2.Mose

Predigthilfe vom 22.3.2009 – 2.Mose 34, 1 – 35, 7

Monatsthema: In der Korrektur des Herrn leben
Predigtthema: Heimkehr

Bibelstelle: 2.Mose 34, 1 – 35, 7

Verfasser: Thomas Richter

Ein Predigttipp enthält Hilfestellungen für die Verkündigung und ersetzt deshalb nicht das eigenständige Erarbeiten des Bibeltextes und Studieren von Bibelkommentaren (Hinweise hierzu unter „6. Hilfen zur Auslegung und Anwendung“).

1. TEXT- UND PREDIGTZUSAMMENHANG

Mose hatte Israel „alle Worte des Herrn und alle Rechtsbestimmungen“ kundgetan und das Volk hatte darauf bekannt: „Alles, was der Herr geredet hat, wollen wir tun und gehorchen“ (2Mose 24,1-11). Darauf stieg Mose allein auf den Berg Sinai hinauf, um die Gesetzestafeln zu empfangen (24,12-18). Aber während Mose oben auf dem Berg die Gesetzestafeln empfing, bricht das Volk im Tal bereits die Ordnungen Gottes (32,1-6). Als Zeichen des Bundesbruches zerbricht Mose die Tafeln des Gesetzes (32,15-24), tritt aber in den „Riss“ zwischen dem Volk und dem Herrn, indem er Fürbitte für das Volk mitten im Gerichtshandeln Gottes übt (32,7-14; 32,25-33,6). Nur über Mose kann das Volk in dieser Situation noch mit dem Herrn in Verbindung treten (33,7-23). Damit das Volk wieder heimkehren (= Predigtthema) kann zum Herrn, ersetzt der Herr die zerbrochenen Tafeln des Gesetzes und erneuert den Bund mit Israel (2Mose 34,1-35,3). So folgt auf Gottes geoffenbarte Herrlichkeit gegenüber Mose nun seine gewährte Vergebung gegenüber dem Volk und seine wiedergespiegelte Herrlichkeit gegenüber Mose.

Die Predigttexte im März veranschaulichen uns an Hand des Volkes Israel, dass nur eine „Bekehrung“ Leben ermöglicht. Der Prozess der Bekehrung umfasst die Bereitschaft und den Vollzug der Abkehr (32,1-14), Auskehr (32,15-35), Umkehr (33,1-23), Heimkehr (34,1-35,3) und Rückkehr (35,4-36,7). Die einzelnen Predigttexte sind von daher immer nur Bestandteile eines größeren Zusammenhangs (Bekehrung), den es vor Augen zu stellen gilt, damit wir auch wirklich „in der Korrektur des Herrn leben“ (= Monatsthema). Aber wo der Herr korrigierend ins Leben eingreift (= den „Rotstift“ ansetzt), da wird Bekehrung möglich. Entsprechend dem gegenwärtigen Standort im Prozess der Bekehrung fällt sein zurechtbringendes und korrigierendes Handeln unterschiedlich aus.

2. TEXT- UND PREDIGTANMERKUNGEN

A. Gottes erneut gewährte Vergebung (34,1-10)

Der Herr begleitet seine Kinder nicht wie ein Polizist, der Kriminelle bewacht, sondern wie ein Vater, der seine Kinder erzieht. Was in 33,19-23 verheißen wurde, geht nun in Erfüllung, weshalb in den V. 6f davon auszugehen ist, dass der Herr hier selbst redet (vgl. 33,19).

In V. 6b geht der Herr eine Selbstverpflichtung ein, die auf drei Merkmalen seines Wesens beruht:
a) Er ist der Erbarmende: „barmherzig“ – der hebr. Ausdruck „rachum“ meint wörtl. die Empfindungen einer Frau, die schwanger ist und zum erstenmal das Kind im Mutterleib spürt. Das wendet nun Gott auf sich an und verdeutlicht, dass er nicht kalt und unbewegt bleiben kann, wenn er an seine verlorenen und verirrten Kinder denkt. Hier kommt die ganze göttliche Zuwendung zur menschlichen Schwachheit zum Ausdruck.
Deshalb ist er auch der Gnädige, denn während das Erbarmen die Güte ist, die eine Mutter der Frucht ihres Leibes erweist, so ist „gnädig“ nun ein Ausdruck der väterlichen Güte. Er wird nicht müde wieder aufzuhelfen und zurecht zu bringen.
b) Er ist der Langmütige – wörtl. „lang an den Nasenlöchern = langsam zum Zorn“. Der Herr hat einen langen Atem (= Geduld). Wir sind oft ungeduldig mit den Menschen, aber der Herr hat Geduld mit uns und davon leben wir
c) Er ist der Treue und der Wahre – während wir oft wackeln, steht unser Herr.

