Hebräer

Predigthilfe vom 10. Februar 2013 – Hebräer 11, 8-22

Jahresthema: Leben im Horizont der Ewigkeit

Predigtthema: Glaube, der in die Füße geht

Predigttext: Hebräer 11,8-22

Verfasser: Thomas Richter

Zu eurer Unterstützung enthält diese Predigthilfe Hinweise für eure Verkündigung, ersetzt aber nicht das eigenständige Erarbeiten des Bibeltextes und das Weitergeben der vom Herrn aus dem Predigttext von euch persönlich gehörten Botschaft Gottes: „So sind wir nun Gesandte an Christi Statt“ (2Kor 5,20a). Deshalb suchen wir in der Vorbereitung der Predigt nach dem, was der Herr durch das Wort des Predigttextes sagen will. Es geht dabei um seine Botschaft und wir sind seine Botschafter. Dabei hören wir zwar auch auf andere Botschafter, z.B. durch die Hinweise der Predigthilfe, verkündigen aber die Botschaft, die uns persönlich auf der Basis des Predigttextes aufgetragen wird: „Aus der Fülle des Herzens redet der Mund“ (Mt 12,34b). Nur wo der Herr uns das Herz gefüllt hat, da haben wir etwas zu sagen, da nur dann gilt: „Wer euch hört, hört mich“ (Lk 10,16a)!

1. TEXT- UND PREDIGTHILFSMITTEL

Verschiedene Bibelübersetzungen um mit dem Predigttext (Hebr 11,8-22) vertraut zu werden findet man z.B. unter www.bibleserver.com (Luther 1984 / Revidierte Elberfelder Bibel / Hoffnung für alle / Schlachter 2000 / Neue Genfer Übersetzung / Gute Nachricht Bibel / Einheitsübersetzung / Neues Leben Bibel / Neue Evangelistische Übersetzung).

Hilfen zur Auslegung und Anwendung des Predigttextes (Hebr 11,8-22) bieten z.B.

* Arnold G. Fruchtenbaum. Der Hebräerbrief: Eine Auslegung aus messianisch-jüdischer Perspektive. Christlicher Mediendienst (S. 206-216).

* Fritz Laubach. Der Brief an die Hebräer. Wuppertaler Studienbibel NT. R. Brockhaus (S. 231-238).

* Sören Ruager. Hebräerbrief. NT Edition C-Bibelkommentar 22. Hänssler (S. 217-231).

* Jim M. Flanigan. Hebräerbrief. Was die Bibel lehrt 13. Christliche Verlagsgesellschaft (S. 329-342).

* Eduard Riggenbach. Der Brief an die Hebräer. Kommentar zum NT Bd. 14. (unter http://bitflow.dyndns.org/german/TheodorZahn/Kommentar_Zum_Neuen_Testament_Band_14_Buecher_58_1913.pdf; S. 353-367).

* Ernst Modersohn. Durch den Glauben: Gedanken zu Hebräer 11. Verlag der Liebenzeller Mission (S. 52-82).

Zur Beschäftigung mit dem Predigttext hilft das Anhören (im Sinne von Apg 17,11b) der Predigt von Konrad Eißler vom 24.05.1994 mit dem Titel „Nichtzweifeln lernen“ (Hebr 11,8-10). Diese Predigt findet ihr unter www.sermon-online.de, wenn ihr unter „erweiterte Suche“ die Felder „Bibelstelle“ [Hebräer 11] und „Autor“ [Eißler, Konrad] ausfüllt.

Beachtenswerte Anmerkungen und Parallelstellen zum Predigttext bietet auch die MacArthur Studienbibel (http://bitflow.dyndns.org/german/JohnMacArthurStudienbibel/58-Der_Brief_An_Die_Hebraeer.pdf; S. 1839f).

Für die Textlesung bietet die „Neue Genfer Übersetzung“ eine gut verständliche, lesbare und zuverlässige Übersetzung unseres Predigttextes (http://www.ngue.info/online/lesen).

