Jahresthema: Persönliche Reformation
Predigtthema: Sola gratia: Gerettet – allein durch Gnade
Predigttext: Epheser 2, 1-10
Die Erarbeitung dieser Predigt erfordert etliche Stunden an Vorbereitung. Zu eurer Unterstützung enthält diese Predigthilfe deshalb Hinweise für eure Verkündigung, ersetzt aber nicht euer eigenständiges Erarbeiten des Bibeltextes. Bei der Vorbereitung dieser Predigt suchen wir nach dem, was der Herr über den Predigttext durch uns sagen will, denn wir verkündigen nur die Botschaft, die uns persönlich auf der Basis des Predigttextes aufs Herz gelegt wird. Nur wo der Herr uns das Herz gefüllt hat, da haben wir etwas zu sagen, da nur dann gilt: „Wer euch hört, hört mich“ (Lk 10,16a)!
- Sehen, was dasteht
Verschiedene Bibelübersetzungen um mit dem Predigttext vertraut zu werden findet man z.B. unter www.bibleserver.com (Luther 1984 / Revidierte Elberfelder Bibel / Hoffnung für alle / Schlachter 2000 / Neue Genfer Übersetzung / Gute Nachricht Bibel / Einheitsübersetzung / Neues Leben Bibel / Neue Evangelistische Übersetzung).
1.1 Allgemeine Hinweise zum Predigttext
Paulus schreibt den Epheserbrief an eine Gemeinde, die ihm sehr gut bekannt ist. Paulus hat recht lange in Ephesus gewirkt und viele Menschen mit dem Evangelium erreicht. Ephesus war damals eine sehr bedeutende Stadt, die besonders durch den Artemis-Tempel geprägt wurde. In Kapitel 1 des Epheserbriefes preist Paulus Gott für sein Gnadenhandeln in der Vorherbestimmung und macht deutlich, worum es Gott eigentlich geht. Gott möchte, dass schlussendlich seine Herrlichkeit gepriesen wird, die besonders in seinem Gnadenhandeln sichtbar wird. Im 2. Teil von Kapitel 1 bringt Paulus seinen Gebetswunsch für die Christen in Ephesus zum Ausdruck, der besonders darin besteht, dass die Christen ihren Gott mehr und mehr erkennen und dass sie mehr und mehr erfassen, mit welcher gewaltigen Kraft Gott in Christus an den Glaubenden gewirkt hat. Es ist dieselbe Kraft, die Christus aus den Toten auferweckt hat.
In unserem Predigttext lädt Paulus die Glaubenden nun zu einem realistischen Rückblick ein. Sie sollen ihren geistlichen Zustand vor ihrer Bekehrung betrachten und von dort neu darüber ins Staunen kommen wie groß und ausschließlich Gottes Gnade ist.
Einen solchen Rückblick auf das Leben vor der Umkehr finden wir auch in Kol 1,21-23 oder in Tit 3,3ff
1.2 Hilfen zum Verständnis des Predigttextes
Hilfen zur Auslegung finden sich in den Kommentaren von Helge Stadelmann (Edition C Bd. 14) und von Fritz Rienecker (Wuppertaler Studienbibel).
1.3 Anmerkungen zum Verständnis des Predigttextes
V.1-2: Paulus erinnert die Epheser daran, wie ihr Leben aussah, bevor Gott sie wiedergeboren hat. Dabei stellt Paulus ganz gezielt einen sprachlichen Gegensatz auf. Die Epheser waren tot in ihrem Wandel. Trotz ihrer ganzen irdischen Lebendigkeit, waren sie doch in Gottes Augen tot. Sie hatten kein geistliches Leben. Ihr Leben entsprach nicht den Schöpfungsgedanken Gottes, sondern sie lebten entsprechend ihrer gefallenen Natur, gemäß dem Widersacher Gottes.
