Monatsthema: In der Gemeinde des Herrn leben
Predigtthema: Den Auftrag ausführen
Bibelstelle: Apostelgeschichte 16, 11-24
Verfasser: Thomas Richter
Ein Predigttipp enthält Hilfestellungen für die Verkündigung und ersetzt deshalb nicht das eigenständige Erarbeiten des Bibeltextes und Studieren von Bibelkommentaren. Wertvolle Hilfen zur Auslegung und Anwendung bieten z.B. Alfred Christlieb. Der Apostel Paulus. 7. Aufl. Liebenzell: VLM, 1996. S. 155-167 (nachfolgend zu einem großen Teil in den Predigttipp eingearbeitet) und Heinz-Werner Neudorfer. Apostelgeschichte 2.Teil / Edition C Bibelkommentar 9. Neuhausen: Hänssler, 1990. S. 118-132.
1. TEXT- UND PREDIGTZUSAMMENHANG
In unserem Predigttext erfahren wir von der Ausbreitung des Evangeliums nach Europa. Was Paulus und seine Mitarbeiter als Führung und Wegweisung Gottes zuerst nur erkannt haben (Apg 16,6-10), setzen sie nun auch konkret im Dienst um (Apg 16,11ff).
Die Erkenntnis des Willens Gottes führt nun direkt zum Tun des Willens Gottes (vgl. Phil 2, 13-16).
2. TEXT- UND PREDIGTANMERKUNGEN
Der Einsatz und Dienst für Jesus kann allerdings sehr unterschiedliche bzw. gegensätzliche Wirkungen hervorrufen. So kann es an gleicher Stelle (Philippi) zu Lebensveränderungen (V. 11-15) und zu Lebensverhärtungen (V. 16-24) kommen. Die Botschaft ist dieselbe, aber die Auswirkungen der Botschaft sind unterschiedlich.
Zum Einstieg: „Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, dass viele Menschen zwei Mütter haben? Da ist einmal die Mutter, die ihnen das Leben geschenkt hat. Doch in gewissen Sinn ist auch eine griechische Dame ihre Mutter, die vor 2000 Jahren in Philippi lebte, denn sie ist zuständig für ihre Entwicklung, und zwar ihre geistliche. Denn mit dieser einzelnen Frau nahm die Kirche in Europa ihren Anfang. Und das geschah so …“ (nach Theo Lehmann).
A. Lebensveränderungen (V. 11-15)
Damit es zu einer Veränderung im Leben kommen kann, braucht es von Gott geöffnete Türen (V. 11-13), Herzen (V. 14) und Häuser (V. 15).
a) Geöffnete Türen (V. 11-13)
„In Orten, in denen die Juden keine Synagoge besaßen, trafen sich an einer bestimmten Gebetsstätte, hier am Fluss, wahrscheinlich im Blick auf die Reinigungsgebote“ (nach den Anmerkungen in der Elberfelder Bibel).
„Die erste uns berichtete Versammlung, in der auf europäischem Boden das Evangelium verkündigt wurde, war äußerlich gering und unscheinbar. Nur eine Anzahl Frauen waren zum jüdischen Gebetsgottesdienst an einem Wasser zusammengekommen (Die Juden wählten für ihre Gottesdienste gern Plätze an einem Wasser, wo sie zugleich die vorgeschriebenen Waschungen verrichten konnten). Beim Anblick dieser geringen Versammlung wäre manchem, der mit großen Erwartungen angekommen war, der Mut gesunken. Aber gerade diese Versammlung ist ein Beweis dafür, dass auch die kleinste Zusammenkunft eine unberechenbare Wichtigkeit für die Ewigkeit haben kann. Es kann große Volksversammlungen geben, bei denen nichts für die Ewigkeit herauskommt, und es kann kleine, bescheidene Gebetsvereinigungen geben, in denen der Herr Großes tut. Georg Müller, der Waisenhausvater von Bristol, erzählt, Gott habe ihm einmal in der Vorbereitung für eine ganz kleine Wochenversammlung ganz besonderes Licht in ein Textwort gegeben, so dass er versucht gewesen sei, diesen Text erst am Sonntag in dem größeren Gottesdienst zu nehmen. Er behandelte aber den Text in der kleinen Bibelstunde und durfte da gerade einem jungen Manne zum entscheidenden Segen werden, der später vielen ein Wegweiser wurde. Lasst uns also auch die geringste Versammlung in Gemeinschaft und Kirche nicht verachten, , sondern bitten, dass Gott sie benutzen möge wie in Philippi!“ (Christlieb, Apostel Paulus, S. 155f).