2. TEXT- UND PREDIGTZUSAMMENHANG

Nachdem wir letzen Sonntag unseren Monatsschwerpunkt „Glaube“ anhand von Beispielen aus der Zeit vor den Patriarchen eingeführt haben, geht es im Rahmen der Verkündigung nun beispielhaft um die Veranschaulichung des Glaubens durch die Glaubensväter selbst. Nach der Grundlegung („Glaube, der mit dem Herzen denkt“ – Hebr 11,1-7), geht es nun um die praktische Umsetzung: „Glaube, der in die Füße geht“ (Hebr 11,8-22 – vgl. hierzu die Predigttexte, – themen und –hilfen von Aug. bis Nov. 2012). Im Hinblick auf die Anwendung und Übertragung alttestamentlicher Ereignisse beachtet bitte u.a. die Hinweise in Röm 15,4, 1Kor 10,1-13 und 2Tim 3,16f.

Zum Nachdenken:

„Das ist die Herrlichkeit des Glaubens: nicht wissen, wohin du gehst, was du tust, was du leidest, und indem alles an Sinn und Verstand, Tüchtigkeit und Willen gefangen genommen ist, der Stimme Gottes folgen und mehr geführt und gehandelt werden denn selbst handeln“. (Martin Luther)

„Wer wagt, erlebt. Wer nichts wagt, hat schon auf jedes Erleben verzichtet. Glauben bedeutet nicht zuerst, etwas wagen, sondern ihm glauben, ihm vertrauen, also etwas wagen, wenn er ruft“. (Prof. Michael Herbst)

„Warten ist die härteste Arbeit der Hoffnung“. (Lewis Smedes)

Bitte beachtet den Predigttipp von Heiko Krimmer zum Thema „Glaube der vertraut“ zu Hebr 11,8-19 vom 09.01.2005 unter www.studienbibel.de.

Zu unserem Predigttext merkt Alfred Christlieb an: „Im Glaubensleben finden sich seltsame Gegensätze vereinigt. Die Gläubigen sind unbekannt und doch bekannt; sie sind die Traurigen, aber allezeit fröhlich. Sie sind die Armen und machen doch viele reich; sie haben nichts und haben doch alles (2Kor 6,9f). Auch im Leben Abrahams finden wir solche Gegensätze. Auf drei davon wollen wir achten:

* Abraham war leicht daheim und schwer daheim: Der Erzvater Abraham war leicht daheim. Wenn Gott ihm befahl auszuwandern, so gehorchte er und hatte schnell eine neue Heimat gefunden. Er brauchte dazu nicht ein eigenes Dach, nicht allerlei Freundschaft und Bekanntschaft, nicht tausenderlei Annehmlichkeiten. Abraham brauchte nur eins, um daheim sein zu können: die Gewissheit, dass Gott ihn an diesen Platz gestellt hatte. Dann hatte er seine Hütte schnell fertig (er „wohnte in Hütten“ V. 9). Wenn diese Gewissheit in seinem Herzen war, dann konnten ihm alle Entbehrungen der Fremdlingschaft nichts mehr anhaben. Mit seinem Gott konnte er auch am einsamsten Ort daheim sein. Andererseits war Abraham schwer daheim. Er bekannte, dass er ein Gast und Fremdling auf Erden war (V. 13). Trotz aller Güter, die Gott ihm gab, fühlte er sich niemals heimisch auf dieser Erde. Sein Sehnen ging hinüber nach der oberen Gottesstadt. Er gehörte zu der Schar, von der Jung-Stilling sagt: ‚Selig sind, die da Heimweh haben; denn sie sollen nach Hause kommen‘. So ist es mit allen, die des Glaubens und darum Abrahams Kinder sind (Gal 3,7). Sie sind überall daheim, wo sie der göttlichen Führung und des göttlichen Auftrags gewiss sind. Und sie sind schwer, ja niemals auf Erden daheim, bis sie in das himmlische Jerusalem einziehen.

