1.Mose

Predigthilfe vom 13. August 2017 – 1.Mose 25,29-34

Predigtthema: Lebensalltag zwischen Gier und Betrug

Predigttext: 1.Mose 25,29-34

1        Erläuterungen zum Text

In der Vätergeschichte des Alten Testaments (1Mo 12,1-50,26) werden Gottes große Verheißungen und sein Erwählungshandeln verkündigt. Die vielen Einzelerzählungen der Vätergeschichte sind in diesem Horizont zu hören. Das gilt auch für die düstere Geschichte von Jakob und Esau. Gier und Betrug bestimmen das Verhältnis der beiden Brüder zueinander und belasten es schließlich. Gerade diese Alltagsgeschichte deckt sehr deutlich die Spannungen auf, die in der Begegnung des menschlichen Wesens mit dem souveränen Willen Gottes entstehen.

Jakob und Esau waren ungleiche Brüder, obwohl sie Zwillinge waren (24,24-28). Der zuerst geborene Sohn, hatte eine rötliche bzw. rotbraune Haut mit starker Behaarung. Das brachte ihm den Namen „Esau“ ein – der „Struppige“, der „Behaarte“. Später wurde der Name gleichgesetzt mit Edom, weil Esau als Ahnherr der Edomiter gilt – einer Volksgruppe, die zwischen dem Toten Meer und dem Golf von Aquaba siedelte.

Esau führte als Jäger ein rauhes, aber unabhängiges, auf sich selbst gestelltes Leben. Er durchstreifte die Wildnis und übernachtete in der Regel draußen im Freien. Blieb der Jagderfolg aus, musste er hungern. Nicht ohne Grund wurde Esau zum Lieblingssohn seines Vaters Isaak, denn der Vater zeigte eine Vorliebe für die Jagderträge Esaus, also für leckeres Fleisch vom Wild.

Der zweitgeborene Sohn erhielt den Namen „Jakob“. Dieser Name umschreibt einen Wunsch: „Gott möge beschützen.“ Weitere Deutungen dieses Namens sind „Fersenhalter“, weil Jakob während der Geburt die Ferse seines Bruders Esau hielt und „Überlister“, weil Jakob seinen Bruder Esau überlistet hat.

Jakob lebte wie sein Vater Isaak als Halbnomade. Er führte ein geordnetes, anständiges, kultiviertes Leben. Er wusste sich der Gemeinschaft seiner Familie/Sippe  verpflichtet mit allen ihren Regeln und moralischen Ordnungen. Das hinderte ihn allerdings nicht daran, gegenüber seinem Bruder als „Schlitzohr“ aufzutreten. Wegen seiner Gemeinschaftsorientierung wurde Jakob zum Liebling seiner Mutter. Diese unterschiedliche Parteinahme der Eltern für ihre beiden Söhne hat sicher das Neben- und Gegeneinander dieser beiden Brüder noch vertieft.

Nun wird erzählt: Esau kam nach erfolgloser Jagd erschöpft und heißhungrig zurück. Sein Bruder Jakob kochte gerade. Voller Heißhunger forderte Esau, dass ihm Essen vorgesetzt wird. Jakob nutzte den Hunger seines Bruders aus und verlangte eine Gegenleistung: das Erstgeburtsrecht.

In der Regel erbt der erstgeborene Sohn einen größeren Anteil des väterlichen Besitzes als die anderen Kinder, mitunter zwei Drittel des gesamten Besitzes (vgl. 5Mo 21,16f). Über den materiellen Besitz hinaus kommt dem Haupterben auch eine besondere soziale und religiöse Stellung zu (z.B. als Haupt der Familie nach dem Tod des Vaters). Für Jakob dürfte also klar gewesen sein, dass ihm als Zweitgeborener nur ein Drittel des väterlichen Erbes zustand. Mit dieser geringeren Existenzgrundlage würde er vermutlich vom Bruder abhängig werden. Als sich ihm eine günstige Gelegenheit bot, ließ er es drauf ankommen: Skrupellos nutzte er die Schwäche (Hunger) seines Bruders aus, um an das Recht der Erstgeburt heranzukommen.

Esau wiederum ließ sich völlig überstürzt und unüberlegt auf einen Handel mit seinem Bruder ein – Speise gegen Erstgeburtsrecht. Diesen Deal bekräftigte er mit einem Schwur. Damit bekam die mündliche Einwilligung rechtlich bindenden Charakter. Esau begründete diese Entscheidung (25,32): „Ach, ich gehe ja doch dem Tod entgegen, was soll mir das das Erstgeburtsrecht?“ Insofern bagatellisierte er das Erstgeburtsrecht aus dem Augenblick heraus: „Ich sterbe ja vor Hunger!“ Diese Kurzsichtigkeit mit weitereichenden Folgen kann nur kritisch bewertet werden (25,34): „Esau missachtete sein Erstgeburtsrecht.“ Letztlich strebte Esau in seiner Gier eine schnelle Lösung an und verspielte damit seine Chance.

