Esra

Predigthilfe vom 21. Februar 2021 – Esra 9-10 (in Auszügen)

Predigtthema:         Gott will uns ganz – und verbietet falsche Gemeinschaft

Die Erarbeitung dieser Predigt erfordert etliche Stunden an Vorbereitung. Zu eurer Unterstützung enthält diese Predigthilfe deshalb Hinweise für eure Verkündigung, ersetzt aber nicht euer eigenständiges Erarbeiten des Bibeltextes. Bei der Vorbereitung dieser Predigt suchen wir nach dem, was der Herr über den Predigttext durch uns sagen will, denn wir verkündigen nur die Botschaft, die uns persönlich auf der Basis des Predigttextes aufs Herz gelegt wird. Nur wo der Herr uns das Herz gefüllt hat, da haben wir etwas zu sagen, da nur dann gilt: „Wer euch hört, hört mich“ (Lk 10,16a)!

1. Sehen, was dasteht

Verschiedene Bibelübersetzungen um mit dem Predigttext vertraut zu werden findet man z.B. unter www.bibleserver.com (Luther 1984 / Revidierte Elberfelder Bibel / Hoffnung für alle / Schlachter 2000 / Neue Genfer Übersetzung / Gute Nachricht Bibel / Einheitsübersetzung / Neues Leben Bibel / Neue Evangelistische Übersetzung).

1.1 Allgemeine Hinweise zum Predigttext

Hinweise zu Einleitungsfragen zum Buch Esra finden sich in der Predigthilfe zum 03.01.2021.

Zum Abschluss der Predigtreihe nehmen wir uns Kapitel 9 und Kapitel 10 des Esra-Buches vor. Die beiden Kapitel hängen ganz klar zusammen und schildern einen Handlungsstrang: Die Entlassung der fremden Ehefrauen, das Bußgebet Esras und das Schuldbekenntnis des Volkes.

Exegetisch gibt es zwei besondere Schwierigkeiten in unserem Textabschnitt: Zum einen die Frage der Chronologie, wann spielen Esra 9 und 10? Wie stehen sie im Verhältnis zur Gesetzeslesung in Nehemia 8? Als Zweites die Frage: Wie ist Esra 10,15 zu verstehen? Bei was widersetzten die vier Israeliten sich, war ihre Haltung falsch oder richtig?

Außerdem gibt es zwei theologische Herausforderungen, denen man sich bei der Textauslegung stellen muss: Zum einen die Frage nach der kollektiven Schuld. Wie kann Esra sich mit dem Volk als schuldig identifizieren, inwieweit gilt die Schuld eines Volkes für das ganze Volk? Als Zweites die Frage: Wie ist die Spannung zwischen dem Scheidungsverbot und dem Verbot der Heirat von kanaanitischen Frauen zu bewerten? Warum war es falsch, ausländische Frauen zu heiraten und ist die Scheidung hier biblisch gesehen überhaupt der richtige Schritt?

Diskutiert werden die Punkte unter 1.3.

1.2 Hilfen zum Verständnis des Predigttextes

Hilfen zur Auslegung bieten z.B.

  • Klaus vom Orde, Die Bücher Esra und Nehemia, Wuppertaler Studienbibel
  • Antonius H.J. Gunneweg, Esra
  • H. G. M. Williamson, Esra. Nehemiah, Word Biblical Commentary
  • D. J. Clines, Ezra. Nehemiah. Esther, The New Century Bible Commentary
  • F. Charley Fensham, The Books of Ezra and Nehemiah

1.3 Anmerkungen zum Verständnis des Predigttextes

Wann spielen Esra 9 und 10?

  • Der Abschnitt beginnt mit „als“ oder „nachdem“, was auf den ersten Blick nahelegt, dass Esra 9 und 10 direkt nach Esra 8 spielen. Allerdings wird diese Verknüpfung häufig auch bei Texten verwendet, die nicht chronologisch nacheinander folgen, um die Textpassagen in Zusammenhang zu stellen. Hier sehen wir aus dem Text: Die Israeliten kamen im 5. Monat, im 7. Jahr des Königs in Jerusalem an (Esra 7,8). In Kapitel 10 lesen wir, dass wir am 20. Tag des 9. Monats sind, also mindestens vier Monate später, wenn wir mal davon ausgehen, dass die Geschichte noch im gleichen Jahr spielte.
  • Einige Kommentatoren gehen davon aus, dass Nehemia 8,1-18, die Toraverlesung durch Esra, in der Zwischenzeit spielte, also zwischen Esra 8 und 9 einzuordnen ist. (So beispielsweise Klaus von Orde oder Williamson). Es werden dort nur wenige Gründe genannt, vor allem wird darauf hingewiesen: Es wäre doch seltsam, wenn Esra vier Monate lang nichts tat und erst dann auf die Mischehen aufmerksam machte. Außerdem fehlt in Esra 9-10 eine Verlesung des Gesetzes auf die die Buße die Antwort wäre, wo Neh 8 gut hineinpassen würde, vor allem, da Neh 8 im 7. Monat spielte (eine Jahresangabe fehlt leider).
  • Ich würde mich hier allerdings den Kommentatoren anschließen, die Nehemia 8 nicht zwischen Esra 8 und 9 einordnen (so beispielsweise Fensham). Erstens lassen sich die vier Monate Zwischenzeit zwischen Esra 8 und 9 auch gut anders erklären. Vielleicht reiste Esra zuerst in Israel umher, um zu untersuchen, wie die Situation aussah. Vielleicht musste er zuerst sein eigenes Haus bedürftig aufbauen. Das ist natürlich spekulativ, aber es scheint mir kein allzu großes Problem zu sein, dass er die Problematik der Mischehen erst nach vier Monaten ansprach. Zweitens scheint mir das Fehlen einer Gesetzesverlesung hier im Text nicht darauf hinzuweisen, dass Neh 8 hier geschehen sein muss. Es ist sicherlich davon auszugehen, dass Esra als Priester und Schriftgelehrter öfters predigte und auf verschiedene Missstände hinwies oder auch ermutigende Predigten hielt. Wir müssen also davon ausgehen, dass hier in Esra 9-10 nur von einer besonders wichtigen Situation erzählt wird – was nicht heißt, dass Esra dazwischen das Volk nicht auf Gott hinwies und genauso predigte. Außerdem sprechen noch zwei Argumente dafür, Neh 8 nicht hier einzuordnen. Wenn die Gesetzeslesung aus Neh im siebten Monat vor Esra 9 gewesen wäre, würde das wiederum die Frage aufwerfen: Warum dauerte es nach der ausführlichen Gesetzesvorlesung und scheinbaren Umkehr des Volkes noch zwei Monate, bis Esra 9 passierte? Und wieso war Esra in Esra 9 noch so entrüstet und bestürzt, wenn ihm die Missstände doch schon Monate zuvor klar und deutlich waren? Ich gehe also davon aus, dass Neh 8 erst einige Jahre später spielt und nicht vor Esra 9 anzusetzen ist.

Esra 9,1-4: Die Israeliten bekennen ihre Schuld Esra

Warum kommen die Oberen zu Esra und klagen das Volk und sich selbst an?