Nach V. 7b ist zu beachten, dass Vergebung die Bestrafung nicht einfach aufhebt, „aber diese Bestrafung ist auch nicht mehr Gericht, sondern ist Erziehung Gottes. Weigert euch nicht dagegen! Diese Folge meiner Sünde lässt Jesus mir deshalb, weil ich auf diese Weise klein bleibe, und ‚Gottes Kind werden‘ heißt ‚klein bleiben‘. Ein Kind ist doch klein! Willst du groß werden bei Jesus? Dann bist du nicht mehr bei ihm! So bleibe ich klein und werde ein Kind, das Ihn täglich braucht. Calvin, der Genfer Reformator, sagte einmal: ‚Die Gläubigen fürchten die Beleidigung Gottes durch unsere Sünde mehr als seine Strafe.‘ Ein gewaltiges Wort!“ (Walter Tlach, Predigten in der Ordnung des Kirchenjahres. S. 187)!

Was Mose vom Herrn gehört hat, ist die Herrlichkeit Jahwes und deshalb fällt er vor dieser „Gewichtigkeit“ nieder um dem Herrn die Ehre zu erweisen, die ihm gebührt (V. 8)

In V. 9 ist auf die Pronomen zu achten. Mose betet im Hinblick auf die Schuld: „Vergib uns aber dennoch unsere Schuld und Sünde“. Obwohl er sich nicht des Ungehorsams gegen Gott schuldig gemacht hatte, identifizierte sich Mose mit dem Volk (vgl. Esra 9, Dan 9). Mose nimmt das was der Herr sagt ernst und macht sich daran fest (vgl. V. 9 mit V. 7a).

In V. 10 kündigt der Herr an, dass er Wunder tun will. „Das Wort wunderbar hat im Hebräischen einen Unterton, den wir im Deutschen nicht mehr so empfinden. Das Wort bedeutet zunächst einfach ‚unbegreiflich‘. Das ist ein kleiner Unterschied. Das heißt: Jesus führt oft unbegreifliche Wege. Ein Unfall, ein Leid, eine Kündigung im Betrieb, eine gescheiterte Ehe – das ist unbegreiflich. Und erst nach langen Jahren sehe ich: Unbegreiflich war es, ja aber es ist wunderbar ausgegangen“ (vgl. Jes 28,29b; nach Tlach, S. 187).

B. Gottes erneut gewährte Wegweisung (34,11-28)

Nach erneuten 40 Tagen in Gottes Gegenwart bringt Mose nun die „Zehn Gebote“ (V. 28) zurück. Eine gewaltige Gabe Gottes, denn sie zeigen nicht nur den rechten Weg, sondern auch das der Herr wieder zu seinem Volk redet. Zur Bedeutung des Redens Gottes vgl. 5Mose 32,47; Röm 10,17. „Denn das Gesetz wurde durch Mose gegeben; die Gnade und die Wahrheit ist durch Jesus Christus geworden. Niemand hat Gott jemals gesehen; der eingeborene Sohn, der in des Vaters Schoß ist, der hat ihn kundgemacht“ (Joh 1,17f).

C. Gottes erneut gewährte Herrlichkeit (34,29-35,3)

Mose erfährt nun eine doppelte Beglaubigung durch den Herrn: Durch das Wort in seinen Händen und den Glanz auf seinem Angesicht. Wer in der Gegenwart des Herrn lebt und beim Herrn verweilt, der erfährt eine Veränderung. Das Wort Gottes selbst unterliegt keinen Veränderungen, aber der Glanz auf Moses Angesicht war nicht von Dauer. Doch wenn er wieder in seiner Nähe geweilt hat, lag der Abglanz der Gegenwart des Herrn wieder auf ihm. Bei Mose konnte man feststellen, woher er kam – ist das bei uns auch so?