b) Geöffnete Herzen (V. 14)
‚Anbetende‘ bzw. ,Gottesfürchtige‘ wurden Menschen genannt, die sich am jüdischen Glauben orientierten (vgl. Apg 8,27), aber eben nicht als Proselyten zu Juden wurden. Proselyten wurden im Gegensatz zu den ‚Gottesfürchtigen‘ durch die Anerkennung des Gesetzes, die Beschneidung und die Proselytentaufe als Juden in die Gemeinschaft Israels aufgenommen. Der Gottesfürchtige teilte nur inhaltlich den Glauben Israels, aber er vollzog nicht die äußeren Rituale. Der Gottesfürchtige bzw. Anbetende nimmt damit eine Zwischenposition (vgl. Apg 8,26ff) zwischen dem Juden (vgl. Apg 2) und dem Heiden (vgl. Apg 10f) ein.
„Wenn Lydia in unseren Tagen gelebt hätte, so würden gewiss viele gedacht haben: Das ist eine fromme, gottselige Frau. Was sollte ihr innerlich noch fehlen? Sie hat in ihrem eifrigen Suchen nach innerer Gottesverehrung dem heidnischen Gottesdienst den Rücken gekehrt und sich der besten Religionsgemeinschaft, die sie an ihrem Ort finden konnte, angeschlossen (‚Gottesfürchtige‘ nannte man die Leute, die sich aus den Heiden dem jüdischen Gottesdienst anschlossen). Sie besucht treulich den Gottesdienst und hört mit großem Verlangen zu, wo sie Gottes Wort hören kann. Solche Frau hat doch alles, was man braucht. Mehr kann doch niemand verlangen. Und dennoch musste auch diese gottesfürchtige Lydia das Wichtigste im Leben noch erfahren! Erst an jenem Sabbattage kam sie zur vollen KIarheit über wahre, lebendige Gemeinschaft mit Gott. Was sie im tiefsten Herzensgrunde immer gesucht hatte, das fand sie aufs völligste in dem, was Paulus den Frauen von Christus erzählte. So kann es auch heute noch manche Besucher von Gottesdiensten und Versammlungen geben, die nach der Meinung der Welt gar nichts weiter bedürfen, denen aber die wichtigste Tat Gottes am Herzen noch fehlt. Wie ein Kornelius, der längst ein Beter war und viel Liebe übte, doch noch jenes Tages bedurfte, wo ihn Petrus besuchte und der Heilige Geist über ihn kam, so brauchte die Lydia diesen ihr gewiss unvergesslichen Sabbattag, der ihr geistlicher Geburtstag wurde.
Wenn irgendein menschlicher Zeuge imstande gewesen wäre, das Herz eines Zuhörers aufzuschließen, so war es Paulus, der von Gott selbst ein auserwähltes Rüstzeug genannt wurde. Mit welcher Kraft und Weisheit konnte er das Evangelium bezeugen! Und doch konnte er das bis dahin verschlossene Herz der Lydia nicht auftun. Dies Wunder hat nicht Paulus, sondern der Herr selbst getan. Menschen können wohl das Evangelium predigen. Aber der Erfolg und Segen kommt von Gott. Von seiner Barmherzigkeit, die erbeten werden muss, ist jeder Knecht Gottes völlig abhängig. Ein Haggai kann wohl das Volk auffordern, an Gottes Tempel zu arbeiten, aber der Herr selbst muss den Geist Serubabels und Josuas und des Volkes er¬wecken, dass sie an die Arbeit gehen (‚Haggai sprach‘ – ‚Der Herr erweckte‘. Hag 1,13f). Hiskia kann wohl durch Boten die Stämme Israels auffordern, sich zu bekehren und zur Passahfeier zu kommen, aber Gott allein ist es, der ihnen ‚einerlei Herz gab, zu tun nach des Königs Gebot‘ (2Chr 30,12). Wenn wir in eigener Kraft und mit eigener Gewalt ein Herz für das Evangelium öffnen wollen, so werden wir dem Reiche Gottes nur Schande machen, und die Türe wird sich fester verschließen als zuvor. Wenn wir uns aber in Demut von Gott brauchen lassen, so wird er seinem Worte Herzen öffnen zu seiner Ehre und unserer Freude“ (Christlieb, Apostel Paulus, S. 156f).