  • Wie aus dem Nichts kommen auf einmal einige der Oberen des Volkes zu Esra, um ihm das Problem der Mischehen zu klagen. Was ist davor passiert? Wir wissen es natürlich nicht genau, aber wir können sicher davon ausgehen, dass Esra ab und zu Abschnitte aus dem Gesetz las oder rezitierte und Predigen hielt, die möglicherweise der Ausgangspunkt für dieses Schuldbekenntnis waren.

Wer kam zu Esra?

  • Hier wird von den Oberen des Volkes, von den Fürsten gesprochen. Interessant ist, dass die Oberen ja unter anderem die Oberen (Vers 2) anklagen. Also entweder kamen einzelne Leiter und Älteste des Volkes zu Esra, denen missfiel, was die anderen Leiter taten. Oder aber, was mir hier näherliegend scheint, es kamen die Obersten gemeinsam zu Esra, weil sie erkannt und gesehen hatten, was sie selbst und das ganze Volk für Schuld auf sich geladen haben. Für diese zweite Deutung spricht, dass hier im Kapitel durchgehend von kollektiver Schuld ausgegangen wird, die das ganze Volk Israel betrifft – nicht nur Einzelne von ihnen.

Wer wird von den Obersten angeklagt?

  • Es wurde ganz Israel angeklagt: sowohl das Volk, als auch die Priester und die Leviten. Explizit werden die Obersten und Herren genannt, die mit schlechtem Beispiel vorangingen (Vers 2). Das war wohl das Besondere an dem Bekenntnis: Nicht nur das ganze Volk wird angeklagt, sondern die Leiter bekennen letztlich ihre eigene Schuld, dass sie schlechte Vorbilder für das Volk waren.

Was genau war die Schuld der Israeliten, warum war es falsch, ausländische Frauen zu heiraten?

  • Zuerst müssen wir überlegen: Was sagt die Bibel allgemein zum Thema Hochzeit mit Ausländern? Es gibt einige Beispiele, in denen Ausländer geheiratet werden, die nicht negativ sind: Mose heiratete eine Midianiterin, Zippora (2Mose 2,21). In 4Mose 12 klagen Aaron und Mirjam Mose an, weil er eine Kuschiterin geheiratet hat, aber Gott greift ein und bestraft sie dafür. Aber die Diskussion in 4Mose 12 zeigt schon, dass diese Frage umstritten war. Auch das Beispiel von Ruth, eine Moabiterin, die durch ihren israelitischen Mann zum Glauben an den wahren Gott kam, ist hier ein positives Beispiel. Es gibt sogar ein positives Beispiel unter den Ur-Einwohnern Israels: Rahab und ihre Familie wurde von dem Bann bewahrt, glaubte an Gott und wurde im Volk Israel akzeptiert (Josua 2). Diese Rahab war dann sogar eine Vorfahrin Jesu (Mt 1,5).
  • Andererseits gibt es genauso kritische Stimmen gegen das Heiraten von Ausländern im Alten Testament: So ist es schon Abraham ein Anliegen, dass Isaak keine kanaanitische Frau heiratet (1Mose 24). Esau nahm Frauen der Hetiter, was Isaak und Rebekka zu schaffen machte (1Mose 26,34). In 5Mose 7,1-4 wird die Hochzeit mit Ausländern verboten, allerdings geht es dort um die Völker Kanaans. Mit ihnen sollten sich die Israeliten auf keinen Fall zusammentun oder heiraten (ebenso 2Mose 34,11-17). Auch später zu der Königszeit wird immer wieder deutlich, wie gefährlich die Hochzeiten mit ausländischen Personen sind, weil dadurch Könige anderen Göttern nachfolgten (z.B. Salomo oder Ahab). Was war der Grund für diese Verbote? Der Grund dafür ist durchgängig: die unterschiedliche Kultur und Religion. Die Sorge war eine religiöse Vermischung und ein Weggehen von Gott. Manche schließen aus diesen unterschiedlichen Aussagen, dass prinzipiell die Ehe mit Ausländern nicht verboten war, sondern dass es nur im Blick auf die kanaanitischen Völker diese Regel gab, was man aus 5Mose 7 herleiten könnte. Allerdings würde das nicht dazu passen, dass hier in Esra 9 beispielsweise auch die Heirat mit ägyptischen Frauen angeklagt wurde. Wie lässt sich also dieser unterschiedliche Befund verstehen?
  • Meine Lösung: Ich denke, dass ein grundsätzliches Verbot der Hochzeit von Ausländern galt, was sich aus 5Mose 7 oder Esra 9 her klar ergibt. Allerdings ist dafür die Begründung entscheidend: die Gefahr der Religionsvermischung. Natürlich gab es zu jeder Zeit einzelne Fälle, wo Personen aus anderen Völkern gläubig wurden, zu Gott umkehrten und so die Hochzeit mit ihnen erlaubt war (siehe die gerade aufgezählten Beispiele). In den Fällen war es auch kein Problem. Wenn man wirklich zu Gott umkehrt und sich beschneiden ließ, wurde man sozusagen als Israelit anerkannt (2Mose 12,48). Die Schwierigkeit war nur, wenn Ausländer geheiratet wurden, die ausdrücklich weiter ihre Götter verehrten und nicht ganz zum israelitischen Gott umkehrten und ihren Göttern nicht den Rücken kehrten.
  • Hier in Esra wird also vor allem kritisiert, dass willkürlich und massenweise Ausländer geheiratet wurden und dadurch die wahre Religion mit vielen anderen Göttern und kulturell-religiösem Denken vermischt wurde. Als Begründung werden auch hier explizit die Gräuel der Völker genannt, also ihre abergläubischen Schandtaten (wie Tempelprostitution 1Kön 14,24 oder Kinderopfer 2Kön 16,3). Deswegen heißt es, dass der heilige Same vermischt wurde. Diese Formulierung unterstützt keine Rassentheorie, dass man von der Rasse her Jude sein musste – was bei genannten positiven Gegenbeispielen gar keinen Sinn ergeben würde. Es bezieht sich stattdessen auf die heilige Nachkommenschaft, die für Gott ausgesondert ist, also diejenigen, die an ihn glaubten, was speziell das Volk Israel war, wo aber Einzelne aus anderen Völkern hinzuzählen konnten. Die Formulierung des heiligen Samens knüpft hier vermutlich an Jes 6,13 an, wo von dieser heiligen Nachkommenschaft prophezeit wird. Diese Begründung würde auch erklären, weshalb in Esra 10 jeder einzelne Fall und jede Ehe einzeln geprüft wurde und es dadurch einige Zeit dauerte. Ich gehe davon aus, dass man genau überprüfen wollte, ob es vielleicht doch einzelne Personen anderer Völker gab, die wirklich vollständig und ganz zu Gott umgekehrt sind – auch wenn das bei der großflächigen Vermischung bei den meisten vermutlich nicht der Fall war.

Mit wem vermischten sich die Israeliten alles?

  • Hier werden zuerst die Kanaaniter, Hetiter, Perisiter, Jebusiter genannt, das sind die ursprünglichen Einwohner Kanaans. Die Begriffe standen ursprünglich für einzelne Volksgruppen in Kanaan, werden aber alle teilweise auch für die kompletten Einwohner Kanaans verwendet.
  • Außerdem vermischte man sich mit umliegenden Völkern, den Ammonitern, Moabitern, Ägyptern und Amoritern. Die Vielfalt der Vermischung zeigt, dass die Israeliten keinen Wert darauf legten, ihrem Gott nachzufolgen, sondern die Religion völlig wild mit den Religionen anderer Völker vermischten.