V.3: In Vers 3 wechselt Paulus in seiner Formulierung die grammatische Person. Hat er vorher in der 2. Person Plural formuliert, so spricht er nun in der 1.Person Plural. Damit schließt er sich selbst und auch seine judenchristlichen Leser in die Erinnerungsbotschaft mit ein. Auch ein Leben, das sich mit menschlichen Kräften nach Gottes Geboten müht und vielleiht in einem frommen Umfeld gelebt wird, steht dennoch unter der Macht der Sünde, unter der Gefangenschaft der eigenen menschlichen Begierden und dadurch unter dem gerechten Zorn Gottes. Es braucht Gottes rettendes Eingreifen.
V.4: In Vers 4 lesen wir dann die große Wende. In den ersten drei Versen spricht Paulus vom menschlichen Versagen um dann in Vers 4 vom großen göttlichen „aber“ zu sprechen. Nicht irgendeine menschliche Leistung ist Basis für unsere Hoffnung, sondern Gottes wunderbarer Charakter, sein Reichtum an Barmherzigkeit und Liebe.
V.5: In Vers 5 unterstreicht Paulus, wie Gott diesen Gnadenweg möglich macht. Wir sind „mit Christus“ lebendig gemacht. Gottes Gnade wird in Jesus Christus sichtbar in seinem Sterben und in seiner Auferstehung. Losgelöst von Christus und von der Realität seiner Auferstehung ist kein geistliches Leben möglich.
V.6: Paulus unterstreicht noch einmal die untrennbare Verbindung unseres geistlichen Lebens mit der Auferstehung Christi. Wer zu Jesus gehört, steht nicht mehr unter der Macht des ewigen Todes, nein er ist mit Christus auferweckt zu einem ewigen Leben (vgl. Joh 3,36; 1.Petr 1,3). Die Realität des ewigen geistlichen Leben unterstreicht Paulus mit der zweiten Aussage: Er hat uns mitsitzen lassen in der Himmelswelt in Christus Jesus,
Dies ist eine geistliche Realität, die schon jetzt gilt. Die Betonung in diesem Vers liegt auf dem „in Christus“. In Christus sitzen wir jetzt bereits im Himmel. In und durch Jesus haben wir jetzt eine Stimme im Himmel. Christus ist unser Fürsprecher und bereitet alles für uns vor.
V.7: Wir merken in unseren Versen, wie Paulus von Gottes Gnade und seiner Liebe überwältigt ist. In Vers 7 blickt Paulus in die Ewigkeit und erklärt, was Gottes Ziel mit seinen Kindern ist. Er will ihnen den Reichtum seiner Gnade in Christus erweisen. Und dieser Reichtum der Gnade Gottes ist so groß, dass er dafür eine ganze Ewigkeit braucht.
V.8-9: In den Versen 8 und 9 greift Paulus das zentrale Thema dieses Abschnittes noch einmal auf und formuliert unmissverständlich deutlich. Unsere Errettung ist ein reines Gnadengeschenk Gottes. Es ist kein menschliches Verdienst. Gott allein verdient die Ehre für unsere Rettung und jedes menschliche Werk im Blick auf unsere Rettung würde unweigerlich dazu führen, dass Menschen statt Gott gerühmt würden und dass das Vertrauen auf der eigenen Leistung und nicht auf Gottes Gnade liegen würde. Paulus hat immer wieder erlebt, wie Christen in der Gefahr stehen die Gnade Gottes aus dem Blick zu verlieren und auf ihre eigene Frömmigkeit zu vertrauen, was tödlich für das geistliche Leben ist. (vgl. Galaterbrief).
V.10: In Vers 10 geht Paulus schließlich über das Thema Rettung – allein aus Gnade hinaus, und blickt auf das Leben in der Nachfolge Jesu. Und auch hier sieht Paulus, wie sehr wir von Gottes Gnade abhängig sind und wie wir aus seiner liebevollen Gnade leben dürfen. Auch das Leben in der Nachfolge ist keine selbstständige menschliche Leistung, vielmehr beschreibt es Paulus, als ein gehorsames nachgehen der Wege, die Gott vorbereitet hat, oder als ein gehorsames Tun der Werke, die Gott in seiner Gnade vorbereitet hat. Es ist ein Ausleben dessen, wozu wir von Gott in Christus geschaffen worden sind.