Wie wurde Lydia zur Christin?
* suchen (V. 14a – beachte Röm 3,11; Joh 6,37.44)
* hören (V. 14b – beachte Röm 10,14-16)
* öffnen (V. 14c – beachte Apg 13,48; 1Kor 2,1-5.13f)
* achtgeben (V. 14d – beachte Röm 10,17; Apg 17,11)
c) Geöffnete Häuser (V. 15)
„Die erste Seele, die in Europa für Jesus gewonnen wurde, zeigt uns drei schöne Kennzeichen ihres Glaubens, die uns allen vorbildlich sind:
1) Mutig bekennt Lydia sich als eine Jüngerin Jesu, indem sie sich taufen lässt. Sie fürchtet sich nicht davor, dass etwa dieser Schritt ihrem geschäftlichen Leben Nachteil bringen könne, indem anders denkende Heiden und Juden sich von ihr abwenden.
2) Mit diesem Mut verbindet sich eine gar liebliche Demut, indem sie nicht Anerkennung ihres Glaubens verlangt, sondern es bescheiden dem Urteil der Apostel überlässt, ob diese sie als gläubig anerkennen. Wo mutige Entschiedenheit sich mit demütiger Bescheidenheit verbindet, da wird dem Namen Christi Ehre gemacht.
3) Endlich äußert sich ihr Glaube in der Liebe, die sich in der großen Gastfreiheit kundtut. Sie will Paulus mit seinen Reisegefährten in ihr Haus aufnehmen und ruht nicht, bis ihre Bitte erfüllt ist. Mit Paulus war außer Silas und Timotheus wahrscheinlich auch Lukas zusammen, weil dieser, der Verfasser der Apostelgeschichte, von Troas ab sich in den Bericht einschließt (‚wir fuhren‘; V.11). Die Beherbergung von vier Männern, deren Verkündigung auf der einen Seite manche Feindschaft nach sich ziehen, auf der anderen Seite manche Besuche in das Haus bringen musste, stellte an die Gastfreundschaft nicht unbedeutende Ansprüche. Wie beschämt Lydia darin so manche christliche Hausfrau, die solchen Dienst aus allerlei Gründen zu vermeiden sucht!“ (Christlieb, Apostel Paulus, S. 157).
Bsp.: „Vor Jahren hatte ich einen indonesischen Jugendpfarrer zu Gast; er wirkte zunächst distanziert und schüchtern. Nach dem Gottesdienst nahm ich ihn mit zum Mittagessen in eine Familie der Gemeinde. Sie hatten keine gemeinsame Sprache, ich musste mit meinem schlechten Englisch hin- und herdolmetschen. Trotzdem blühte er auf und irgendwie klappte das Gespräch. Danach brachte ich ihn zu nächsten Station und auf dem Weg sagte er mir: ‚Ich bin seit zwei Wochen in Deutschland, in Kirchen und Akademien, aber heue ist zum ersten Mal ein Tischgebet gesprochen worden. Da war ich endlich daheim“ (nach Hans-Hermann Pompe. Gerne geben. Neukirchen-Vluyn: Aussaat, 2007. S. 150). Vgl. hierzu Hebr 13,2; Röm 12,13.