* Abraham wusste sehr wenig und doch sehr viel: Wenig wusste er; ‚denn er zog aus und wusste nicht, wo er hinkäme‘ (V. 8). Wenn ihn jemand gefragt hätte: Hast du ein Programm für deine Reise und dein künftiges Wohnen? Sind deine Einnahmen am neuen Wohnort gesichert? Hast du es dort besser als hier? – dann wäre Abraham auf alle diese Fragen die Antwort schuldig geblieben. Er konnte nur sagen: Ich weiß, dass Gott mich diesen Weg führt. Alles andere weiß ich nicht. Seinen Zeitgenossen wird das sonderbar und unverständlich erschienen sein. Sie werden gedacht haben: Wie kann man nur ohne alle äußeren Garantien für eine gesicherte Zukunft solch einen Weg antreten? Aber für den Glauben Abrahams war es eine selige Sache, sich der göttlichen Führung in blindem Gehorsam anzuvertrauen. Solcher Glaube ist zuversichtlich, wenn er auch tausend Dinge nicht weiß, ohne die ein Weltmensch meint nicht auskommen zu können. Der unwissende Abraham wusste aber doch sehr viel! Er wusste viel mehr als die Gelehrten aller Zeiten. Er hatte Kenntnis von einer Stadt, ‚die einen Grund hat, deren Baumeister und Schöpfer Gott ist‘ (V. 10). Er kannte ein Vaterland, das besser ist als jede irdische Heimat, er begehrte das himmlische Zuhause (V. 14-16). Er wusste um die Glaubwürdigkeit der göttlichen Verheißungen, die zu solcher Stadt heimbringen. Er wusste um die Macht seines Gottes, die auch Tote erwecken kann (V. 19). Auch heute weiß der Glaube auf der einen Seite wenig, auf der andern aber wunderbar viel. Die den gleichen Glaubens wie Abraham haben, lassen sich gern von der Welt als Dumme schelten, die nichts wissen. Sie können es ertragen, wenn man mitleidig auf sie herunter sieht als auf die ‚Zurückgebliebenen‘. Sie wissen getrost, dass die Zeit kommt, wo es offenbar wird, wer mehr gewusst hat und die wahre, höhere Bildung hatte. Wer im Glauben die Verheißungen Gottes besitzt, der kann ohne Hochmut ausrufen: ‚Ich bin gelehrter als alle meine Lehrer; denn deine Zeugnisse sind meine Rede. Ich bin klüger als die Alten; denn ich halte deine Befehle‘ (Ps 119,99f).

* Abraham ließ los und hielt fest: Das ist der dritte Gegensatz. Darin zeigte sich die Stärke von Abrahams Glauben: Er konnte loslassen, und er konnte festhalten. Was die Welt festhält, ließ er los. Was die Welt loslässt, hielt er fest. Dass Abrahams Glaube loslassen und fahrenlassen konnte, das bewies er Lot gegenüber, als er das schönste Weideland bereitwillig um des Friedens willen abtrat. Das bewies er, als er von der Siegesbeute des Königs zu Sodom ‚nicht einen Faden noch einen Schuhriemen‘ (1Mose 14,23) annahm. Das bewies er vor allen Dingen, als es galt, das Liebste herzugeben und seinen Sohn Isaak auf den Altar zu legen. Da, wo die Welt es für ganz unmöglich gehalten hätte, da wurde Abraham willig zu verzichten und loszulassen: ‚Er gab dahin den Eingeborenen‘ (Hebr 11,17). Wie schwer mag es ihm geworden sein, Schritt für Schritt den Weg zum Berg Morija zu gehen, um dort Isaak mit eigener Hand zu opfern! Die Preisgabe aller seiner Herden und seiner eigenen Gesundheit hätte dagegen nichts bedeutet. Der Glaube gab Abraham die Kraft zu diesem Loslassen. Derselbe Glaube aber, der so wunderbar stark war im Loslassen, machte Abraham auch stark im Festhalten. Mitten im Loslassen des Liebsten hielt er mit wunderbarer Zähigkeit fest an den Verheißungen Gottes. Gott hatte ihm versprochen, und das konnte er ihm nicht brechen: ‚In Isaak wird dir dein Same genannt werden‘ (V. 18). Dass Isaak der Segensträger war und bleiben würde, das stand für Abraham als unerschütterliche Gottesverheißung fest. Gottes Versprechung konnte nicht unerfüllt bleiben. Ihr gegenüber erhob sich Abrahams Glaube zu der gewissen Hoffnung, dass Gott aus den Toten lebendig machen kann. Hier haben wir Art und Kennzeichen des rechten Glaubens. Er macht es umgekehrt wie die Welt. Diese hält fest, wo es sich um äußere Vorteile und um Lieblingsbesitz handelt. Gottes Verheißungen lässt sie dabei fahren und kümmert sich nicht um sie. Wahre Glaubensmenschen aber halten Gottes Wort um jeden Preis fest, ihre eigenen liebsten Wünsche hingegen lassen sie fahren und legen auch, wenn es not ist, ihren Isaak auf den Altar“ (entnommen aus Alfred Christlieb. Licht von oben. Bd. 1: Seelsorgerliche Betrachtungen zum Alten Testament. Francke. S. 147-149).