„Warum trug Mose einen Schleier? Nicht deshalb, weil er das Volk ängstigte, sondern weil sich die Herrlichkeit verflüchtigte (2Kor 3,13). Die Juden sahen diese Herrlichkeit als etwas Wunderbares und Aufregendes, doch was würden sie sagen, wenn sie wüssten, dass sie langsam wich? Wer folgt schon gerne einem Führer, der seine Herrlichkeit verliert? Deshalb ging Mose in das Zelt, um mit Gott zu sprechen, und die Herrlichkeit kehrte zurück, aber dann trug er wieder den Schleier, damit das Volk nicht sah, das die Herrlichkeit verschwand“ (Erklärungsversuch von Warren W. Wiersbe. Sei befreit: In der Nachfolge Gottes zur Freiheit gelangen. S. 171).

Hansjörg Bräumer dagegen schreibt: „Im alltäglichen Umgang entzog Mose den Glanz seines Angesichts den Blicken der Israeliten. Er verhüllte sein Gesicht, um ’nicht Neugier und Vorwitz zu provozieren‘ Das Bedecken seines Angesichts ist ein Ausdruck der Bescheidenheit und Demut des Mose. Von Mose heißt es später: ‚Er war demütiger als alle Menschen der Erde‘ (4Mose 12,3). Mose prahlte nicht mit seinem Glanz, er benutzte auch seinen Glanz nicht um zu blenden“ (S. 361).

Die Erklärung von Bräumer fügt sich gut in den unmittelbaren Kontext (34,30b) und das Verständnis von Wiersbe in 2Kor 3,13 erscheint etwas eigenwillig (vgl. zu 2Kor 3,13 die Erklärungen der MacArthur Studienbibel). Allerdings sollte der Frage nach dem Schleier kein breiter Raum in der Predigt eingeräumt werden, da diese Frage gegenüber dem, was Mose in der Gegenwart Gottes erfährt, sekundär ist (vgl. 4Mose 12,7f; Joh 1,14.17f; 15,9-7; 2Kor 4,6).

3. TEXT- UND PREDIGTSCHWERPUNKT

Wir können nur heimkehren zum Herrn, weil der Herr selbst uns heimsucht. So setzt eine Heimkehr zuerst eine Heimsuchung voraus. Zuerst muss der Herr herabsteigen, damit Mose wieder hinaufsteigen kann um das rettende Wort Gottes für das Volk wieder neu zu empfangen. Eine zweite Chance ist möglich, aber nur weil der Herr uns entgegenkommt.

Diesen Schwerpunkt gilt es in der Predigt aufzuzeigen, wobei auch dieser atl. Text wieder christologisch (vgl. 2Kor 3,12-18; 4,6) zu verkündigen ist (von Mose zu Christus; vgl. 5Mose 18,15+18 mit Apg 3,18-23; 7,37; 5Mose 34,10).

Da der Text sehr lange ist, empfiehlt es sich den Schwerpunkt auf die Verse 1-10 + 29-35 zu legen und den Mittelteil nur im Überblick wiederzugeben – allerdings sollte er wegen dem strukturellen Aufbau des Gedankenganges (vgl. Predigtgliederung) nicht vernachlässigt werden. Die Empfehlung lautet die Verse 11-28 inhaltlich zu bündeln und nur die Verse 27f als Zusammenfassung zu lesen. Der Vorschlag für die Textlesung im Gottesdienst lautet damit: 2Mose 34,1-10 + 27-35.