Warum werden hier nur Männer angeklagt, die ausländische Frauen nahmen?

  • In 5Mose 7 wird deutlich, dass das grundsätzliche Verbot zur Hochzeit von Ausländern (von dem es einzelne Ausnahmen geben konnte), sowohl für Männer und Frauen galt. Warum wird hier also nur von Männern gesprochen, die Schuld hatten? Manche Kommentatoren spekulieren, dass Frauen, die ausländische Männer hatten, keine Schuld hatten, weil die Zugehörigkeit zum Volk Gottes durch die Mutter weitergegeben wurde, wie es teilweise bis heute im jüdischen Volk ein verbreitetes Verständnis ist (so Klaus von Orde). Das scheint mir aber nicht sinnvoll. Gerade, wenn man die Begründung durchwegs im Alten Testament ansieht, zeigt sich, dass es um die Gefahr der Religionsvermischung ging, dass die Gräuel der Völker übernommen werden – wie es hier im Text auch gesagt wird. Was könnte eine andere Erklärung dafür sein, dass hier nur Männer angesprochen werden? Eine mögliche Erklärung wäre, dass es einfach tatsächlich zumindest zum großen Teil Männer waren, die Ausländer heirateten. Wie es häufig bei Flüchtlingsströmen bis heute ist, zogen wahrscheinlich auch damals zuerst viele junge Single-Männer zurück nach Israel, um dort alles aufzubauen. Es herrschte also ein Männerüberschuss, was ein zusätzlicher Anreiz gewesen sein könnte, ausländische Frauen zu heiraten.

Wie drückte Esra seine Trauer aus?

  • Als Esra das gesagt bekam und ihm die Härte der Situation bewusst wurde, drückte er auf verschiedene Weise seine Trauer aus. Zuerst zerreißt er seine Gewänder. Dann schert er sich Haare und Bart. Und als Drittes setzt er sich bestürzt nieder. Alles drei waren Zeichen der Entrüstung, des Zorns und der Trauer, die auch als Zeichen der Buße vorkamen. An vielen Stellen sehen wir in der Bibel ähnliche Reaktionen: Hiob 1,20, Jes 22,12, Jer 16,6 oder Hes 7,18.

Wie hatten die Israeliten ihren Treuebruch erkannt?

  • Es wird hier vor Esra 9 von keiner Gesetzeslesung oder Predigt berichtet. Allerdings kann durchaus davon ausgegangen werden, dass im persönlichen Gespräch und öffentlich sicher gepredigt wurde. Auch wenn uns das nicht berichtet wird, ist in diesen vier Monaten seit der Ankunft sicher einiges passiert, da Esra Reformen anstoßen wollte – sodass nun die Schuld der Mischehen erkannt wurde. Ein Treuebruch ist dieses Vergehen deshalb, weil durch die Mischehen Religionen vermischt wurden und dadurch die Treue zu Gott gebrochen wurde.

Was war das Abendopfer?

  • Esra saß bestürzt da bis zum Abendopfer. Das Abendopfer war zur neunten Stunde, also um 15 Uhr. Das Abendopfer war eine beliebte Zeit zum Beten, so beispielsweise auch bei Daniel 9,21.

Esra 9,5-15: Das Bußgebet Esras für das Volk

Vers 5-7: Esra beschreibt seine Bestürzung

Zerreißt Esra nochmals seine Kleider?

  • In Vers 5 wird nochmal gesagt: Esra stand auf und zerriss seine Kleider. Das ist vermutlich als Einleitung zum Gebet nur als Wiederholung und nicht als ein zweites Kleider-Zerreißen zu verstehen: Er stand auf in seinen zerrissenen Gewändern und fiel dann zum Beten auf die Knie.

War das Niederknien eine übliche Gebetshaltung?

  • Meistens wird in der Bibel mit ausgebreiteten und erhobenen Händen gebetet (2Mose 9,29; 2Mose 17,11f; 1Kön 8,22; Ps 28,2). Es gab aber vermutlich sehr unterschiedliche Gebetshaltungen, je nach Kultur und Zeit. Möglicherweise kam die Gebetshaltung des Niederkniens erst nach dem Exil stärker auf – ganz sicher ist das aber nicht. Durch das Niederknien macht Esra deutlich, dass er sich vor Gott erniedrigt.

Warum spricht er zu „meinem Gott“?

  • Es fällt auf, dass Esra sich zwar ganz mit unter die Schuld stellt und von „unserer Schuld“ spricht, dass er aber gleichzeitig persönlich zu seinem Gott betet. Er persönlich tritt im Gebet vor Gott, sozusagen als Vermittler zwischen Gott und dem schuldigen Volk. Es klingt der Text aus 2Mose 32,11-14 an, wo Mose eine ähnliche Rolle spielt und zu Gott betet, nachdem die Israeliten das goldene Kalb gemacht und angebetet haben. Auch Mose tritt als Vermittler dazu, bringt die Schuld vor Gott, bittet um Vergebung und erinnert an die Geschichte.

Gibt es Kollektivschuld, wenn Esra sich solidarisch mit unter die Schuld stellt?

  • Schon an der Reaktion Esras, aber noch stärker an seinem Gebet wird deutlich: Esra stellt sich mit dem ganzen Volk unter das Urteil und bekennt die Schuld als „unsere“ Schuld. Gibt es Kollektivschuld? Juristisch gesehen darf es keine Kollektivschuld geben, sondern jeder muss Verantwortung für seine eigene Schuld tragen. Niemand darf für die Schuld eines anderen juristisch belangt werden. Wenn allerdings ein Volk als Ganzes Verbrechen begeht, kann durchaus von einer Kollektivschuld gesprochen werden, wie das in Deutschland häufig im Blick auf die NS-Zeit getan wird. Das heißt natürlich nicht, dass jeder Einzelne Deutsche damals oder heute juristisch dafür belangt werden kann und Schuld getan hat. Aber es heißt, dass das Volk als Ganzes eine große Schuld auf sich geladen hat und das Volk als Ganzes dafür Buße tun kann. Wenn man zu einer Gruppe oder einem Volk gehört, das Schandtaten macht, kann man nicht persönlich dafür belangt werden (außer im Sinn der Kollektivhaftung, die es gibt, wenn die ganze Gruppe Mittäter ist). Trotzdem kann man sich wie Esra hier mit unter die Schuldanklage stellen – wenn eine Gruppe oder ein Volk bestraft wird beispielsweise nach einem Krieg für Kriegsverbrechen, haben die Strafen teilweise auch Auswirkungen auf alle. Ähnlich ist es, wenn Gott ein Volk für seine Gottlosigkeit straft und ins Exil führt wie bei Israel. Dann trifft das das ganze Volk, auch wenn Einzelne eigentlich Gott nachfolgten.

Warum wird in Vers 6 zweimal von Schämen gesprochen?

  • In Vers 6 steht zweimal Schämen: Ich schäme mich und bin beschämt. Durch die Doppelung wird deutlich, dass Esra zutiefst zerknirscht und traurig war. Er schämt sich davor, überhaupt sein Gesicht zu erheben.

Warum wiederholt Esra die Geschichte?