Damit nicht genug. Nicht nur die Schwäche seines Bruders hat Jakob rücksichtslos ausgenutzt. Er hat ihn sogar betrogen. Esau hatte offensichtlich mit einer Blutsuppe gerechnet („rotes Gericht“, 25,30), bekam aber stattdessen eine vegetarische Mahlzeit vorgesetzt (25,34): ein Linsengericht. Der faire, brüderliche Umgang miteinander blieb auf der Strecke. Esau nahm es hin (25,34): Er aß, trank, stand auf, ging seines Weges. Das Verhältnis der Zwillingsbrüder artete in Kampf und Auseinandersetzung aus.

2        Hinweise zu Lehre und Leben

2.1         Konflikte

Wer davon ausgeht, das Verhältnis unter Brüdern sei stets von einem fairen, respektvollen, brüderlichen Miteinander geprägt, wird ernüchtert feststellen müssen: unter Brüdern gibt es auch ein Neben- und Gegeneinander, Rivalität und Kampf bis hin zu Konflikten, die einen weiteren gemeinsamen Weg erschweren oder unmöglich machen. Nicht selten münden solche Entwicklungen in eine Trennung ein. Wo auch immer Menschen zusammenleben – in der Familie, in der Gemeinde, im Beruf, in der Gesellschaft usw. – bleiben Konflikte nicht aus. Jakob und Esau sind ein Musterbeispiel dafür. Konflikte sind also einerseits zu bejahen und andererseits ist an Lösungen zu arbeiten, die zu einer Überwindung von Konflikten beitragen bzw. Konflikte gar nicht erst eskalieren lassen.

In der Bibel werden konfliktträchtige Entwicklungen nicht verschwiegen: Kain ermordet seinen Bruder Abel (1Mo 4). Abraham trennt sich von seinem Neffen Lot (1Mo 13). Paulus sieht sich zu einer Trennung von seinen Mitarbeitern Johannes Markus und Barnabas genötigt (Apg 13,13; 15,36-40). Zugleich wird sichtbar: trotz Konflikten kann das gemeinsam Verbindende nicht völlig geleugnet werden. So kümmert sich Abraham in schwieriger Lage um seinen Neffen Lot (1Mo 14). Jakob und Esau bleiben Brüder und finden zur Versöhnung (1Mo 33). Paulus bringt gegenüber den Christen in Korinth zur Sprache, was ihn mit Barnabas verbindet (1Kor 9,6).

2.2         Schuld

Der Stammvater Jakob begegnet im vorgegebenen Bibeltext nicht als besonders frommer und heiliger Mann, sondern eher durchtrieben, skrupellos und rücksichtslos nur auf den eigenen Vorteil bedacht. Die Art und Weise, wie er seine Zukunft in die eigenen Hände nimmt, dürfte ein Indiz dafür sein, wie beschädigt sein Vertrauen gegenüber Gott ist. Auch für ihn gilt: „Das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf“ (1Mo 6,5; 8,21). Böse sein heißt: Losgelöst von Gott selbstsüchtig und selbstbezogen agieren. Jakob schreckt nicht davor zurück, seinen leiblichen Bruder zu betrügen. Gewissenlos nutzt er dessen Lebensstil und Situation, dessen Schwächen und Einfalt aus, um sich selbst unrechtmäßig das Erstgeburtsrecht zu sichern. Zwar gilt Jakob als der von Gott Erwählte, aber das rechtfertigt nicht sein durchtriebenes Handeln. Er allein trägt die Verantwortung für sein schuldhaftes Versagen.

Auch Esau hat seine eigene Schuld zu verantworten. Für seinen leichtfertigen Umgang mit dem Erstgeburtsrecht ist er selbst verantwortlich. Zwar fühlt er sich von Jakob doppelt betrogen (27,36), aber das darf nicht von eigenen Schuld ablenken. Im Hebräerbrief wird Esau als ein Typos des Gottlosen gekennzeichnet (Hebr 12,16). Warum? Esau hat das verachtet, was Gott ihm geschenkt hat, denn er hat sich der trügerischen Befriedigung seiner augenblicklichen Bedürfnisse ausgeliefert. Das dürfte ein Ausdruck von Gier sein.