B. Lebensverhärtungen (V. 16-24)
V. 16f (vgl. Mt 24,24; 2Kor 11,14): „Die Tatsache, dass jene Magd mit dem Wahrsagergeist sich so anerkennend über die Apostel und ihre Verkündigung ausdrückt, ist beachtenswert. Sie beweist, dass auch solche Menschen, vor denen die Schrift warnt und vor denen wir uns zu hüten haben, bisweilen treffende Wahrheiten aussprechen können. Es hat je und je Christen gegeben, die sich durch solchen Betrug Satans überlisten ließen, die glaubten, dass ein Mensch, der wahre und erbauliche Worte redete, unmöglich mit dem Reich der Lüge im Zusammenhang stehen könnte. Unser Text widerlegt diesen Irrtum. Die Magd mit dem Wahrsagergeist sprach hier nur die Wahrheit. Jedes Wort von ihr war richtig: Paulus und Silas waren Knechte Gottes, des Allerhöchsten. Sie verkündigten den Weg der Seligkeit. Nach dem Inhalt ihrer Worte hätte jemand denken können, dass diese Person ganz im Einklang mit Paulus stehe, so dass man ihr ruhig trauen dürfe. Und doch war der Geist jener Magd ein ungöttlicher. Lasst uns demnach nicht ohne weiteres jedem Geist trauen, der einmal eine gute Wahrheit ausspricht! Das haben auch ägyptische Zauberpriester und Götzenpriester der Philister tun können (‚Das ist Gottes Finger‘, 2Mose 8,15; ‚Gebt dem Gott Israels die Ehre‘; ‚Nehmt die Lade des Herrn und sendet sie hin‘; 1Sam 6,5-9). Wenn sogar die Wahrsagerin in Philippi so empfehlend auf die Missionsarbeit der Apostel hinweisen konnte, so haben wir uns auf ähnliche Täuschungen gefasst zu machen, zumal die Zeit der letzten Verführungen näher heranrückt (Mt 24,11; 23-25; 2Petr 2,1-3)“ (Christlieb, Apostel Paulus, S. 160).
V. 17f (vgl. Spr 12,18; Mt 12,19): „Es erhebt sich nun die andere Frage: Woran kann man den falschen Geist erkennen? Wenn jedes Wort, das die Wahrsagerin ausspricht, genau richtig ist, wenn sie die Menschen auch auf einen guten Weg hinweist, so kann es hart und ungerecht erscheinen, wenn man sich ablehnend gegen sie verhält. Ein aufmerksames Beobachten dieser Magd zeigt indessen manchen Zug, der Bedenken erwecken muss. Es liegt etwas sich Vordrängendes, Zudringliches, Lautes, Schreierisches in ihrem ganzen Benehmen, das ganz anders ist als der stille, sanfte Geist, der gerade bei der Frau köstlich vor Gott ist (1Petr 3,4). Dazu kommt noch eins: Sie musste merken, dass ihr Nachlaufen und Nachrufen dem Paulus unangenehm war. Trotzdem fährt sie fort, ihn damit zu belästigen. Da mangelt es zum mindesten an dem Zartgefühl der Liebe, welche göttlicher Art ist (1Kor 13,4f). Wir sehen also: Wenn auch die Worte jener Person richtig sind, so ist doch ihr ganzes Benehmen nicht richtig. Lasst uns daraus das eine lernen: Wenn wir auffallende menschliche Erscheinungen, wie jene Frau, richtig beurteilen wollen, so müssen wir nicht nur ihre einzelnen Aussprüche, sondern ihr gesamtes Auftreten nach der Schrift prüfen. Nur dann werden wir vor folgenschwerem Irrtum bewahrt werden“ (Christlieb, Apostel Paulus, S. 160f).
Im Hinblick auf die Stellung des Paulus zur Wahrsagerin ist folgendes zu beachten:
„1. Sein Empfinden bei der Wahrsagerin – Was empfand Paulus dieser Person gegenüber? Mancher hätte eine gewisse Freude oder gar Stolz bei ihm erwarten können, weil er hier ganz unerwartet eine Anerkennung seiner Wirksamkeit fand. Aber wir finden weder frohe noch stolze Gefühle bei Paulus, sondern Schmerz. Dieser Schmerz ist ein Beweis für den göttIichen Scharfblick und für den gesunden Prüfgeist des Paulus. Er empfand sofort etwas Fremdes, das ihn abstieß und nicht ruhig werden ließ bei der sich wiederholenden Annäherung und lauten Anerkennung dieser Person. Wie einst Nehemia bei dem scheinbar recht wohlwollenden Rat des Propheten Semaja, in den Tempel zu flüchten, gleich ‚merkte, dass ihn Gott nicht gesandt hatte‘ (Neh 6,12), so spürte Paulus bei den empfehlenden Worten dieser Magd, dass solche Anerkennung nicht von oben stammte. Solchen Prüfgeist brauchen auch wir. Je mehr wir in inniger Gemeinschaft mit Jesus leben, je mehr wir uns von seinem Geist durchdringen lassen, desto mehr kann der Herr uns dieses Unterscheidungsvermögen geben, dass wir von ungöttlichen Erscheinungen abgestoßen, dagegen von allem, was göttlicher Art ist, angezogen werden. Wohl uns, wenn wir uns dieses zarte, richtige Empfinden in reichem Maß schenken lassen durch die Salbung von dem, der heilig ist (1Joh 2,20)!