4. TEXT- UND PREDIGTVERANSCHAULICHUNG

Zum Einstieg: „Eines Sonntagmorgens weckte eine Mutter ihren Sohn und sagte ihm, es sei Zeit, zur Kirche zu gehen, worauf er antwortete: ‚Ich geh da nicht hin‘. ‚Warum nicht?‘, fragte sie. ‚Ich nenne Dir zwei gute Gründe‘, sagte er. ‚Erstens mögen die mich nicht, und zweitens mag ich sie nicht‘. Seine Mutter erwiderte: ‚Ich nenne dir zwei gute Gründe, warum du zur Kirche gehen solltest. Erstens bist du 52 Jahre alt, und zweitens bist du der Pfarrer‘.
Eines Morgens erwachte Mose und wusste, es würde ein schwerer Tag werden. Vielleicht wollte er ebenso ungern an diesem Tag zum Gottesdienst wie jener Pfarrer. Aber ebenso wenig kam er darum herum. Es sollte ein sehr spezieller Gottesdienst werden, nur Gott und er, allein auf dem Berg Sinai, ein Gottesdienst für zwei Personen, das ist selbst für pommersche Verhältnisse eine überschaubare Angelegenheit. Aber nicht das schreckte Mose ab. Er war ja schon öfter Gott allein begegnet. Was ihn abschreckte, war die Hoffnungslosigkeit dieses Gottesdienstes. Was sollte da herauskommen? Das Tischtuch zwischen Gott und dem Volk Israel war zerschnitten. Die Tafeln waren zerschlagen. Mose hatte das Volk aus dem ägyptischen Konzentrationslager befreit. Gott selbst hatte ihn dazu berufen und ermächtigt. Gott hatte den Ägyptern einen gehörigen Schrecken eingejagt, sie eingeschüchtert, mit Plagen überzogen. Gott hatte sie durch das Schilfmeer geführt und die Verfolger ertränkt. Gott hatte sie in der Wüste versorgt. Gott hatte ihr Murren und Meckern klaglos ertragen, klagloser als Mose. Gott hatte ihnen ein neues Leben in einem Land versprochen, in dem Milch und Honig fließt, frei, Herren ihres eigenen Lebens, ohne Angst. Gott hatte selbst die Worte des Bundes in zwei Steintafeln gegraben: Ich bin der Herr, euer Gott, der euch aus Ägypten befreit hat. Und er hatte ihnen zehn Regeln mit den Weg gegeben: So werdet ihr in der neuen Freiheit zurechtkommen: Achtet die Eltern, besonders die Alten. Gönnt Euch den freien Tag. Schützt das Leben, gerade das schwache. Respektiert Eigentum. Seid treue, verlässliche Ehepartner. Belastet euer Vertrauen nicht durch Lüge. Neidet niemandem, was er hat. Und vor allem: Lasst Euch nicht mit anderen Göttern ein, die euch nie helfen werden. All das hatte Gott getan. Was hatte er unterlassen, ihnen seine Güte und Großzügigkeit zu beweisen? Nichts! Und der Dank? Noch während Gott dem Mose die Tafeln übergab, waren sie untreu geworden. Gott war ihnen einfach zu fern und zu unsichtbar. Sie wollte Gott greifbar. Und Gott greifbar – das hieß: sie nahmen allen Schmuck, alles Gold, das sie hatten und gossen sich einen sichtbaren Gott, ein goldenes Kalb, um das sie tanzen konnten. Und wie sie tanzten. Und dann blieb es nicht beim Tanzen. Sie verehrten das Kalb, der Alkohol floss, die Grenzen schmolzen. Gottes Enttäuschung war maßlos, sein Schmerz gewaltig, und aus Enttäuschung und Schmerz wurde Zorn. Und Mose zerschlug die beiden Tafeln, die von Gott eigenhändig beschrieben waren, am Fuß des Berges. Das ist der Stand der Dinge.
Machen wir uns nicht vor: Die zerschlagenen Tafeln sind doch eindeutig; da geht nichts mehr. Es gibt solche letzten Schritte: da wirft einer den Ring, den es bei der Hochzeit gab als Zeichen der Liebe und Treue, in den Fluss. Es ist vorbei mit Liebe und Treue. Da fordert eine die Liebesbriefe zurück, die sie ihm einst schrieb und übergibt sie den Flammen. So verdichten sich die Dinge, wenn alles aus und vorbei ist. Und Mose weiß: Es ist aus und vorbei. Wir sind treulos gewesen und Gott hat uns gekündigt.
Und nun soll er noch einmal rauf auf den Berg, ganz allein, in der Kühle des Morgens, nur er. Er geht hinauf, Gott kommt herab. Er ist da und doch nicht zu packen, verborgen in der Wolke, nicht sichtbar und nicht fassbar wie das Kalb. Mehr bekommen wir auf Erden eben nicht.
Das ist die Ausgangsbasis. Wir kehren gleich zu Mose und seinem seltsamen Morgengottesdienst zurück. Zuvor will ich eine Frage mit Euch durchspielen: GIBT ES EINE ZWEITE CHANCE?
Das ist die Frage. Und wer sie jetzt schnell und fromm mit “ja“ beantwortet, hat sie noch nicht in aller Härte gestellt bekommen. Gibt es eine zweite Chance im Leben? […]
In allen irdischen Zusammenhängen ist das höchst unsicher: Wer betrogen hat, dem wird gekündigt. Der Job ist weg. Wer fest hängt, hängt fest. Fehlstarts führen zur Disqualifizierung. Kinder gehen ihrer Wege. Schulden müssen bezahlt werden. Lebensstile können die Gesundheit irreparabel schädigen. Partner lassen sich scheiden. […]. Zweite Chancen sind rar. Und bei Gott? DER GOTT DER ZWEITEN CHANCE
Das ist das eine, das ich Euch heute sagen möchte. Schaut auf diesen Herrn. Mose steigt also zum Berg hinauf. Und Gott steigt zum Berg hinunter. In der Wolke spricht er zu Mose, bevor Mose auch nur den Mund aufmacht. Und noch einmal stellt sich Gott selbst vor und klärt die Verhältnisse: …“ (nach Michael Herbst: http://www.greifbar.net/GreifBarPlus-132.128.0.html).