- Verstehen, worum es geht
2.1 Hinweise für hermeneutische Überlegungen (Auslegung)
Im unserem Abschnitt werde einige sehr zentrale theologische Themen klar miteinander verbunden. Paulus beginnt, indem er die menschliche Sündhaftigkeit sehr deutlich als geistlichen Tod markiert (vgl. Röm 6,23). Wenn wir die Lehre von der Gnade Gottes richtig einordnen wollen, müssen wir auch die menschliche Sündhaftigkeit klar markieren. Wo die menschliche Hoffnungslosigkeit nicht deutlich wird, wird die Notwendigkeit der Gnade nicht erkannt. Der Reformatorische Kernsatz „sola gratia“ wird in unseren Versen als Kern der paulinischen Theologie sichtbar, auch wenn das „allein“ nicht explizit formuliert ist. Aber sowohl im Blick auf die menschliche Hoffnungslosigkeit, wie auch in der Gegenüberstellung mit den eigenen menschlichen Werken, wird sehr deutlich, dass für Paulus die Rettung allein aus Gnade geschieht.
2.2 Hinweise für situative Überlegungen (Predigtanlass)
Die Predigt ist die erste in der Jahresreihe: Persönliche Reformation. Im Zusammenhang mit dem Reformationsjubiläum wollen wir zentrale biblische Texte zu den reformatorischen Kernthemen bedenken und uns neu von diesen Themen ergreifen lassen. Dabei geht es nicht nur darum historische Wahrheiten zu verstehen, sondern vor allem darum, dass sie in unseren Leben Realität bleiben oder wieder Realität werden. Gerade beim Thema Gnade ist es geistlich verheerend, wenn wir sie aus den Augen verlieren. Wo wir anfangen auf unsere „frommen Leistungen“ zu vertrauen, verlieren wir zwangsläufig die Gnade aus dem Blick und damit auch unsere unverdiente aber lebendige Hoffnung, die allein in Christus begründet ist.
Gerade für Predigthörer, die in einem „frommen“ Umfeld aufgewachsen sind, und kein drastisches Bekehrungserlebnis vorweisen können, ist es immer wieder eine Herausforderung, das Leben vor der Umkehr zu Christus als geistlichen Tod zu verstehen. Paulus zeigt gerade mit Vers 3, dass er auch solche Hintergründe im Blick hat. Das Leben als Christ kann sehr unspektakulär beginnen, aber es in jedem Fall kein natürliches Hineinwachsen. Es ist immer eine Rettung allein aus Gnade von geistlichen Tod zum ewigen geistlichen Leben.
Als Prediger ist es gerade bei diesem Thema sehr wichtig, dass wir die Verse bewusst als dankbare Begnadigte predigen. Wir wollen in der Vorbereitung vor Gott darum Ringen, dass er uns auf der einen Seite unsere eigene Sündhaftigkeit vor Augen stellt und uns auf der anderer Seite mit einer tiefen Freude über das Geschenk der Gnade in Christus erfüllt.
2.3 Hinweise für homiletische Überlegungen (Anwendung)
Gnade ist ein christliches Grundthema, über das die Hörer schon viel gehört haben. Die große Herausforderung bei dieser Predigt besteht darin, die Hörer zu einer echten, geistlichen Freude über die Gnade Gottes zu motivieren. Diese Freude kann nur zu ihrer wirklichen Tiefe gelangen, wenn sie mit einem erneuten Erschrecken über die eigene Sündhaftigkeit einhergeht. Der Hörer soll durch die Predigt zum Nachdenken angeregt werden, was die Gnade Gottes für ihn ganz persönlich bedeutet und warum er selbst die Gnade Gottes absolut dringend benötigt.