Prof. Rudolf Bohren entdeckt unter dem Thema „Drum glaube“ in Hebr 11,8-16 folgende Botschaft: „Ein Reisender erzählt von einem Mann, den man in. einer Gasse von Neapel antraf. Man kam mit ihm ins Gespräch, und da stellte sich heraus, dass er nun über sechzig Jahre in seiner Gasse gelebt hatte und nie das Meer sah. Darauf habe man ihn genötigt, auf eine Anhöhe zu steigen, und dann hätten seine Augen ganz verwundert über den Golf von Neapel hingeschaut. Tiefblau lag das Meer zu seinen Füßen, und am Horizont vermischte es sich mit dem Himmel. Nein, das habe er nicht gewusst, dass das Meer eine solche Weite habe und so schön sei. Nun kann es hier bei uns manch einem mit dem Glauben so gehen. Man lebt ganz in der Nähe des Meeres. Man besucht den Gottesdienst, betet, hat eine Bibel. Selbstverständlich weiß man, dass es einen Gott gibt. So wie jener Mann wusste, dass es ein. Meer gibt. Man kann ganz nahe beim Glauben leben; und doch nicht glauben. Der Glaube ist ein Meer, in dem sich der Himmel spiegelt, ein Meer, das an den Himmel grenzt. So ist der Glaube. Ja, weißt du, wie weit und wie schön der Glaube ist? Haben deine Augen dieses Meer schon einmal gesehen? Hast du das Heil geschaut? Kannst du glauben? Gott will, dass du glaubst. Darum hat er seinen Sohn auf die Welt gesandt. Jesus Christus kam, um den Menschen aus der hintern Gasse auf eine Anhöhe zu führen, um ihm das Meer zu zeigen. So hat die ganze Predigt Jesu an die Menschen aus diesem Satz bestanden: «Tut Buße und glaubet an das Evangelium». Er hat das nicht nur gepredigt, er ist auch dafür gestorben und auferstanden, damit wir Menschen glauben. «Denn so sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verlorengehe, sondern ewiges Leben habe». Jesus ist gekommen, damit wir glauben. Er ist auch heute hier, hier bei uns, damit wir glauben. Und drum sind wir heute gleichsam auf einer Anhöhe miteinander und dürfen nun hinausblicken und dürfen hoffentlich erkennen, wie weit und schön der Glaube ist. Der Glaube hat eine Voraussetzung: Gott ruft. Da lebt ein Greis im Orient, fünfundsiebzigjährig, kinderlos verheiratet, der hört eine Stimme. Er wird berufen. Gott. sprach zu Abraham: «Ziehe hinweg aus deinem Vaterlande und aus deiner Verwandtschaft und aus deines Vaters Haus in das Land, das ich dir zeigen werde!» Das war der Ruf. So also fängt der große und der schöne Glaube an, dass Gott einen ganz persönlich anruft. Ein Glaube ohne Gottes Ruf, ein Glaube, der nicht diesen Anfang hätte, wäre toter Glaube. Und nun, wie ist es bei dir? Hast du schon gehört, dass Gott dich rief? Hat er mit dir geredet? Hat er dich herausgerufen aus der dunkeln Höhle, in der du bisher lebtest? Bist du schon hinaufgestiegen zur Höhe? Wie steht es mit der Voraussetzung des Glaubens bei dir? Nimm es mir nicht übel; aber ich weiß vielleicht besser als du selber,. wie es bei dir steht. Nämlich sehr gut. Ausgezeichnet! Es könnte wohl nicht besser stehn. Du bist ja getauft. Du wurdest berufen. «Du bist mein, du hast nun Teil an meinem Leben, und du darfst das Reich erben». So hat dich Gott schon als Kind berufen. Auch wenn du nichts davon verstanden hast, der Ruf war da. Und seitdem dir der Verstand kam, hatte Gott Tag für Tag ein Wort für dich. Hast du es auch gehört? Und heute sitzest du hier. Nicht wegen mir, ich habe euch allen ja nichts zu sagen. Aber er, der Gottessohn und sein Heiliger Geist, die wollen zu dir reden. Und drum hör gut zu. Hier wird nun gezeigt, wie man glaubt. An drei Punkten soll das klar werden.