Zu V. 7: „Wir könnten ja sagen: Nun gut, Gott kündigt uns nicht die Freundschaft. Er gibt immer wieder zweite, dritte und tausendste Chancen. Aber wie ist es nun mit der falschen Berufswahl, der zerbrochenen Liebe, den Kindern auf falschen Wegen, den finanziellen Schulden, der verspielten Gesundheit? Das wird doch nicht einfach heil, wenn wir mit Gott wieder im Reinen sind, oder?
Eine bittere und eine süße Auskunft: Ich habe mich gequält mit diesem Vers: Aber ungestraft lässt er niemand, sondern sucht die Missetat der Väter heim an Kindern und Kindeskindern bis ins dritte und vierte Glied! Mehr als einmal habe ich gedacht: nimm einen anderen Text! Straft Gott? Wie passt das zu seinem Erbarmen, seiner Gnade, Geduld und Treue? Kommt jetzt das Kleingedruckte?
Ich weiß es nicht. Ich ringe mit diesem Vers. Aber ich habe einen ersten Zugang, und vielleicht steckt damit etwas Trost in diesen harten Worten: Wenn wir mit unseren Brüchen und Nöten heimkehren zu Gott und offene Arme vorfinden, dann bleibt eben doch, was wir lebten, an uns hängen, und zuweilen schleppen wir die Lasten unserer Väter und Mütter mit uns, und zuweilen geben wir selbst Lasten an unsere Kinder und Kindeskinder weiter. Und ganz offensichtlich nimmt Gott das alles nicht einfach weg. Wir liegen in Gottes Armen, aber leben nicht im Schlaraffenland. Die Fehlstarts, die wir uns geleistet haben, bleiben Teil unseres Lebens. Die Folgen unserer falschen Entscheidungen gehören weiter zu der Form, die unser Leben angenommen hat. Mose wird das gelobte Land nicht sehen, die Hauptschuldigen der Affäre um das Goldene Kalb werden gerichtet. Das gilt im Großen wie im Kleinen: wir, die Kinder und die Enkel, leben mit den Folgen der Schuld unserer Väter und Großväter. Wir können das nicht von uns schieben als Deutsche. Uns widerfuhr große Gnade, 1945 Befreiung von der selbstgewählten Diktatur, Neuanfang, wir wurden wieder zugelassen zur Völkergemeinschaft. Uns widerfuhr Gnade von Gott, aber zugleich tragen wir an der Schuld und Strafe. Vertreibung, Misstrauen bei Nachbarn, Reparation, Teilung der Heimat. Wir trugen an Schuld und Strafe. Und das zu Recht. Und Geschichte geschieht nicht, ohne dass Gott sie zulässt und lenkt. Auch im Kleinen gilt das: Er nimmt nicht einfach weg, was geschah. Es bleibt unser Leben. Wenn wir zur Beichte gehen, wird bereinigt, was uns von Gott trennte, wenn wir aufeinander zugehen, werden Beziehungen geklärt. Und doch müssen die irdischen Schulden bezahlt werden. Es bleibt unser Leben. Und manches geben wir wiederum weiter an unsere Kinder, nicht nur Gutes, auch Lasten, Nöte, Einschränkungen. Das hört erst auf, wenn Jesus kommt und alles neu macht, oder wenn wir gehen und in Gottes Reich heimkehren. Bis dahin ist es unser Leben: auch dass wir tragen an dem, was war. Das ist das Bittere.
Und das Süße: Gottes letztes Wort ist nie seine Strafe. Gottes größte Tat ist nicht, was der uns auflädt und zumutet, was er auf uns lasten lässt. Denn in allem sagt er: Und doch lasse ich Dich nicht. Mich jedenfalls sollst Du auf Deiner Seite wissen. Und das ist mehr als Worte. Und so steht neben diesem bitteren Satz über Strafe etwas Neues: Wunder kündigt Gott dem Mose an. Großtaten seiner Macht. Kreative Überraschungen. Unerwartbare Türöffnungen. Unverdiente zweite Chancen auch im Irdischen. Ein neues Kapitel wird aufgeschlagen, mit dem wir nicht mehr rechneten. Denn der Gott der zweiten Chancen meint es ernst: Wir sind heimgekehrt, wir haben ja gesagt zu den Lasten, die wir dennoch tragen mussten, und plötzlich öffnet er eine neue Tür: nach allem Scheitern finden wir eine neue Liebe, beruflich tun sich unerwartete Chancen auf, das verlorene Kind öffnet einen Spalt seines Herzens, Schulden schmilzen dahin, nach unserem Fehlstart werden wir erneut auf die Laufbahn gerufen und dürfen noch einmal starten. Unser Volk erfuhr Versöhnung mit Frankreich, Polen und Israel. Und die Mauer fiel. Der Gott der zweiten Chance hat Möglichkeiten, von denen wir kaum zu träumen wagen. Mose darf hineinschauen ins verheißene Land, und das halsstarrige Volk zieht noch einmal durch einen Fluss, hinein ins gelobte Land, völlig unverdient und ungeschuldet. Der Gott der zweiten Chance hat es getan“ (nach Michael Herbst: http://www.greifbar.net/GreifBarPlus-132.128.0.html).

