehr dafür, dass dieser Vers zum Text gehört. Allerdings lässt sich sehr schwer erklären: Warum sollte dieser Vers weggelassen worden sein von Abschreibern? Auf der anderen Seite ließe sich eher erklären, dass er hinzugefügt wurde. In Vers 48 heißt es am Anfang, dass Jesus zu dem sprach, der es ihm mitteilte. Hier würde davor der erklärende Einschub Sinn ergeben, dass es ihm jemand mitteilt. Man sieht, dass auch mit dem Beginn von Vers 48 die Abschreiber Schwierigkeiten hatten; in einer alten Handschrift fehlt dieser Teil „zu dem, der ihm es sagte“. In anderen Handschriften gibt es unterschiedliche Formen davon. Deshalb tendiere ich dazu, dass der Anfang in Vers 48 so dastand, dass aber manche Abschreiber sich gesagt haben: Wir ergänzen hier einen kleinen Satz (Vers 47), damit klar wird, dass es ihm einer mitteilte. Andere hingegen versuchten den Anfang von Vers 48 anzupassen, damit es nicht aus dem nichts kommt, dass Jesus einer Person antwortet. Ganz sicher lässt sich nicht sagen, ob der Vers ursprünglich ist; aber auch wenn er eine Ergänzung ist, wovon ich ausgehe, ist es ja eine sinnvolle Ergänzung, die erklärt, wie es abgelaufen ist und wie der Text gemeint ist. Jesus antwortet auf jeden Fall speziell dem Boten, der es ihm mitgeteilt hatte, spricht es aber gleichzeitig auch zur ganzen Menge.
Vers 48:
- Was bezweckt Jesus mit der Frage: Wer sind meine Mutter und meine Brüder?
Jesus stellt die Frage, um die Zuhörer zum Nachdenken zu bewegen. Natürlich war allen klar, wer die leibliche Mutter und die leiblichen Geschwister Jesu waren. Aber vielleicht erinnerten sich manche der Hörer auch schon an 5Mose 33,8f, wo schon angedeutet wird, dass für Leviten und Priester die geistliche Familie und Verantwortung eine besondere Rolle spielt im Vergleich zur leiblichen Familie. Für Priester war immer klar, dass sie für ihre Aufgabe und Verantwortung ein stückweit „normale Familie“ opferten (vgl. Maier, 712).
Vers 49:
- Was meint Jesus damit, dass die Jünger seine Mutter und seine Brüder sind?
Mir schien es auf den ersten Blick etwas seltsam, dass Jesus seine Nachfolger auch als seine Mütter bezeichnet. Aber es wird deutlich: Jesus verwendet hier ein Bild und überträgt es: Ähnlich wie man in dieser Welt besonders eng mit der Familie verknüpft ist, verbunden ist und besondere Verantwortung trägt, so sind wir in der geistlichen Realität eine Familie, wenn wir zu ihm gehören. Dabei geht es nicht um die genaue Differenzierung zwischen Bruder, Mutter, Vater, Schwester. Sondern darum: Wir sind geistliche Verwandte. So wie im Reich der Welt keine Verbindung so eng ist wie die der Familie, so eng ist in Gottes Reich die Verbindung zwischen allen Gläubigen. Jeder, der zu Jesus gehört, ist Teil dieser Familie. Damit zeigt er in Anschluss an Vers 43-45 auf, mit was man sich füllen lassen muss, damit das Böse einen nicht immer wieder ruft: Mit Gottes Geist, der uns zu Kindern Gottes macht (Röm 8,14) und der uns zur Familie Jesu zugehörig macht und uns mit allen Gläubigen verbindet. Das Bild des Vaters wird in der Bibel fast ausschließlich auf Gott hin verwendet, weshalb Gott hier die Nachfolger nicht seinen Vater nennt, das ist in Vers 50 dann Gott.