  • Esra wiederholt nun die Schuld in der Geschichte, um dann auf Gottes bisherige Gnade zu sprechen zu kommen. Dadurch wird die erneute Schuld noch größer und schlimmer. Esra schildert, was für schlimme Konsequenzen der Bundesbruch hatte und wie Gott sie in die Hand der Feinde gegeben hat zur Plünderung und zur Schande. Die Folgen waren deutlich zu spüren gewesen. Gott ist gerecht und bestraft und so rechnet Esra nun wieder damit, dass Gott strafen wird – auch wenn in den nächsten Versen gleichzeitig die Gnade Gottes durchklingt.

Vers 8-9: Das Erbarmen Gottes

Wie erklärt Esra die Rückkehr Israels?

  • Esra erzählt nun weiter aus der Geschichte: Gott war doch noch gnädig. Es gibt Entronnene, einige Gerettete. Eigentlich waren die Niederlage und die Wegführung die gerechte Konsequenz, Israel hätte es nicht verdient, weiter zu bestehen. Aber Gott ist nicht nur gerecht, sondern auch gnädig: Und so ließ er doch einige übrig und ermöglichte die Rückkehr. Es gibt einen kleinen heiligen Rest (Jes 4,3). Durch diese Schilderung werden die erneute Schuld und Abwendung von Gott umso schlimmer. Gleichzeitig klingt ein klein wenig Hoffnung mit: Vielleicht, vielleicht ist es doch möglich, dass Gott nochmal Gnade zeigt!

Was ist mit dem festen Halt an der heiligen Stätte gemeint?

  • Es ist nicht ganz klar, worauf dieses Bild und der Vergleich abzielen. Das Ergebnis ist allerdings klar: Gott hat einen festen Halt gegeben, er hat den Tempelaufbau wieder ermöglicht, neue Heimat gegeben, Gott hat Sicherheit geschenkt.
  • Das Bild wird unterschiedlich gedeutet: 1. Es könnte um einen Zeltpflock wie bei Nomaden gehen, die damit ihre Zelte befestigten, aber auch zeigten: Dieses Gebiet gehört mir (Jes 54,2ff). 2. Es könnte um einen Pflock wie ein Nagel gehen, an dem etwas aufgehängt wird und der es festhält (Jes 22,22-25). 3. Es könnte ein Pflock sein wie die Kupferpflöcke an den Vorhängen der Stiftshütte (2Mose 27,19). Egal, welches Bild im Hintergrund steht und worauf Esra hier anspielen wird, es ergibt sich daraus, dass Gott eine neue feste Grundlage geschaffen hat, dass der Tempel wieder steht.

Was heißt es, dass die Augen wieder aufleuchteten?

  • Das Aufleuchten der Augen steht übertragen dafür, dass Gott Rettung schenkte, zurückführte, den Aufbau ermöglichte und Schutz gab. Das zeigt sich in dem Aufleuchten der Augen derer, die fröhlich sind über die Hilfe Gottes.

Welche Könige von Persien sind hier gemeint?

  • Gott hat den Israeliten die Gunst der Könige von Persien zugesichert, schildert Esra. Damit meint er vermutlich zuerst Kyrus, unter dem die erste Rückführung geschah. Dann Darius, unter dem der Tempel gebaut wurde. Und dann Artaxerxes, unter dem Esra die zweite Rückführung durchführte. Diese Gunst Gottes wurde in Kapitel 1-8 geschildert und zeigt auf, wie traurig es ist, dass die Israeliten die Gunst Gottes nicht zu schätzen wussten und ihm die Treue brachen.

Von welchem Steinwall/Schutzmauer ist hier die Rede?

  • Esra spricht von einem Steinwall oder einer kleinen Mauer, die Gott den Israeliten gegeben hat. Was ist hiermit gemeint, die Mauer um Jerusalem wurde doch eigentlich erst 13 Jahre später unter Nehemia gebaut? Dieser Vers ist ein Grund, weshalb manche überlegen, ob Esra nicht vielleicht nach Nehemia spielte (siehe die Einleitung in der Predigthilfe zum 03.01.). Das scheint mir aber nicht naheliegend. Ich denke, dass es hier um eine Metapher geht. Zum einen steht hier nicht das Wort für Mauer, sondern eher ein Wort für Steinwall, Mäuerchen. Zum anderen wird gesagt, dass Gott diesen Wall um Jerusalem und Juda zog – die Mauer später wurde ja nur um Jerusalem und nicht um ganz Juda gebaut. Deshalb ist die Wendung meiner Ansicht nach hier metaphorisch zu verstehen: Gott hat einen Wall um uns gelegt, er schützt und bewahrt uns!

Vers 10-14: Schuldbekenntnis

Wie zeigt sich der Umbruch zu Vers 10?

  • In Vers 10 beginnt Esra mit „und nun“. Jetzt geht’s zur Sache, jetzt zieht er die Konsequenz. Jetzt, nach all dem eben Genannten, wiegt die Schuld umso schwerer.

Was meint Esra mit „was sollen wir sagen“?

  • Zuallererst drückt sich im Schuldbekenntnis die Hilfslosigkeit und Ratlosigkeit Esras aus. Er weiß: Wir haben keine Hilfe und Gnade mehr verdient. Wir haben wieder den Bund gebrochen. Was soll Esra jetzt überhaupt noch sagen? Er traut sich kaum, mit Gott zu sprechen. Gottes Gebote wurden wieder vergessen und missachtet.

Woher kommt das Gebot, das Esra hier zitiert?

  • Weiter oben wurde schon ausführlich die Frage behandelt: Warum war die Hochzeit mit den ausländischen Frauen so schlimm, welche Bibelstellen gibt es dazu? Esra beruft sich hier wohl auf 5Mose 7,4, der Vers klingt deutlich an. Da Mose als Prophet angesehen wurde (5Mose 18,15), passt es auch, dass Esra dieses Gebot einem Propheten zuschreibt.

Was meint Esra mit der Verschonung?

  • Esra betont nochmal: Gott hat uns nicht so bestraft, wie wir es eigentlich verdient hätten. Aus reiner Gnade sind wir nun wieder in Israel. Und trotz dieser unglaublichen Gnade sündigt Israel weiter. Deswegen geht Esra Ende Vers 14 davon aus: Gott bleibt nichts anderes übrig, als uns endgültig zu vertilgen und auszurotten. Anders haben wir es nicht verdient.

Vers 15: Die Sprachlosigkeit als Ergebnis des Gebets

Warum bittet Esra nicht um Vergebung?

  • In Vers 15 kommt Esra zum Ergebnis. Er stellt fest: Gott ist gerecht, aber hat trotzdem Israeliten übriggelassen und aus Gnade aus dem Exil errettet. Aber Israel steht nun wieder in der Schuld vor Gott und hat keine Möglichkeit, in der Schuld vor Gott zu bestehen. Esra kann nur die Schuld vor Gott bringen und eingestehen: Wir haben es nicht verdient, dass du uns nochmal verschonst. Die Möglichkeit der Gnade scheint ausgeschöpft. Vermutlich traute sich Esra auch deswegen noch nicht, um Vergebung zu bitten, weil sich die Buße erst in tätiger Reue erweisen musste. Zuerst mussten die Frauen entlassen werden, die Israeliten mussten zeigen, dass sie wirklich umkehren wollten. Vielleicht wäre dann ja noch eine kleine Hoffnung auf Gnade.

Esra 10, 1-6: Das Schuldbekenntnis des Volkes und Versprechen zur Änderung

Warum wechselt Esra 10 von der 1. zur 3. Person?