Zu V. 29ff: „Mose ging hinein vor dem Herrn, um ‚mit ihm zu reden‘! Er begehrte, in Gottes Nähe zu sein und suchte zuerst den Herrn selbst. Von dem jungen Bodelschwingh las ich es: Der Kleine konnte nicht einschlafen. So ging er auf dem dunklen Flur und sah noch Licht in Vaters Arbeitszimmer. Er trat ein, stand im Türrahmen, und Vater fragte ihn: ‚Was willst du, mein Junge? Er antwortete: ‚Nichts, Vater; ich wollte nur zu dir!‘ Diese Nähe Gottes ist heilsam, da weht die gute Luft tiefen Vertrauens; da ist Erholung im Frieden Gottes. Das brauchen wir mehr als alles andere“ (entnommen aus Karl Heinz Knöppel. Auf dem Weg mit Gottes Volk. S. 151f).

5. PREDIGTGLIEDERUNG

Heimkehr ist möglich, denn
a) der Herr geht den Weg zu uns (34,1-10)
b) der Herr zeigt den Weg für uns (34,11-28)
c) der Herr verändert uns auf dem Weg (34,29-35,3)

Gottfried Voigt:
a) Er macht einen neuen Anfang
b) Er vergibt alte Schuld
c) Er geht mit in die Zukunft

6. HILFEN ZUR AUSLEGUNG UND ANWENDUNG

Hansjörg Bräumer. Das zweite Buch Mose: Kapitel 19-40. Wuppertaler Studienbibel. Wuppertal: R. Brockhaus, 1999. S. 346-363.