- Wie verhalten sich geistliche Familie und irdische Familie? Verletzt Jesus hier nicht das vierte Gebote, dass man die Eltern ehren soll? Ist die geistliche oder die irdische Familie „wichtiger“?
Jesus war ohne Schuld, also ist ganz klar, dass er auch das vierte Gebot, das Ehren der Eltern, total ernst nahm. Das zeigt sich auch darin, dass er es selbst predigte: Mt 15,3ff. Deshalb redet er auch nicht schlecht über seine Familie, obwohl sie wohl noch nicht an ihn glaubten. Aber er will hier zwei Dinge klarstellen: Sein Auftrag, seine Berufung steht über seiner Familie. Er lässt sich nicht einfach so vom Predigen wegrufen, weil seine Familie mit ihm reden möchte (bei einem Notfall wäre das vielleicht etwas anderes gewesen). Außerdem stellt Jesus hier ganz klar: Ich will keine Dynastie aufbauen. Jesu Ziel war es nicht, dass seine Brüder und Geschwister nach ihm seine Jünger weiter anleiteten und führten. Sein Ziel war es nicht, seine Familie als Herrscher einzusetzen. Sondern im Reich Jesu gilt: Jeder Gläubige darf ganz mitarbeiten und hat dieselben Rechte. Nach Jesu Tod arbeiteten auch Brüder Jesu im Reich Gottes und in der Gemeinde mit (1Kor 9,5; 1Kor 15,7). Aber das taten sie nicht mit einer größeren Autorität, nur weil sie Geschwister Jesu waren. Deshalb ist Jesus hier wichtig zu sagen: In meinem Reich gilt nicht die leibliche Familie, sondern die geistliche Familie! Das scheint uns Christen vielleicht selbstverständlich, aber ist im Islam beispielsweise ganz andres. „Dort entsteht durch Mohammeds Verwandte das System des Kalifats. Dort entstehen Machtkämpfe, Dynastien und bis zum heutigen Tag schwere Gegnerschaften durch Berufung auf Familienmitglieder Mohammeds, zum Beispiel unter Sunniten und Schiiten“ (vgl. Maier, 712).
Es wurde deutlich, weshalb Jesus hier so deutlich reagiert und was er damit klarstellen will. Wir sind heutzutage in der Spannung, dass wir noch sowohl in der Welt leben als auch in der Gemeinde und in Gottes Reich. Damit haben wir sowohl eine Verantwortung gegenüber unserer leiblichen und gegenüber unserer geistlichen Familie, die man nicht gegeneinander ausspielen darf; beides sind Verantwortungen, in die Gott uns von der Bibel her hineinstellt. Deshalb wäre es auf der einen Seite natürlich falsch, den Ehegatten davonzulaufen, wie es in der Geschichte manche extremen Christen gemacht haben (vgl. Maier, 713) und es wäre natürlich falsch, die leibliche Familie zu vernachlässigen und sich in Notsituation nicht um sie zu kümmern. Auf der anderen Seite wäre es natürlich falsch, sein ganzes Leben nur dem Kümmern um die Kinder oder die Eltern zu widmen und deshalb keine Zeit für die geistliche Familie zu haben, um die man sich genauso kümmern muss und die man nicht vernachlässigen sollte. Natürlich sollte Gott die erste Priorität im Leben haben – über der Familie. Je nach Familienkonstellation kann diese erste Priorität Gottes im Leben zu Differenzen und Streit führen, wie es besonders in muslimischen Familien häufig vorkommt. Aber es muss berücksichtigt werden: Gott gibt jedem Christen sowohl den Auftrag, für die leibliche Familie (1Tim 3,4) als auch für die geistliche Familie zu sorgen (Jak 2,15f). Je nach Situation kann hier die Arbeit in der Familie oder aber die in der Gemeinde intensiver sein und mehr Zeit fordern, wenn man beispielsweise in der Familie besonders pflegebedürfte Familienmitglieder hat oder wenn man in der Gemeinde besonders pflegebedürftige geistliche Geschwister hat. Spannend ist auch, dass schon vom Alten Testament her deutlich wird: Im Dienst für den Herrn stehende und Leiter haben eine besonders starke Verantwortung für die geistliche Familie und können deshalb umso mehr in der Spannung dieser „beiden Familien“ stehen (1Kor 7,7).