  • Inhaltlich schließt Esra 10 nahtlos an Esra 9 an, die beiden Kapitel sind als eine gemeinsame Geschichte anzusehen. Warum also wechselt die Person der Erzählung auf einmal zur 3. Person? Es gibt sehr unterschiedliche Thesen und Begründungen für den Personenwechsel hier und an anderen Stellen in Esra. Manche sagen, das sei ein Hinweis auf unterschiedliche Quellen, die zusammengefügt wurden. Andere sagen, eine ursprüngliche Quelle wurde im Nachhinein verändert und angepasst, um ein Teil aus der Außenperspektive der 3. Person zu erzählen – was aber keinerlei Belege in Textfunden hat. Deutlich ist: Der ursprüngliche Autor von Esra-Nehemia (vielleicht Esra selbst) verwendete Quellen und Aufschriebe. Ich halte die Vorstellung für plausibel, dass Esra 9 ein Gebet war, das Esra selbst schon aufgeschrieben hatte. Der Autor nahm diesen Aufschrieb und schilderte das Weitergehen der Geschichte dann in der 3. Person. Möglich ist aber auch, dass Esra selbst in seinen Mitschrieben schon einen Personen-Wechsel hatte. Sicher rekonstruieren lässt sich das nicht mehr – was aber klar ist, ist, dass so ein Wechsel von einer 1. zur 3. Person nichts Ungewöhnliches war in der Literatur damals. Zum Beispiel das später anzusiedelnde Buch Tobit aus den Apokryphen wechselt ähnlich häufig und nicht ganz nachvollziehbar von der 1. zur 3. Person.

Wer nahte sich in Esra 10,1 und weinte mit?

  • Da in Esra 9 schon einige der Obersten – vermutlich die Gottesfürchtigen – zu Esra kamen, ist davon auszugehen, dass ein paar Personen schon dabei waren und mit Esra gemeinsam beteten. Vermutlich gingen das Gebet, die Trauer und die Buße länger und nur ein kleiner Abschnitt ist überliefert: Denn Stück für Stück kamen mehr Israeliten dazu, die davon Wind bekamen. Wenn hier von Gemeinde die Rede ist, bezieht sich das auf die kultische Gemeinde, das von Gott berufene Israel. Viele Israeliten kamen dazu, bekamen erklärt, worum es ging und stimmten in das Weinen mit ein.

Wer war Schechanja?

  • Wer war dieser Schechanja, der nun die Stimme erhob und für das Volk die Sünde bekannte? Er wird hier benannt als Sohn Jehiels, von den Söhnen Elams. Die Söhne Elams waren eine große Sippe, die schon in Esra 2 erwähnt wird, von denen viele zurück nach Israel kamen. Es gab allerdings zwei verschiedene Elams und ihre Sippen (Esr 2,7.31). Auch in Esra 8,7, bei der zweiten Rückkehr, kamen von einer der Sippen Elam nochmal 70 Männer mit nach Israel. In Esra 8,2-5 tauchen auch zwei andere Schechanjas auf, die aber anderen Sippen zugeordnet werden. Interessant ist, dass ein Jehiel aus der Sippe Elams in Esr 10,26 als einer der Schuldigen im Mischehenfall genannt wird. Es ist natürlich nicht ganz sicher, ob das der gleiche Jehiel ist, da viele Namen häufiger vorkamen. Allerdings könnte es gut sein, dass somit der Vater von Schechanja eine ausländische Frau hatte und nun sein eigener Sohn einer derer war, die die Schuld bekannten.

Was genau bekannte Schechanja?

  • Ohne Entschuldigung oder Beschönigung sagte Schechanja: Wir sind untreu gewesen, wir haben ausländische Frauen geheiratet. Die Schuld wird offen bekannt.

Wie kommt Schechanja nun zu dem Hoffnungswort?

  • Schechanja schließt das Bekenntnis ab, indem er sagt: Es gibt trotzdem noch Hoffnung für Israel! Wie kommt er zu dieser Hoffnung, nachdem das Gebet von Esra in Esra 9 doch eher etwas hoffnungslos klang? Vermutlich erinnerte er sich, wie Esra gebetet hatte, daran, dass Gott schon öfters Gnade erwiesen hatte. Israel hatte es zwar nicht verdient und Gott ist gerecht. Trotzdem hatte er Hoffnung: Vielleicht hat Gott doch noch einmal Gnade, nachdem jetzt viele Israeliten in das Weinen eingestimmt hatten und ihre Schuld erkannten.

Was für einen Bund möchte Schechanja schließen?

  • Bünde sind meistens zweiseitig gedacht: Wir tun etwas, dann muss der andere auch etwas tun. Hier wird aber im Kontext deutlich, dass es nicht um einen zweiseitigen Bund geht. Die Israeliten erwarteten nicht, dass Gott ihnen vergibt, weil sie sich bewusst waren, dass sie es nicht verdient haben. Sie sagten nicht: Wir entlassen unsere Frauen, dann muss Gott uns vergeben. Stattdessen meint Bund hier einfach: Wir verpflichten uns, wir versprechen, wir legen uns fest, wir werden die ausländischen Frauen entlassen. Wir wollen ganz und gar Gott nachfolgen und ihn anflehen, vielleicht ist er uns dann doch gnädig!

Was meint die Wendung „nach dem Rat meines Herrn“?

  • Der hebräische Text vokalisiert hier als Adonai, womit Herr auf Gott bezogen wird. Andererseits gibt es die Schrift des 3Esr, wo die Formulierung auf Esra bezogen wird, dort heißt es nämlich „dein Rat“. Ist mit dem Rat des Herrn nun Esras Rat oder Gottes Rat gemeint?
  • Ganz sicher lässt sich das nicht entscheiden, vor allem, da der Rat Esras und der Rat Gottes hier ja übereinstimmen. Esra berief sich in Esra 9 auf die Gebote Gottes, nach denen die Heirat mit ausländischen Frauen untersagt ist. Mit den hebräischen und älteren Texten tendiere ich dazu, die Aussage hier auf Gott zu beziehen – dass Schechanja sagt: So wie Gott uns vorgeschrieben hat, sie nicht zu heiraten, so wollen wir es nun machen und uns trennen. Aber letztlich stimmt dieses Gebot hier auch mit Esras Rat überein.

War es überhaupt richtig, sich von den Frauen zu scheiden?