Das erste ist der Gehorsam. Abraham hat nicht lange darüber nachgedacht, als Gott geredet hatte. Der Fünfundsiebzigjährige ist nicht auf die Polster gesessen, um dort ein wenig zu sinnen und mit dem Kopf zu wackeln. Nein, er. ist aufgestanden. Er hat sein Wärlein gepackt, das schöne Elternhaus verlassen und ist den Weg ins Unbekannte, gegangen, und das war ein Weg durch die arabische Wüste. Abraham ist gehorsam, er hält sich einfach an die paar Sätze, die Gott zu ihm sprach, und geht. Er hätte wohl diese Sätze hin und her überlegen können. Er hätte wohl gute Gründe gehabt, den Ruf Gottes abzulehnen. Einen alten Baum soll man nicht verpflanzen. Aber Abraham geht. Und der Gehorsam macht ihn zum Wüstenwanderer, zum Fremdling. Er hat kein Haus, keine Heimat mehr. So arm wird er. Wer glaubt, wird arm, muss ausziehen, ohne zu wissen, wohin er kommt und wie es geht. Wer glaubt, fragt nicht nach Nutzen und Erfolg, er geht, wohin er beordert wird; und der Weg geht wohl auch heute durch eine Wüste. Aber es ist der Weg ins verheißene Land. «Wir müssen durch viel Trübsale zur Herrlichkeit». Und nun, willst du dich aufmachen und diesen Weg durch die Wüste gehen? Oder willst du lieber im Polsterstuhl sitzen bleiben und mit dem Kopf wackeln ? Da kommen wir zum großen Hindernis. Der Mensch wagt den Schritt ins Ungewisse nicht. Wenn er die Bibel liest oder die Botschaft hört, kann es geschehen, dass er merkt: Das und das müsste ich jetzt tun. Aber ich weiß nicht, wie es herauskommt. Er will seine alte Umgebung, den alten Tramp nicht verlassen; er will nicht weltfremd werden. Dann spricht man vom Zweifel und kommt mit Vernunftsgründen. Aber das ist Ausrede. Man will nicht gehorsam sein, man will nicht in die Wüste. Wer glaubt, wird tatsächlich in seiner engern oder weitern Familie ein Fremder. Er ist in seinem Haus nur noch ein Gast, in seinem Zimmer nur noch Schlafgänger, an seinem Tisch nur noch Kostgänger. Er ist seinem Besitz gegenüber ein Zuschauer und dem Vaterland gegenüber ein Ausländer, denn er weiß um ein besseres Haus, um eine bessere Familie, um einen schöneren Tisch, und er hat eine neue Heimat. So sei der große Prediger Chrysostomus einmal vor seinem Richter gestanden. Der Richter habe gedroht: «Ich verbanne dich aus deiner Vaterstadt». Chrysostomus habe geantwortet: «Verbanne mich nur. Das macht nichts, mein Vater ist überall. Und darum ist mir jede Stadt Vaterstadt und jedes Land Vaterland». Der Richter drohte weiter: «Ich nehme dir deine Güter weg, dein Haus und dein Geld». Chrysostomus antwortete: «Nimm sie nur. Meine Güter kannst du ja nicht nehmen. Meine Güter habe ich nicht in dieser Stadt, sondern in der Stadt, die droben ist, im Himmelreich». – Dieser Chrysostomus hat geglaubt, und drum ist er arm und ein Fremdling geworden hier auf der Welt. Er war oben zu Hause; Er war oben reich. 0 siehst du jetzt die Weite, die sich da öffnet? Nun kann einer da den Kopf schütteln – vom Vaterland und von materiellen Grundlagen und deren Notwendigkeiten reden. Aber der lebt dann in seiner finstere. Gasse und sieht nie hinaus auf das blaue Meer. Und drum dürfen wir ein Zweites vom Geheimnis des Glaubens sehen: Wer glaubt, traut Gott das Unmögliche zu.