Vers 50:
- Warum ergänzt und erwähnt Jesus hier auf einmal auch die „Schwester“?
Es fällt auf, dass Jesus in der Zusammenfassung ergänzt, dass man nicht nur Bruder und Mutter, sondern auch Schwester sein kann. Vielleicht wollte er damit nochmal ganz klar zeigen: Egal ob Mann oder Frau, jeder, der den Willen des Vaters tut und zu mir gehört, der gehört zu unserer Familie!
- Was heißt es, den Willen des Vaters im Himmel zu tun? Warum sind nur diejenigen Jesu Geschwister und Mutter?
In Vers 38-42 hat Jesus deutlich gemacht: Es gibt Zeichen und Belege, ich bin der Retter! In Vers 43-45 hat er davor gewarnt: Bleibt nicht leer, wenn ihr befreit wurde, lasst euch vom guten Geist füllen! In diesen letzten Versen verknüpft er nun mit der Begebenheit seinen Eltern die Aufforderung und sagt: Das Füllen-Lassen funktioniert, indem ihr Gottes Willen tut und mir nachfolgt, dann wird Gott euch ausfüllen. In Lukas 8,21 ist die Formulierung in diesem Text etwas anders, dort heißt es: „die Gottes Wort hören und tun“. Hier in Matthäus lesen wir: „die den Willen des Vaters tun“. Das bedeutet: Das Entscheidende ist das Tun, nicht das Wertschätzen, Diskutieren, Überlegen. Dieselbe Aussage wie hier lesen wir immer wieder in der Bibel: Mt 7,21.24; Dtn 30,15; Gal 5,6; Jak 1,22. Den Willen Gottes tun beinhaltet hier meiner Ansicht nach zwei Aspekte: Zum einen: Das Tun, wie Gott uns gesagt hat, dass wir ihm nahekommen können. Das war zu jeder Zeit der Heilsgeschichte natürlich etwas anderes, aber immer war es das Tun dessen, was Gott uns aufgetragen hat. Während im Alten Bund der Wille Gottes war, dass die Israeliten Opfer bringen und dadurch ihre Schuld bekennen und seine Vergebung annehmen, ist im Neuen Bund der Wille Gottes, dass wir an Jesus Christus glauben, weil er für uns am Kreuz gestorben ist. Wenn wir diesem Willen Gottes folgen, dann gehören wir zur geistlichen Familie und sind errettet. Ein zweiter Aspekt ist: Darin, dass wir den Willen Gottes tun beispielsweise in der Ausübung von Liebe, zeigt sich, dass der Heilige Geist uns ausfüllt und wir nicht mehr vom Bösen bestimmt werden (Gal 5,6; Jak 2,14ff).
- Verstehen, worum es geht
2.1 Hinweise für hermeneutische Überlegungen (Auslegung)
Vers 38-42 steht in einem etwas anderen Verhältnis zum heutigen Hörer wie zum damaligen Hörer. Während die Hörer damals noch auf das letzte Zeichen warteten, dass Jesus stirbt und aufersteht, leben wir schon nach dieser letzten Bestätigung Gottes, dass Jesus der Retter ist. Deshalb können wir schon darauf zurückblicken, müssen aber auf historische Quellen Bezug nehmen, die uns davon berichten und es belegen.
In Vers 43-45 ist zu berücksichtigen, dass der Text noch vor Pfingsten spielt, man also nicht vorschnell auf die Versiegelung eines Christen mit dem Heiligen Geistes eingehen sollte. Allerdings verkündigt Jesus den Neuen Bund, weshalb ich davon ausgehe, dass sich hier auf jeden Fall eine Verbindung ziehen lässt.