2. Sein Warten bei der Wahrsagerin (Spr 14,29; 16,32; Offb 14,12; Jak 1,2-4; Hebr 10,36) – Aus dem Verhalten des Paulus bei der Wahrsagerin können wir große Weisheit lernen. Sie besteht in dem geduldigen Tragen und in dem Warten auf Gottes Stunde. Die Magd durfte ihr Nachlaufen und Rufen ungehindert manchen Tag fortsetzen, obwohl es dem Paulus sehr unangenehm war. Wie lange sie es so trieb, wissen wir nicht genauer, nur dies steht fest, dass Paulus es sich eine Anzahl Tage gefallen ließ, ohne gegen diese Belästigung einzuschreiten. Weshalb griff Paulus nicht sofort ein? Weshalb dauerte es manchen Tag, bis er der Person endlich das üble Handwerk legte? Paulus wusste, dass er im Kampf mit falschen Geistern nicht nach seiner Willkür und nach seinem eigenem Wunsch und Ermessen handeln durfte. Wenn er mit göttlicher Vollmacht jenen fremden Geist austreiben wollte, musste er so lange warten, bis er des göttlichen Auftrages gewiss war. Nur dann konnte er ‚im Namen Jesu‘, d.h. in voller Übereinstimmung mit dem Willen Jesu dem Geiste gebieten, auszufahren. Hier lasst uns von Paulus lernen! Wie oft mischt sich bei unangenehmen Belästigungen im Privatleben oder im Dienst des Herrn unsere eigene Ungeduld in unsere Stellung hinein und treibt uns an, möglichst bald, ohne auf Gottes Stunde zu warten, die Entfernung der Unannehmlichkeit erzwingen zu wollen. Die Folge ist dann, dass wir ohne göttliche Beglaubigung in eigener Kraft gegen die Unannehmlichkeit kämpfen und sie doch nicht fortschaffen können. Wenn wir aber wie Paulus so lange warten würden, bis wir ‚in Jesu Namen‘, d.h. mit innerer Erlaubnis und Vollmacht, dawider auftreten könnten, dann würden wir nicht zuschanden werden, sondern seine Kraft und seinen Beistand rechtzeitig erfahren.
3. Sein Eingreifen bei der Wahrsagerin (Mt 10,1; Mk 16,17) – Lasst uns bei dem Eingreifen des Paulus gegenüber der Wahrsagerin auf dreierlei achten:
a) An wen wandte sich Paulus? Hat er sich etwa an die Magd gewandt und diese mit Vorwürfen überhäuft und ihr das Ungehörige ihres Rufens vorgehalten? Damit wäre nichts erreicht worden. Paulus hatte die Überzeugung, dass nicht die arme Magd, sondern der fremde Wahrsagegeist, der von ihr Besitz genommen hatte, an dem ihm so weh tuenden Verhalten schuld sei. Deshalb wandte er sich gegen diesen. Göttliche Art ist es immer, das Übel bei der Wurzel anzufassen.
b) Wie wandte sich Paulus gegen den Wahrsagegeist? Knechte Gottes pflegen nicht befehlshaberisch und gebieterisch aufzutreten. Auch wo sie gebieten könnten, beschränken sie sich auf Liebe und Demut, Iieber auf Bitten und Ermahnen (Philemon 8f). Aber es gibt einen Fall, wo kein zartes Bitten und Ermahnen am Platze ist. Wo Jesus gebietend auftrat (Mk 1,27; 9,25), da musste auch sein Knecht, der in seinem Namen und Auftrag handelte, dasselbe tun. Hatte doch auch Jesus seinen Jüngern im Blick auf die unsauberen Geister den Befehl gegeben, sie ‚auszutreiben‘. Dieser Ausdruck beweist, dass in solchem Falle nicht Zartheit, sondern Festigkeit hervortreten muss.
c) Mit welchem Erfolg wandte sich Paulus gegen den Wahrsagegeist? Letzterer gehorchte und verließ die Magd zur selbigen Stunde, so dass diese geheilt und befreit weiterleben konnte und das Nachschreien für Paulus aufhörte. Wer in göttlichem Auftrage handelt, der hat große Macht, auch wenn er, wie Paulus, äußerlich ein schwacher Mensch ist“ (Christlieb, Apostel Paulus, S. 161-163).