Da lebt neben Abraham eine alte Frau. Sie ist wohl auch über die siebzig, und die erhält nun von Gott die Zusage, sie werde noch ein Kind bekommen. Es heißt im Alten Testament, sie habe gelacht, als sie das gehört habe. Denn das ist ja medizinisch unmöglich, dass eine so alte Frau noch ein Kind bekommt. – Aber Sarah hat nicht nur gelacht. Es ist ihr klar geworden, dass bei Gott kein Ding unmöglich ist. Sie hat geglaubt, dass er wahr macht, was er verspricht. Und nun hat Gott in diesem Buche noch viele Versprechungen. Unglaubliche Sachen werden da uns Menschen zugesagt. Es stehen auch für dich große Sachen drin. Du musst nur drin forschen, diese Worte finden und sie festhalten. Das ist Glaube. Der Glaube hält sich nun einfach ans Wort Gottes, er rechnet damit, dass Gott auch das Unmögliche tun kann. Und wenn du glaubst, wenn du dich in deinem Leben an das hältst, was Gott verspricht, dann wirst du auch in deinem Leben Wunder über Wunder erleben. Aber aufgepasst! Wunder an Leib und Seele ereignen sich nicht so, dass du an deinen Wünschen festhältst und bei Gott den Kopf durchsetzen willst. Wunder entstehen so, dass du dich an Gottes Wort und an seine Verheißung festklammerst und diese bei ihm durchsetzest.