Das Angebot in Vers 46-50, dass man Teil der geistlichen Familie, der Familie Gottes, werden kann, ist eine Einladung, die wir ganz direkt heute an die Hörer ausspreche können verknüpft mit der Begründung Jesu Gottessohnschaft in Vers 38-42 und der Warnung vor Neutralität in Vers 43-45.
2.2 Hinweise für situative Überlegungen (Predigtanlass)
Wir predigen den Text zwei Wochen nach Pfingsten, zusammen mit dem Predigttext letzte Woche können wir hier sehr gut an die Geistthematik anknüpfen. Wir können von Pfingsten her aufzeigen, wie wichtig es ist, dass man von Gottes Geist erfüllt ist.
Zu berücksichtigen ist die Situation vor Ort, die vermutlich durch Corona eingeschränkt ist und wodurch möglicherweise ein anderer Zuhörerkreis entsteht. Anknüpfen kann man hier beispielsweise thematisch, indem man aufzeigt: Durch Corona sind viele Familien wieder enger zusammengerückt, weil die Kinder oder auch die Eltern auf einmal viel mehr zuhause waren. Wie sieht es da mit der geistlichen Familie aus, rücken wir in Notsituationen auch als Familie enger zusammen?
2.3 Hinweise für homiletische Überlegungen (Anwendung)
Es gibt verschiedene Anwendungsmöglichkeiten des Textes, ich möchte hier nur einige Linie aufzeigen:
Vers 38-42:
> Man kann die Hörer herausfordern: Zu welcher Gruppe gehört ihr? Seid ihr die fragenden und zweifelnden Schrift-Gelehrten? Gehört ihr zu den anderen Schriftgelehrten? Seid ihr die, die schon den ganzen Tag dabeisitzen und zuhören, trotz der vielen Konflikte – die vielleicht keine Ahnung von der Schrift hatten und einfach gespannt zuhörten?
> Würden wir auch manchmal gerne Zeichen von Gott als Bestätigung? Warum fordern wir solche Zeichen, um Gott zu versuchen? Sind wir bereit, hinzuschauen für die vielen Zeichen, die es eigentlich schon gibt? Bist du bereit, dich ehrlich nach Gott auf die Suche zu machen und dich von Zeichen auch überzeugen zu lassen? Unser Verstand kann immer zweideutig deuten, die Frage ist, ob du bereit bist, das eigentlich Offensichtliche zu erkennen! Hier kann man Nichtchristen gut hinterfragen: Woran liegt es, dass du nicht glaubst? Willst du nicht hinschauen und deutest alles so, dass es eben nicht zu Gott passt? Man kann auch herausfordern wie Jesus: Haben andere nicht schon wegen viel weniger Gott vertraut und an ihn geglaubt und werden damit Zeugnis gegen euch ablegen, wenn ihr nicht glaubt?
> Jesus spricht die ganze Generation an: Wir können uns bewusst sein: Wir gehören immer zu einer Gruppe, zu einer Generation, von der unsere Einstellungen geprägt sind. Aber natürlich gab es auch in der jüdischen Generation, einzelne, die doch geglaubt haben. Was würde Jesus wohl über unser Volk, unsere Stadt sagen? Was würde er zu dir persönlich sagen?
> Jesus nennt zwei Zeichen, die uns gegeben sind. Hier können wir in einer Predigt darauf eingehen: Was ist das Zeichen der Auferstehung das Zeichen der Weisheit Jesu? Überzeugen uns diese Zeichen? Man kann sich auch gerne auf die Suche nach Belegen machen: Ist die Auferstehung historisch und wissenschaftlich gesehen nicht sehr wahrscheinlich und nach wie vor ein gutes Zeichen und ein Beleg für Jesu Göttlichkeit? Sind die weisen Aussagen und Sätze, die sich über Jahrtausende gehalten und verbreitet haben, ein Beleg für Jesu Göttlichkeit? Man kann sich hier auch weiter austauschen oder weitere Gründe zusammensuchen, weshalb Jesus Gott ist.