Der Unterschied zwischen göttlichen und ungöttlichen Verhaltensweisen:
„1. Göttliche und ungöttliche Weise, Unterhalt zu erlangen – V. 15f (1Tim 6,6-10): Wenn wir die Reise des Paulus nach Philippi und seinen Aufenthalt daselbst betrachten, so finden wir einerseits Leute, die Besitz, Licht und Macht auf sündliche Weise erreichen, andererseits solche, die dies auf gottwohlgefällige Weise erlangen. Lasst uns zuerst zweierlei Weisen ansehen, den Unterhalt zu bekommen! Da sind Personen, die auf einem schändlichen Wege ihr Vermögen gewinnen. Es sind die Herren der Wahrsagerin, die mit echter Geschäftsklugheit die Wahrsagegabe ihrer bedauernswerten Sklavin ausbeuten, um ihren Beutel zu füllen. Es gelingt ihnen, indem sie ihre Magd gegen Geldentschädigung wahrsagen lassen, großen Gewinn zu erlangen. Ob auf dieser Art, Geld zu bekommen, göttlicher Segen ruht oder nicht, danach fragen diese Herren nichts – wenn sie nur reich werden. Alles andere ist ihnen gleichgültig. Diesen Besitzern der Wahrsagerin gleichen Tausende in unserer Zeit, die auf fluchbeladenem Wege ihren Unterhalt gewinnen und sich kein Gewissen daraus machen, wie sie ihren Reichtum erwerben (Jer 22,13). Wie ganz anders bekommen Paulus und seine Gefährten ihre äußere Versorgung! Sie arbeiten auf Gottes Wegen und erfahren auch im Irdischen die treu sorgende Vaterhand des Herrn. Lydia nimmt sie gastlich auf, und die philippische Gemeinde Iässt es sich nicht nehmen, für Paulus auch in späterer Zeit zu sorgen (Phil. 4,16). Wenn ihm auch nicht große Geldsummen zufliegen wie jenen Herren, so hat er doch einen unendlich größeren Genuss, weil er in allem seines himmlischen Vaters Fürsorge erkennen und schmecken darf. Gebe Gott, dass wir in der Erlangung unseres irdischen Besitzes niemals jenen Herren, sondern Paulus und seinen Gefährten gleichen (Luk. 16,13)!
2. Göttliche und ungöttliche Weise, Licht zu erlangen – (Ps 43,3; 119,105; Jes 8,19f): Aus der Tatsache, dass die Wahrsagerin vielen Gewinn einbrachte, können wir den Schluss ziehen, dass viele Menschen zu ihr kamen. Viele suchten durch sie Licht zu bekommen über Dinge, die sie auf andere Weise nicht erforschen konnten. Besonders die Begierde, über ihre eigene Zukunft Näheres zu erfahren, mochte viele zu einer solchen Person treiben. Leider geschieht das bis auf den heutigen Tag mitten in der Christenheit. Die Schrift verurteilt diese Art, Licht zu empfangen, auf das allerschärfste (3Mose 20,27). Ganz anders empfing Paulus sein Licht durch Gottes Wort (V. 32). Gottes Geist (V.6f) und durch brüderliche Gemeinschaft (V. 10). Wie viel besser ist doch diese göttliche Art, Licht zu bekommen, als die ungöttliche Weise der Leute, die zur Wahrsagerin eilen! Als Bileam den freudigen Siegeslauf Israels prophetisch vorausschaute, da wurde ihm auch der innere Grund für die Freudigkeit dieses Volkes gezeigt. Er bestand einerseits darin, dass ‚kein Zauberer in Jakob und kein Wahrsager in Israel‘ war, andererseits darin, dass diesem Volke ‚zu seiner Zeit gesagt wird, was Gott tue‘ (4Mose 23,22f). So hängt auch die Freudigkeit des neutestamentlichen Gottesvolkes damit zusammen, dass es jedes verbotene Licht flieht, das nur Fluch und Bann bringt, aber sich umso treuer dem rechten Licht des göttlichen Wortes erschließt (2Petr 1,19).