2.3         Erwählung

Es bleibt für uns Menschen ein unergründliches Geheimnis Gottes, warum er Abraham und von den beiden Söhnen Isaaks ausgerechnet Jakob auserwählt hat. Dieses Geheimnis betrifft alle Menschen der Bibel, die Gott erwählt hat und in seine Heilsgeschichte mit den Menschen einbezogen hat. Hier ist an die Erwählung von Mose, Samuel, David zu denken, aber auch an die Berufung großer Propheten. Ebenso werden im Neuen Testament Menschen erwähnt, die Gott erwählt hat: Maria, die Jünger von Jesus, Paulus und viele andere. Die Erwählung von Menschen liegt ausschließlich in Gottes souveränem Willen begründet. Sie ist ein Ausdruck seiner unendlichen Liebe. Deshalb kann sie weder den Vorzügen oder Nachteilen, der Tadellosigkeit oder Schuldverstrickung von Menschen zugerechnet werden. Gott erwählt bedingungslos und voraussetzungslos. Sein Erwählen lässt sich nicht verrechnen oder fordern. Es gibt keinen Rechtsanspruch darauf.

Mit der Erwählung von Jakob bleibt sich Gott treu. Er steht zu seinen Verheißungen, die er gegeben hat. Gott zieht die Verheißung an Abraham nicht zurück, weil die Träger seiner Verheißung seinen Willen missachten und schuldhaft handeln. Nicht weil sich Jakob den Erstgeburtssegen erschlichen hat, wurde ihm dieser Segen zuteil. Nein, trotz und gegen sein perfides Treiben, erlangte Jakob den Segen Gottes. Weil Gott wirklich Gott ist. Die Geschichte von Jakob und Esau unterstreicht: Gott ist nicht gezwungen, seine Heilsabsichten wegen menschlicher Schuld aufgeben zu müssen. Durch alle menschlichen Verwerfungen hindurch kommt Gott mit seinen Absichten zum Ziel. Selbst, wenn ihm Menschen misstrauen, ihr Lebensgeschick und ihre Zukunft in die eigene Hand nehmen, nimmt Gott sein einmal gegebenes Wort nicht zurück. Nein, seine Zusage gilt ohne Abstriche. Das bleibt für Menschen nicht ohne Folgen: Die Zusage Gottes formt Menschen in der Begegnung mit ihm und verändert ihr Verhältnis zu Gott. So mündet für Jakob die Begegnung mit Gott in eine Versöhnung mit Esau ein (vgl. 1Mo 32,23ff; 33,1ff). Auf Gottes Zusagen ist unbedingt Verlass.

3        Bausteine für die Predigt

3.1         Predigtziel

Gottes Verheißungen markieren den Weg seiner Heilsabsichten und nehmen das Ziel seines Weges in den Blick. Auf diesem Weg befinden sich die beteiligten Menschen mit ihren Entscheidungen und ihrem Agieren, mit Glauben und Unglauben  und mit ihrer Schuld. Sie sind verantwortlich für das, was sie sagen und tun. Es gehört zur Souveränität Gottes, menschliche Verhaltensweisen in seine Heilsgeschichte einzubeziehen und trotz aller Schuld zu seinen Zielen zu kommen.

3.2         Predigtthema

Als Predigtthema schlage ich vor:

Lebensalltag zwischen Gier und Betrug

Die Geschichte von Jakob und Esau ist eine typische Geschichte von Gier und Betrug. Dieser Aspekt wird im Predigtthema benannt. Wir kennen solche Geschichten hinreichend aus unserer eigenen Lebenswelt. Insofern lassen sich mühelos zahlreiche Beziehungen der Geschichte von Jakob und Esau zu unserer eigenen Lebenswirklichkeit erkennen. In unserer Gesellschaft begegnen Themen von Gier und Betrug in unterschiedlichsten Zusammenhängen. Auch innergemeindliche Beziehungen (Schwestern und Brüder) sind zuweilen von Rivalitäten und Machtkämpfen gekennzeichnet. Die reine Beschreibung solch heilloser Verhältnisse dürfte aber für eine Predigt nicht ausreichen. Andererseits wird in der konkreten Geschichte der beiden rivalisierenden Brüder von Gott und seinem Handeln nichts angedeutet.

Es empfiehlt sich trotzdem, dem Horizont, in dem sich diese Geschichte ereignet, Beachtung zu schenken (der ergibt sich aus dem Textzusammenhang). Durch das heillose Agieren der beiden Brüder kann Gottes Verheißung nicht ausradiert werden. Gott ist Gott! Das bedeutet: alle Geschichten von Gier und Betrug ereignen sich vor Gottes Augen und sind vor ihm zu verantworten. Menschen, die sich nahe stehen als Schwestern und Brüder (in Familie, Gemeinde usw.), können sich mit ihren Geschichten der Entzweiung nicht auf Gott berufen. Merk-würdig (!) ist nur: Trotzdem beruft Gott Menschen wie Jakob, um sie für seine Ziele einzusetzen. Er geht einen Weg mit Ihnen, der auf eine Überwindung von Unglauben und Entzweiung zielt (Versöhnung). Die Verheißungen Gottes lassen letztlich keinen Zweifel daran: Gott kommt mit seinen Heilsabsichten zum Ziel! In Jesus Christus, dem Gekreuzigten und Auferstandenen, wird dies unmissverständlich bekundet.

Christoph Müller