Vers 43-45:
> In diesen Versen steht sicher die Frage im Fokus: Wovon bist du gefüllt? Es gibt keine Neutralität. Wenn du nicht vom Geist Gottes erfüllt bist, wird der Böse dich immer wieder zu sich ziehen. Das kann als Warnung gepredigt werden, aber gleichzeitig als Angebot: Mache dich auf die Suche, wovon du dich füllen lässt.
> Man kann hier auch ganz provokant sein: Wer sein Leben nur schön herrichtet und ordentlich pflegt, bei dem nisten sich die bösen Geister umso lieber ein. Was heißt das konkret? Der Teufel gebraucht Menschen zum Bösen, auch wenn das möglicherweise im ersten Augenblick nicht böse scheint. Am Ende gehört jeder jemandem. Das kann man gut an Werten und an der Lebenseinstellung deutlich machen. Wovon lasse ich mich prägen und füllen? Ist es die Liebe Gottes, die ich anderen weitergeben will und kann? Sind es Werte und Maßstäbe Gottes? Oder wovon werde ich bestimmt und geprägt?
> Hier kann man auch übertragen anwenden: Wovon lass ich mich füllen? Wenn es um die Errettung geht, gibt es natürlich nur ein ganz oder gar nicht, entweder man hat den Heiligen Geist oder nicht. Aber darüber hinaus kann es Abstufungen geben: Ob als Christ oder als Nichtchrist: Womit verbringe ich meine Zeit? Was füllt mich? Ich denke jeder kennt es: Wenn man eine Zeit lang „nichts“ tut, steht man umso mehr in der Gefahr, dass der Teufel einen dazu verführt, etwas Böses zu tun. Womit verbringe ich also meine Zeit, was prägt mich? Hier kann man in der Predigt konkret überlegen, wie man verschiedene Bereiche mit Gott leben kann – oder eben ohne Gott. Beispielsweise wenn ich Filme schaue: Tue ich das mit Gott? Oder ohne Gott und komme in die Gefahr, falsche Filme zu schauen? Eine Idee für eine konkrete Anwendung wäre: Vor jedem Film, den man anschaut, ein kurzes Gebet sprechen: „Jesus, ich will jetzt mit dir zusammen diesen Film anschauen und genießen.“ Dadurch hinterfragt man sich automatisch, ob der Film einen in Jesu Sinn prägt oder ob er einem nicht guttut; ob Jesus mitschauen würde oder nicht.
Vers 46-50:
> Nach den vorherigen Versen sind diese hier als Antwort zu verstehen: Wie kann ich mich gut füllen lassen? Wie kann ich zur Familie Gottes kommen? Jeder Mensch hat eine Sehnsucht nach einer wirklichen Familie. Manche haben ihre Familie positiv erlebt, andere negativ. Jeder weiß, wie schmerzhaft es ist, Familienmitglieder zu verlieren. Aber es gibt eine Familie, die im Gegensatz zur weltlichen Familie ewig gilt: Die Familie Gottes. Wer möchte da nicht gern dazugehören?
> In diesen Versen kann man für den Christen diskutieren: Wie verhalten sich geistliche und leibliche Familie? Schmerzt es dich genauso, wenn ein geistlicher Bruder verletzt ist oder vom Weg abkommt, wie bei einem leiblichen Bruder? Stehen wir in der Gefahr, auf der einen oder anderen Seite vom Pferd zu fallen, und die weltliche oder die geistliche Familie dadurch zu vernachlässigen?
> Das geniale Angebot und die Zusage sollte hier auf jeden Fall sein: Wir können Kinder Gottes, Geschwister Jesu werden. Wer den Willen Gottes tut und an Jesus glaubt, der ist errettet!