  • Eine Frage möchte ich hier kurz einschieben: War es überhaupt richtig, die Scheidungen und Entlassungen anzugehen? War das wirklich der Rat Gottes – nur weil er die Ehe verbietet? Auf den ersten Blick scheint der Text klar zu kommunizieren, dass dies der richtige Schritt war. Trotzdem wirft sich die Frage auf: Gab es nicht ein Scheidungsverbot? Das Einführungsvideo von BibelProjekt auf Youtube kommt deshalb zum Ergebnis: Die Scheidungen waren der Tiefpunkt der Geschichte, weil gerade das Gott nicht wollte! Esra handelte hier gegen Gottes Willen.
  • Dazu ist anzumerken: Im Alten Testament war Scheidung nicht grundsätzlich untersagt, sondern es wurde nur geregelt, wie Scheidungen laufen sollten bzw. was Gründe dafür sein könnten (5Mose 24,1-4). Jesus erklärt uns später, dass diese Gebote wegen der Hartherzigkeit der Menschen gemacht wurden – Scheidung war natürlich nie gedacht oder erhofft, aber wenn es zur Scheidung kam, sollten zumindest die Frauen geschützt sein, dass eine rechtmäßige Scheidung durchgeführt wurde. In gewissen Fällen galt ein Schutz vor Scheidung (5Mose 22). Also eine Scheidung an sich kann zum damaligen Zeitpunkt nicht als falsch angesehen werden – auch im Neuen Testament gibt es besondere Fälle, in denen Scheidungen erlaubt sind. So geht beispielsweise 1Kor 7 darauf ein, dass ein ungläubiger Partner sich von dem gläubigen trennen darf, dass die Scheidung aber nicht von dem gläubigen Partner ausgehen solle. Allerdings ist das nicht mit dem Alten Testament und den Umgang mit anderen Völkern zu vergleichen, im Gegenteil wird in diesem Fall ausdrücklich geschildert, wie gefährlich die Mischehen für die Israeliten waren, da sie sie von Gott wegbrachten bzw. zur Religionsvermischung führten. Im Text gibt es hier keine Hinweise, dass die Scheidungen falsch waren (außer vielleicht der sehr umstrittene Vers 15). Esra ruft explizit zu den Scheidungen auf (Esra 10,11) und beruft sich dabei in Esra 9 auf die Gebote Gottes. Es gibt keinen Hinweis, dass er die Gebote hier falsch interpretiert. Außerdem wurde es sehr sorgfältig geprüft und in jedem einzelnen Fall entschieden, was die Dauer bis zu den Trennungen zeigt. Deswegen gehe ich davon aus: Die Mischehen werden hier im Text als Sünde und Tiefpunkt bezeichnet, weil viele Israeliten sich dadurch zu anderen Göttern hinwandten. Die Trennung war deshalb in diesem Fall der richtige Schritt.

Wie ist die Aufforderung an Esra in Vers 4 zu verstehen?

  • Schechanja spricht nun direkt zu Esra und sagt: Steh auf! Nimm diese heikle Mission in die Hand, kümmere dich darum. Wir werden mit dir sein und tun, was du sagst. Sag uns, was genau wir tun sollen!
  • Außerdem ermutigt er Esra nochmal explizit und sagt: sei getrost. Führ es aus. Er macht ihm Mut und sichert ihm zu: Wir wollen jetzt wirklich Reue zeigen, auf dich und Gott hören und ausführen, was zu tun ist. Diese Verse klingen an Jos 1,5-9 an, wo Gott auf ganz ähnliche Weise Josua ermutigt und auffordert, das Land in Besitz zu nehmen.

Warum nahm Esra einen Eid ab, ist Schwören nicht verboten?

  • Esra nahm einen Eid ab von den Leviten, Priestern und dem ganzen Volk, dass sie dieses Bekenntnis auch wirklich umsetzen würden und nicht am nächsten Tag ihre Meinung wieder änderten. Jesus sagt im Neuen Testament zwar, dass wir nicht schwören sollen (Mt 5,33-37 – ich gehe davon aus, dass dort nicht jede Art von Schwur gemeint ist, sondern vor allem assertorische Eide, Behauptungseide), weil unsere normalen Worte schon voll und ganz der Wahrheit entsprechen. Aber im Alten Testament war das Schwören auf jeden Fall noch üblich. Verträge und Bünde hatten im Alten Orient durchgehen die Form eines Eides, also wenn ich einen Vertrag mit jemandem schließe, verpflichte ich mich auf etwas (z.B. 1Mose 31,43-54). Es wurde sogar explizit aufgefordert, bei dem Herrn zu schwören (5Mose 6,13). Im Alten Testament ging es also in erster Linie um promissorische Eide, um Verträge und Bünde zu schließen, ebenso auch den Bund zu Gott. Ich verpflichte mich auf etwas im Vorhinein. Diese Art von Schwören scheint mir auch im Neuen Testament nicht ausgeschlossen und ist in der Praxis unumgänglich, bei jedem Vertrag, den wir abschließen, verpflichten wir uns auf etwas.

Warum und wohin zog Esra sich zurück?

  • Esra zog sich zurück, nach dem anstrengenden Tag brauchte er erstmal seine Ruhe bzw. suchte wahrscheinlich das persönliche Gebet mit Gott. Dazu ging er in die Zelle Johanans, des Sohnes Eljaschib. Da er direkt vom Platz des Hauses Gottes dorthin ging, ist wahrscheinlich, dass es eine Zelle im Tempelbereich war. Dort gab es teilweise kleine Zimmer und Wohnungen für Angestellte, die dort schlafen mussten.

Wer war dieser Johanan, der Sohn Ejaschib?

  • Ist der Johanan der Gleiche wie in Neh 12,10? Dann wäre er der Enkel von Eljaschib und Sohn wäre hier im Sinne von Nachkomme zu verstehen. Allerdings war Eljaschib in Neh 3,1 Hohepriester und es ist zeitlich nicht ganz leicht einzuordnen, dass der Opa von Johanan 13 Jahre später unter Nehemia Hohepriester war, während Johanan selbst hier bei Esra schon eine eigene Zelle hatte. Da beides häufige Namen sind (beide Namen tauchen auch in Esra häufiger auf), ist auch möglich, dass es einfach andere Personen waren. Gleichzeitig ist es aber nicht unmöglich, zeitlich zu vereinbaren. Wenn wir rechnen, dass Eljaschib früh ein Kind bekam und auch sein Sohn früh ein Kind bekam, müssen hier nicht mehr als 40-50 Jahre vergangen sein. Dann wäre es durchaus möglich, dass Eljaschib mit 65 zur Zeit Nehemias noch Hohepriester war, auch wenn sein Enkel zur Zeit Esras schon am Tempel wohnte und mitarbeitete, vor allem, da wir wissen, dass Kinder von Priestern teilweise schon früh mit am Tempel sein durften. Es lässt sich nicht ganz sicher entscheiden, aber mir scheint naheliegend und möglich, dass es sich um die gleichen Personen wie in Neh handelt.

Warum hungerte Esra nun?

  • Eigentlich hatte Esra einen erfolgreichen Tag hinter sich. Trotzdem wird ausdrücklich erwähnt, dass er in dieser Zelle immer noch trauerte und das mit einem Trauerfasten verband und nichts aß. Fasten war ein möglicher Ausdruck von Buße und Trauer. Und auch wenn nun die Hoffnung war: Das Volk will umkehren, war Esra nach wie vor in Trauer über die Schuld und den Bundesbruch. Auch hier gibt es wieder eine Parallele zu Mose, der auch nach dem Bundesbruch und der Bundeserneuerung fastete (5Mose 34,28).

Esra 10,7-17: Die Vollversammlung des Volkes und Bereitschaft zum Handeln

Wer ließ die Vollversammlung des Volkes einberufen?

  • In Vers 7 wird in der 3. Person Plural gesagt: Sie ließen einen Ruf ergehen. Ging die Initiative zur Versammlung von Esra aus oder von den Obersten gemeinsam? Die 3. Person Plural kann auch einfach mit „man“ wiedergegeben werden, was hier wohl am sinnvollsten ist: Esra beschloss es wohl, gemeinsam mit den Obersten, aber alle möglichen Boten etc. ließen den Ruf dann durch Israel erschallen.