3. Göttliche und ungöttliche Weise, Macht zu erlangen – V. 18-24 (Lk 10,19): Sowohl bei den Feinden des Paulus, den Herren der Wahrsagerin, als auch bei dem Apostel selbst tritt uns in dieser Geschichte eine nicht geringe Macht entgegen. Lasst uns diese Macht auf beiden Seiten und die Art, wie sie erlangt wurde, anschauen! Die Herren der Wahrsagerin erlangten eine Macht gegen die Apostel, indem sie dieselben vor die Obersten der Stadt zogen und durch eine gewandte Anklage ihre grausame Bestrafung durchsetzten. Wie elend sieht diese äußerliche, auf fleischlichem Wege erlangte Gewalt aus im Vergleich mit der Macht, die Paulus von seinem Heiland empfing, als er zu dem Wahrsagegeist sprach: ‚Ich gebiete dir in dem Namen Jesu, dass du von ihr ausfahrest!‘ Das war göttliche Gewalt, die der Heilige Geist gab. Durch ein einziges Wort brachte Paulus hier mehr zustande als jene Herren mit all ihren Bemühungen. Lasst uns nie auf die Art jener Herren, sondern auf die Weise des Paulus durch innige Gemeinschaft mit Gott heilsame Macht zu erlangen und auszuüben suchen! Als einst Petrus mit dem Schwerte Jesus beispringen wollte und das Ohr des Malchus abschlug, verwies ihm der Herr solches (Mt 26,52; Joh 18,11). Als aber derselbe Mann am Pfingsttage das Schwert des Geistes zog, da gab es bleibenden Sieg und wahre Ewigkeitsfrucht. Das erste Mal brauchte er fleischliche Macht, mit der Jesu Jünger nicht kämpfen sollen, das zweite Mal geistliche, die Verheißung hat“ (Christlieb, Apostel Paulus, S. 158f).
„Unser Text zeigt uns die Herren der ehemaligen Wahrsagerin, die im Zorn über ihre geschäftliche Benachteiligung ans Gericht eilen, um gegen die Apostel Anzeige zu erstatten. Wenn wir uns in die innere Stellung der zur Obrigkeit eilenden Männer hineinversetzen, so sehen wir ein Bild, das uns von ähnlichen Wegen abschrecken kann:
1. Sie eilen zum Gericht als geldgierige Menschen – Gewiss gibt es Fälle, wo die Inanspruchnahme der weltlichen Behörden gerechtfertigt ist. Aber niemals wird es sich für einen Christen geziemen, in solcher Weise und Gesinnung einen Mitmenschen zu verklagen, wie die Besitzer jener Magd in Philippi es taten. Denn diese Männer eilten vor allen Dingen deshalb zu den Richtern, weil sie sich von dem Geld so schlecht trennen konnten, das sie bisher durch ihre wahrsagende Sklavin verdienten. Vor Gericht gaben sie freilich ganz andere Gründe an. In Wahrheit aber war ihr Zorn über den Verlust der Einnahme der Grund ihrer Anzeige. ‚Da sie sahen, dass die Hoffnung ihres Gewinnes war ausgefahren‘, zogen sie Paulus und Silas vor die Obersten. Hätten diese Herren Mitgefühl für ihre Sklavin gehabt, so hätten sie sich über ihre Befreiung von dem schädlichen Geist freuen müssen, weil dieselbe dadurch in einen gesunden Zustand zurückkam. Aber nicht Mitgefühl, sondern Mammonsliebe beherrschte jene Männer. Wenn diese Triebfeder der Geldliebe und des Hängens am Gewinn uns zur Anzeige eines Menschen veranlassen will, so lasst uns umkehren, über unsern Geiz Buße tun und nicht andere, sondern uns selbst anklagen!
2. Sie eilen zum Gericht als rachsüchtige Menschen (Röm 12,17-21; Pred 7,9f; Eph 4,26; Jak 1,19f) – Nicht nur Geldliebe, sondern auch Rachgier trieb die Besitzer jener Wahrsagerin dazu, die Apostel zu verklagen. Sie wollten den Mann, durch den sie sich geschädigt glaubten, wieder schädigen. Sie wollten demjenigen etwas Unangenehmes zufügen, durch den sie Unangenehmes erfahren hatten. Solche Rachgier kann uns bei jenen heidnischen Mammonsknechten nicht wundern. Aber wundern muss es uns, dass wir im eigenen Herzen noch solche Regungen zur Rachgier wahrnehmen müssen. Wehe uns, wenn diese Triebfeder zur Rachsucht uns veranlassen sollte, gegen einen Mitmenschen Klage zu erheben! Wir wären dann auf dem Wege des Schalksknechtes, der seinem Mitknecht die Schuld nicht erlassen wollte, obgleich ihm sein Herr zehntausend Pfund geschenkt hatte (Mt 18,32). Wir wären aber nicht in der Nachfolge dessen, der nicht schalt, da er gescholten wurde (1Petr 2,23).