- Sagen, wo es hingeht
3.1 Predigtziel – warum halte ich diese Predigt?
Ähnlich wie die Predigt am letzten Sonntag ist dieser Abschnitt von Jesus sehr evangelistisch. Der Zuhörer soll erkennen, dass die einzige vernünftige Schlussfolgerung besonders nach der Auferstehung ist: Jesus ist der Sohn Gottes und der Retter. Durch Jesus dürfen wir zur geistlichen Familie gehören!
Das kann einerseits Christen helfen, ihren Glauben weiterzugeben und zu verteidigen und andererseits Nichtchristen konkret zum Glauben einladen
3.2 Predigtentfaltung – wie sage ich es in dieser Predigt?
Thema: Die Auferstehung Jesu ein Beweis seiner Göttlichkeit: Tut Gottes Willen und glaubt an Jesus!
- Das größte Zeichen ist Jesus und seine Auferstehung: seid ihr bereit, genau hinzuschauen? (38-42)
- Neutralität ist nicht möglich: Entscheidet euch und glaubt, sonst wird der Böse euch ausfüllen. (43-45)
- Du kannst zu Gottes Familie gehören, tu seinen Willen! (46-50)
Thema: Das Zeichen ist Jesus und in ihm können wir zu Gottes Familie gehören
- Welche Zeichen bekommen wir? (38-42)
- Befreiung allein reicht nicht, lasst euch füllen! (43-45)
- Ihr werdet zu Gotte Familie gehören (46-50)
Man könnte die Predigt gut gliedern und entfalten ausgehend vom Bild des Detektives (siehe unten):
Thema: Wer ist Jesus? / Von der Suche zur Lösung
- Wir gehen auf Indiziensuche (38)
- Es gibt einige wichtige Indizien, die zeigen, wer Jesus ist: Schau genau hin (39-42)
- Wer den Fall nicht löst, kommt in Gefahr (43-45)
- Die Belohnung: Wer den Fall löst, gehört zu Gottes Familie (46-50)
Nach Maier (C-Edition):
38-45:
Thema:
Gottes Zeichen; Gnade sollte man besser nicht ausschlagen
- Eine vergebliche Bitte
- Gottes Zeichen wird gesetzt
- Jesus warnt, die Gnade auszuschlagen
46-50:
Thema: Jesu nahestehend und doch fern
- Jesu nahestehend
- Und doch fern
3.3 Predigtveranschaulichungen – wie verdeutliche ich es in dieser Predigt?
Aus dem Text kann man das Bild des Ehebrechers (Veres 39) ausführen. Wie verletzt muss Gott nicht sein, wenn wir die Ehe immer wieder brechen? Er will uns aber trotzdem zurück in seine Familie holen.
Wright vergleicht in seinem Kommentar diese Verse mit Detektiven in einem Krimi – wir sind doch alle gerne Amateurdetektive. Die Pharisäer verhalten sich „wie Krimileser, die die Indizien nicht erkennen können, weil sie zu sehr mit ihren eigenen Vorhaben beschäftigt sind“ (177).
Der Film „der Fall Jesus“ passt gut zu diesem Abschnitt und kann nacherzählt oder empfohlen werden. Der Film ist an einer wahren Geschichte orientiert: Ein Journalist ist davon überzeugt: Gott gibt es nicht, die Auferstehung, das ist Humbug. Nachdem seine Frau zu seinem Ärger gläubig wird, macht er sich an die Suche, um einen Artikel zu schreiben, indem er widerlegt, dass Jesus auferstanden ist. Er geht von Wissenschaftler zu Wissenschaftler, trägt alles zusammen. Und wie sehr er sucht, er muss sich doch eingestehen: Alles weist darauf hin, dass Jesus wirklich auferstanden ist. Und was bedeutet da? Erst will er sich das nicht eingestehen, weil er sich eigentlich sicher gewesen war, welches Ergebnis herauskommt. Am Ende erkennt er Jesus doch.
An dem Film kann man gut anknüpfen: Sind wir bereit uns ernsthaft auf die Suche zu machen und zu überprüfen?
(Samuel Koser)