Reichten die drei Tage Schonfrist?

  • Da Juda zu der Zeit nicht allzu groß war, hatte vermutlich niemand mehr als 50km nach Jerusalem zurückzulegen. Das sollte gut in einem, maximal zwei Tagen erreichbar sein, somit wurden drei Tage Frist gegeben, bis alle Israeliten in Jerusalem sein sollten.

Was war die Strafe, wenn jemand nicht zur Vollversammlung kommen würde?

  • Die Strafandrohung könnte kaum schlimmer sein: Sowohl Konfiszierung des ganzen Vermögens, wozu die Israeliten nach Esr 7,26 vom König ausdrücklich ermächtigt waren, als auch Ausschluss aus der Gemeinde. Das war zwar nicht die Höchststrafe, es gab keine Todesstrafe. Aber der Ausschluss aus der Gemeinde und der Verlust des ganzen Besitzes war natürlich fast genauso schlimm und ermutigte sicher die Israeliten alle zu kommen.

Wo versammelten sich die Israeliten?

  • Die Israeliten versammelten sich auf dem großen Platz vor dem Tempel Gottes. Vielleicht ist das der gleiche Platz wie derjenige am Wassertor (Neh 8,1), ganz sicher ist es aber nicht, um welchen Platz es sich hier handelt.

Wann versammelten sich die Israeliten und warum gab es die Regenflüsse?

  • Die Versammlung geschah am 20. Tag des neunten Monats, also des Kislev. Wir sind somit Mitte Dezember. Die Zeitangabe ist hier wichtig, da es gerade zu dieser Zeit viele Regengüsse gab. Damit wird hier bei der Erzählung gespielt: Durch den Regen und die Kälte war es nicht nur innerlich wegen des Inhalts ungemütlich, sondern auch äußerlich. Inneres und äußeres Erzittern kamen zusammen.

Was ist damit gemeint, dass die Schuld vermehrt wurde?

  • Esra macht damit nochmal deutlich: Nachdem Gott gnädig war und euch errettet hat, habt ihr nun weiter gesündigt und fremde Frauen geheiratet. Dadurch wurde die Schuld noch mehr angehäuft, das ist noch schlimmer wegen der vorher geschehenen Heilstaten.

Wie ist die Aufforderung zum Bekenntnis/Loblied in Vers 11 zu verstehen?

  • In Vers 11 fordert Esra die Israeliten wörtlich auf, Gott zu ehren, ihm ein Loblied zu singen. In mehreren Kontexten, so auch hier, wird die Formulierung wohl so verwendet, dass gemeint ist: Legt ein Geständnis zu Gottes Ehre und zu seinem Lob ab. Gebt ihm recht. Indem sie ihre Schuld bekennen, stimmen sie Gottes Urteil zu und geben ihm recht, was ein Gotteslob ist. Das Bekennen der Schuld und das Handeln nach Gottes Gebot ist das schönste Loblied in Gottes Ohren.

Wie reagiert die Gemeinde?

  • Die ganze Gemeinde antwortet mit lauter Stimme, dass sie genau das tun wollen. Alle waren sich gewiss: Wir wollen nun ganz Gott nachfolgen!

Wie ist Vers 13 zu verstehen, suchen die Israeliten nur eine Ausrede?

  • Vers 13 wird eingeleitet mit „jedoch, aber“, die Israeliten scheinen auf den ersten Blick eine Ausrede zu suchen. Sie sagen: Grad ist Regenzeit, man kann nur wenig draußen stehen, wenig organisieren. Außerdem sagen sie: Das lässt sich nicht in ein bis zwei Tagen durchführen, wir haben viel gesündigt und müssen das Stück für Stück regeln. Auf den ersten Blick klingt das zwar wie eine Ausrede, aber es wird hier im Text keineswegs negativ bewertet. Im Gegenteil war es, denke ich, eher gerade ein realistisches Herangehen. So viele Scheidungen, das brachte ja auch sehr starke soziale und psychologische Konsequenzen mit sich. Sie überlegten, wie sie am besten aus der Sünde rauskamen, ohne zu viel zu zerstören. Außerdem sollten die Ehen einzeln geprüft werden. Deswegen würde ich das hier eher als Zeichen der Ernsthaftigkeit werten. Sie wollen diesen Schritt konsequent gehen und überlegen, wie sie aus der Sünde herauskommen – was nicht immer von heute auf morgen geht.
  • Der konkrete Plan ist nun: Die Obersten sollen sich in allen Städten zusammensetzen, die Ehepaare sollen einzeln zu ihnen kommen, dort sollen sie als Richter entscheiden, wie vorgegangen wird. Vermutlich war es nicht ganz so einfach. Zum einen musste in jedem Fall überlegt werden: Ist das wirklich eine ausländische Frau, die den Israeliten zur Religionsvermischung und letztlich zum Abfall Gottes brachte? Es gab sicher auch viele Fälle, in denen beispielsweise die Abstammung nicht ganz klar war oder eben Personen zum Teil israelitischer Abstammung waren. Zum andern mussten einige Entscheidungen bezüglich Kinder getroffen werden.

Was ist das Ziel der ganzen Aktion?

  • Ende Vers 14 wird das Ziel und sicher auch eine Motivation der ganzen Aktion deutlich: Die Israeliten wollten Gottes brennenden Zorn abwenden. Sie hofften auf unverdiente Gnade und wollten dazu auf Gott hören und die Sünde aus ihrem Leben entfernen.

Was ist mit Vers 15 gemeint, gegen was widersetzten sich einige?