- Sagen, wo es hingeht
Zur Predigtvorbereitung hilft das Anhören (im Sinne von Apg 17,11b) der Bibelarbeit von Winrich Scheffbuch vom 09.10.1990 mit dem Titel „Das neue Leben als Geschenk der Gnade“. Diese Botschaften findet ihr unter www.sermon-online.de, wenn ihr unter „erweiterte Suche“ die Felder „Bibelstelle“ und „Autor“ ausfüllt.
3.1 Predigtziel – warum halte ich diese Predigt?
Die Hörer sollen neu über Gottes wunderbare Gnade staunen und ihre Glaubenshoffnung ganz auf Jesus Christus setzen
3.2 Predigtthema – was sage ich in dieser Predigt?
Sola gratia: Gerettet – allein durch die Gnade
3.3 Predigtentfaltung – wie sage ich es in dieser Predigt?
a) Ein ehrlicher Rückblick (V.1-3)
b) Gottes wunderbares „Aber“ in Christus (V.4-7)
c) Allein aus Gnade (V.8-9)
d) Gnade im Alltag (V.10)
3.4 Predigtveranschaulichungen – wie verdeutliche ich es in dieser Predigt?
Das Lied „Amazing Grace“ geht auf wunderbare Weise auf das Thema Gnade ein. Auch die Lebensgeschichte des Verfassers John Newton ist sehr passend zum Thema.
„Bevor wir nicht unsere eigene Notlage verstehen, sind wir nicht in einer Position Gottes Gnade zu schätzen. Ich sage nicht, dass jeder Gläubige im Augenblick seiner Bekehrung ein volles Verständnis seiner eigenen Sünde und der Gnade des Retters hat, aber ich sage dies: Wenn wir nicht danach streben unsere eigene Sünde zu kennen und sehen, wohin sie führt, werden wir niemals die Herrlichkeit von Gottes rettender Gnade für uns in Jesus Christus schätzen.“(Lig Duncan)
Als der berühmte Professor der Medizin, Boerhaave, eines Tages in seinem anatomischen Laboratorium vor den Studenten die Leiche eines hingerichteten Mörders öffnen wollte, wurde er plötzlich bleich und begann zu zittern. Die Studenten sahen ihn fragend an, denn sie waren nicht gewöhnt, ihren Professor weich zu sehen. „Meine Herren“, sagte Boerhaave, „mit diesem Manne habe ich meine Jugend zugebracht. Nun bin ich der geehrte Professor, und er liegt hier als gerichteter Verbrecher. Lassen Sie mich es Ihnen aussprechen, dass ich außer der Gnade Gottes keinen einzigen Grund weiß, weshalb ich nicht an dieser Stelle liege.“
Da war einst ein verheirateter Soldat, welcher erfuhr, dass seine Frau ernstlich erkrankt sei. Er bat um Urlaub, erhielt denselben jedoch nicht. So ging er denn von selbst, wurde aber ergriffen und als Deserteur eingeliefert. Die Sache wurde untersucht; er wurde schuldig befunden und herbeigerufen, um sein Urteil zu hören. Er blieb vollständig ungerührt, als ihm ein Offizier das Urteil vorlas, das dahin ging, dass er am nächsten Freitag als Deserteur erschossen werden sollte. Er zuckte mit keinem Muskel und kein Glied zitterte an seinem Leibe. „Ich weiß, dass ich ungehorsam gewesen bin; ich habe eigenwillig die Fahne verlassen und ich verdiene den Tod. Ist das nun alles, Herr Hauptmann, das ich hören soll?“ „Nein“, erwiderte dieser; „ich habe Ihnen noch etwas andres mitzuteilen.“ Und nachdem er ein andres Papier entfaltet hatte, las er laut und deutlich die Begnadigung des Verurteilten vor. Die Wirkung dieser Mitteilung war eine unbeschreibliche. Der Flüchtling brach vollständig zusammen. Er zitterte am ganzen Körper, sank zu Boden und seinen Augen entströmten heiße Tränen. Was der Urteilsspruch des Todes nicht erreichen konnte, das bewirkte die unverdiente Gnade. (Charles Spurgeon)
(Tobias Schurr)