3. Sie eilen zum Gericht als unwahrhaftige Menschen (Ps 15,1.3; 3Mose 19,16; Spr 20,19; Eph 4,25; Sach 8,16) – Die Gesinnung der Männer, die Paulus in Philippi zur Anzeige brachten, war nicht nur eine gewinnsüchtige und rachgierige, sondern auch eine unwahrhaftige. Denn sie haben gar nicht die Absicht, der Obrigkeit ein sachlich richtiges Bild von der Tätigkeit jener Zeugen zu entwerfen, sondern sie wollten den Richtern nur eine möglichst ungünstige Meinung von den Aposteln beibringen. Absichtlich verzerrten und entstellten sie in ihrer Anklage das Bild der Missionsarbeit des PauIus und Silas, um eine recht harte Bestrafung derselben zu erzielen. Das war bei der inneren Triebfeder ihrer Anklage gar nicht anders zu erwarten. Wenn Gewinnsucht und Rachgier jemand zur Anklage eines Mitmenschen veranlassen, so darf man von solchen Anklägern kaum eine gerechte und wahrheitsgetreue Darstellung des Sachverhaltes erwarten. Vielmehr zieht eine Sünde die andere nach sich. Der Geist der Geldliebe und des Hasses ist kein Wahrheitsgeist. Wenn die Frage an uns herantritt, ob wir einen Mitmenschen bei der weltlichen Behörde verklagen sollen oder nicht, so lasst uns doch an diesem dreifachen Prüfstein unser Herz untersuchen: a) Machen wir nicht dem Herrn Unehre durch Festhängen am irdischen Besitz? b) Sind wir völlig frei von jeder Rachsucht? c) Haben wir die Absicht, nur die reine Wahrheit ohne jede Übertreibung und Entstellung aus¬zusprechen? Wenn wir nicht in allen drei Stücken uns von jenen Anklägern des Paulus völlig unterscheiden, dann ist gewiss unser Weg zum Verklagen kein richtiger Weg. Sind wir aber von Geldliebe, Rachsucht und Unwahrhaftigkeit frei, so werden wir in vielen Fällen den Gang zum irdischen Richter nicht nötig haben“ (Christlieb, Apostel Paulus, S. 163-165).
3. TEXT- UND PREDIGTSCHWERPUNKT
Unsere Predigtübersicht 2009 (beim Gemeinschaftsleiter erhältlich) benennt als möglichen Schwerpunkt für die Predigt das Thema „Bekehrung und Gehorsam“. In der Predigt ist der biblische Grundsatz herauszustellen: Wenn der Mensch horcht – redet Gott! Wenn der Mensch gehorcht – handelt Gott! Wenn Gott zu uns redet, dann können wir nicht mehr so tun, wie wenn wir nichts gehört hätten. Auf die Erkenntnis des Willens Gottes (16,6-10) folgt das Handeln nach dem Willen Gottes (16,11-24). So ergibt sich das Predigtthema aus dem biblischen Zusammenhang: Den Auftrag ausführen!
Wer den Auftrag ausführt, erhält allerdings keine Erfolgsgarantie, sondern beim Gehorsam gegenüber der Berufung Gottes treffen wir sowohl auf Offenheit als auch Verschlossenheit.
4. PREDIGTGLIEDERUNG
Den Auftrag ausführen
A. in Erwartung veränderter Herzen (V. 11-15)
a) durch offene Türen (V. 11-13)
b) durch offene Herzen (V. 14)
c) durch offene Häuser (V. 15)
B. im Angesicht verstockter Herzen (V. 16-24)
a) verführerisches Bekenntnis (V. 16-18)
b) verleumderische Beschuldigung (V. 19-24)
Nach Heiko Krimmer:
A. Zum Dienst berufen
B. Im Dienst geführt
C. Beim Dienst gebraucht
Nach John MacArthur: Porträts zweier Frauen
A. Die befreite Frau
B. Die versklavte Frau