Und nun kommen wir zum dritten Punkt. Wer glauben will, muss warten können. So hat Sarah gewartet. Und von Abraham heißt es: «Er wartete auf die Stadt, die die festen Fundamente hat, deren Erbauer und Schöpfer Gott ist». Abraham war nicht nur Fremdling und Nomade. Er war ein Wartender. – Und das müssen wir auch sagen. Abraham hatte bei Lebzeiten nicht Erfolg mit seiner Methode. Er hat vergeblich gewartet. Die Stadt von Gott her ist nicht herabgekommen. Er ist von Camp zu Camp gezogen und hat die Stadt nicht gesehen. «Im Glauben starben diese alle, ohne die Verheißungen erlangt zu haben, sondern sie schauten sie nur von ferne und begrüßten sie und bekannten, dass sie Gäste und Fremdlinge auf Erden seien». Der Glaube sieht nur von ferne. Oder er sieht überhaupt noch nicht! Er wartet, er hofft, er ist arm. Er hat nichts als ein Wort. Er hat keine Heimat mehr. Er wird gehetzt. Er ist in Gefahr. Aber er wartet, wartet, dass Gott nicht lügt und sein Versprechen wahr macht. An diesem Horizont berührt und vermischt sich der Himmel mit der Erde. So wartet der Glaube auf das Erscheinen. Gottes. Das Merkmal unserer ungläubigen Zeit aber ist, dass sie nicht warten kann. Alles muss schnell gehen, das Planen und Produzieren, das Vergnügen und das Essen. Sogar das Sterben sollte rasch und schmerzlos abgewickelt werden. – Aber wenn du zu glauben anfängst, dann hebt das Warten an. Das Warten darauf, dass Gott sein Wort wahrmache. […]. Und du mein Bruder, du wartest doch auch? Und wir dürfen noch auf mehr warten. Wir dürfen doch alle darauf warten, dass diese von Krieg und Elend verstümmelte Erdkugel zerschellt und dass Moskau, New York, Berlin, Zürich, Aarau, Brugg und Lenzburg untergehen und vom Himmel her eine neue Stadt kommt, die Stadt, in der Gottes Herrlichkeit wohnt. Sie ist ans Edelsteinen gebaut, und ihre Tore sind aus Perlen. Sie hat goldene Gassen, diese Stadt, und Krankheit, Trauer und Tod wohnen nicht in ihr. Und wenn diese Stadt kommt, dann sind die Fremdlinge daheim und alles Unmögliche wird möglich, dann kommt ewiger Friede, ewiges Leben. Darauf dürfen wir warten. Glauben heißt, auf das Reich Gottes warten. In der Familie, im Beruf, in der Krankheit und in den Ferien, bei Tag und Nacht warten, dass Gott sich offenbart, dass Gott eingreift, dass Gott herrlich wird. So heißt es im hundertdreiundzwanzigsten Psalm: «Zu dir, der du im Himmel thronst, erhebe ich meine Augen, siehe, wie Knechte ihre Augen erheben zu der Hand des Herrn. Ja wie die Augen der Magd auf die Hand der Gebieterin, so blicken unsere Augen auf den Herrn, unsern Gott, bis er uns gnädig ist». Es wird nicht vergeblich sein, wenn wir so warten. Das zeigt. Abraham. Die Stadt, auf die er wartet, ist bis jetzt noch nicht erschienen. Und doch sieht Abraham heute schon die goldenen Gassen, er schmeckt jetzt die Wonne des Himmelreiches. Jesus hat ausdrücklich festgestellt, dass Abraham den Tag Jesu gesehen und sich darüber gefreut hat. Der arme Lazarus wird von den Engeln in Abrahams Schoß getragen. Viele aber werden kommen von Morgen und Abend und sich mit Abraham, Isaak und Jakob im Reich der Himmel zu Tische setzen. Auch du sollst dann kommen, auch du bist zu diesem Festmahl geladen. Gott ruft heute Menschen, die er mit Abraham an seinem Tisch haben will. Er ruft dich. Das tut Gott. – Und du, was tust du? Du weißt jetzt also, es kommt zunächst auf drei Dinge an.

Erstens, dass du dem Ruf Folge leistest. Der Glaube geht durch Wüste, Armut, Einsamkeit, Fremde, Leid. Aber was tut’s, er geht in die Pracht des Himmels hinein. Zweitens, für den Glaubenden gibt es nichts Unmögliches. Er klammert sich ans Wort, Gottes Wort macht auch Unmögliches möglich! Drittens, der Glaube wartet, bis das große Wunder, bis das. Reich Gottes kommt. Das sind drei Blicke in den Glauben hinein. Aber nun hat der Mann von Neapel nicht das ganze Meer gesehen. Nur eine Bucht. Und doch war das unendlich schön. Und wir haben nicht vom ganzen Glauben geredet, nur von einem kleinen Ausschnitt. Aber je länger wir das uns ansehen und still darauf hinblicken, je mehr werden wir staunen, wie weit und wie schön das ist. […]“ (in Auszügen entnommen aus Rudolf Bohren. Der Ruf in die Herrlichkeit: Predigten. Waltrop: Spenner, 2002. S. 97-107).

3. PREDIGTGLIEDERUNG

Glaube, der in die Füße geht

a) gründet in der Berufung

b) bleibt in Bewegung

c) erfährt seine Bewährung

d) lebt sein Bekenntnis

 

oder nach Wilhelm Wagner:

Wir entdecken

a) ein neues Lebensziel

b) einen neuen Lebensstil

c) einen neuen Führungsstil

oder

a) Glaube – der ganz schön mutig macht

b) Glaube – der ganz gelassen macht

c) Glaube – der ganz frei macht

 

oder nach Gottfried Voigt:

Glaube wagt es auf Gottes Zusage

a) Er geht ins Unbekannte

b) Er wohnt im Vorläufigen

c) Er wartet aufs Endgültige

 

oder nach Ulrich Parzany:

a) Der unerwünschte Aufbruch

b) Der unbequeme Aufenthalt

c) Die unbescheidene Erwartung