  • Vers 15 ist sehr schwer verständlich und ziemlich umstritten. Lasst uns zuerst die verschiedenen Möglichkeiten anschauen. Das erste Wort kann unterschiedlich übersetzt werden. Es kann einschränkend gemeint sein, dann würde es bedeuten: Nur diese genannten Personen widersetzten sich und machten bei der Reinigungsaktion nicht mit. Es kann aber auch adversativ gemeint sein „aber/jedoch“. Dann gäbe es zwei Möglichkeiten: Diese Personen aber widersetzten sich, weil sie gegen die Scheidungen an sich waren. Oder diese Personen widersetzten sich, weil sie gegen die „Abschwächung“ in Vers 13 waren und das zu lasch empfanden. Aber auch das Verb kann unterschiedlich gemeint sein: Es kann entweder bedeuten: Sie widersetzen sich, sie standen dagegen auf. Oder auch: Sie standen dafür auf, sie traten dazu, in dem Sinn, dass sie Esra bei seinem Vorhaben unterstützen, das würde nur Sinn ergeben, wenn man das erste Wort nicht adversativ übersetzt, sondern einschränkend: Nur diese vier Männer als Oberste standen Esra und seinem Vorhaben bei.
  • Bevor wir zu einer Antwort kommen, was hier gemeint ist, muss zuerst kurz überlegt werden: Wer waren diese vier Personen eigentlich? Jonatan und Jachseja waren die ersten Widerständer, Meschullam und Schabbetai standen ihnen als Leviten bei. Von den ersten beiden genannten lesen wir sonst nirgends etwas. Es gibt zwar weitere Jonatan, aber keiner, der als Sohn Asaels bezeichnet wird. Meschullam taucht noch öfters in Esra und Nehemia auf. Es ist zwar nicht gesichert, dass es der gleiche Meschullam ist, aber gerade in Neh 8,4, wo Esra aus dem Gesetz las und predigte, stand ein Meschullam bei ihm, wo man davon ausgehen kann, dass er auch ein Levit war. Wenn das die gleiche Person wäre, würde das dagegen sprechen, dass Meschullam sich hier gegen das Vorgehen Esras auflehnte. Auch Schabbetai wird in Neh 11,16 als ein Oberster der Leviten bezeichnet, zuständig für den äußeren Dienst am Tempel. Also bei beiden Leviten scheint, dass sie weiter ihren Dienst ausüben konnten (insofern es die gleichen Personen sind).
  • Aus dem Grund, dass die Namen der Personen eher dafür sprechen, dass sie sich nicht gegen Esra auflehnten, würde ich die Deutungen, die hier für ein Widersetzen sprechen, ausschließen. Dann gäbe es nur noch zwei Möglichkeiten: Entweder diese vier Personen widersetzten sich gegen die „Lockerung“ in Vers 13, weil sie ihnen zu lasch war. Oder sie stellten sich als Einzige hinter Esra als Oberste und unterstützten ihn bei den Scheidungen. Beide Lösungen scheinen nicht ganz in den Textfluss zu passen. Gegen die erste Deutung spricht, dass die Verzögerung in Vers 13 keineswegs negativ, sondern eher realistisch scheint und geschildert wird. Gegen die zweite Deutung spricht, dass es nicht wirklich zum Text passt, dass nur vier sich aktiv hinter Esra stellten und ihn unterstützen, wo es doch eigentlich so klang, als seien alle ganz deutlich für die Scheidungen (vgl. auch Vers 17). Am wahrscheinlichsten scheint mir die Deutung, dass sie sich gegen die Verzögerung in Vers 13 stellten, das aber nicht mit gutem Grund. Also es waren etwas „übereifrige“ Personen. Das würde dazu passen, dass Vers 13 nicht negativ geschildert wird im Text, dass aber gleichzeitig diese vier nicht auf einem komplett falschen Weg waren.

Was macht Esra in Vers 16?

  • Vers 16 schließt direkt an Vers 14 inhaltlich an. Der Beschluss wurde gesagt. Die Ausführung geschah nun am 1. Tebeth, des 10. Monats. Also ungefähr eine Woche nach den vorherigen Handlungen. Der hebräische Text weist hier eine Schwierigkeit auf: Einerseits wird Esra als Subjekt genannt, deshalb wird meist übersetzt: Esra wählte sich aus. Andererseits steht das Verb im Plural, also „sie wählten aus“. Grammatikalisch passt das einfach nicht und lässt sich nicht wirklich auflösen, deswegen ist wohl davon auszugehen, dass Esra hier handelte. Esra suchte sich verschiedene Männer und Oberhäupter zusammen, die ihn unterstützten, die Sache untersuchten und festlegten, wie die Scheidungen gut geregelt und durchgeführt werden konnten.

Wie lange brauchte das Ganze?

  • In Vers 17 wird gesagt: Die Scheidungen wurden geregelt und ein Fall nach dem anderen zum Abschluss gebracht, am 1. Tag des 1. Monats, also Nisan, war es dann geregelt und ausgeführt. Somit dauert es nochmal 75 Tage, knapp drei Monate. Das scheint zwar auf den ersten Blick sehr lange. Vor allem, wenn es eigentlich nur 109 Fälle waren, so viele werden in der nachfolgenden Liste aufgezählt. Aber zum einen ist davon auszugehen, dass es mehr als 109 Fälle waren und die Liste nicht ganz vollständig ist (siehe unten). Zum anderen denke ich, dass sie jeden Fall einzeln geprüft und beurteilt haben, inwieweit die Scheidung notwendig ist oder nicht.

Esra 10,18-44: Die Schuldigen-Liste

Wie ist die Schuldigen-Liste eingeteilt?

  • Die Liste ist ähnlich wie die Heimkehrer-Listen eingeteilt. Zuerst die Angehörigen der Hohepriester und der Priester und dann die Laien. Die Sippennamen sind alle bekannt aus Esra 2.

Warum wird nur bei den Priestern auf ein Schuldopfer hingewiesen?

  • Es ist davon auszugehen, dass alle ein Schuldopfer darbrachten. Allerdings war es bei den Priestern besonders wichtig, dass sie das Opfer brachten und wieder rein wurden. Vielleicht wurde es auch einfach nur dort genannt, weil der Autor die Aussage nicht bei jedem Einzelnen wiederholen wollte.

Wie viele Fälle gab es?

  • Wenn man die Fälle zählt, sind es nur 109 Scheidungen. Das scheint relativ wenig, dafür, dass schon in Esra 2 42.000 Personen zurück nach Israel kamen (2,62). Mittlerweile müssten es ja noch deutlich mehr gewesen sein. Für 109 Fälle bei Zehntausenden Israeliten so ein großes Drama? Ich gehe davon aus, dass er mehr Fälle gab. Zum einen ist es möglich, dass nur die Scheidungen bei den Obersten und Oberhäuptern der Sippen genannt wurden. Zum anderen tauchen die Gegebenen (eine große Gruppe) gar nicht auf, bei denen es sicher auch einige Fälle gab. Deshalb ist davon auszugehen, dass es noch mehr Scheidungen gab, was auch die Dauer von den drei Monaten erklären würde.

Warum werden die Schuldigen namentlich genannt, ist das nicht fies?

  • Da die Schuld öffentlich begangen wurde und alle es mitbekamen, wurden sie nun auch öffentlich bloßgestellt. Letztlich bekam eh jeder mit, wenn sich jemand von seiner Frau scheiden ließ.

Was wurde mit den Kindern gemacht in Vers 44?

  • Manche übersetzen Vers 44 so, dass die Frauen und Kinder entlassen wurden. Das scheint mir aber keine passende Übersetzung zu sein, eigentlich heißt es dort im Hebräischen nur noch einmal, dass sie sich fremde Frauen genommen hatten und dass diese ihnen Kinder geboren hatten (so auch die LXX). Was wurde mit diesen Kindern nun gemacht? Das bleibt nicht ganz klar, sicher wurden die teilweise mit den Müttern fortgeschickt, aber es wurde sicherlich auch darauf geachtet, dass sie gut versorgt sind.

2. Verstehen, worum es geht

2.1 Hinweise für hermeneutische Überlegungen (Auslegung)

Wir können aus diesem Text einige Prinzipien für Umgang mit Schuld und Sünde sowie der Gnade lernen. Hier ist aber zu unterscheiden: Damals in der speziellen Situation war die klare Trennung und Scheidung notwendig, in Blick auf Ehen mit ungläubigen Partnern haben wir aus 1Kor 7 andere Regelungen. Daraus zeigt sich auch ein wichtiges Prinzip: Der Umgang mit Schuld und Sünde muss manchmal der Situation angemessen und im Einzelfall realistisch sein. Die Grundlagen, wie Gott handelt, gelten aber noch genauso: Wir können uns Gottes Gnade nicht verdienen. Er zeigt Zorn über Sünde. Ernsthafte Buße sieht ein, dass man ratlos und hilflos vor Gott steht und erstmal kein Anrecht auf Hilfe hat. Zur ernsthaften Buße gehört die tätige Reue. Es gibt Kollektivschuld in gewissem Maße (auch wenn wir kein grundlegend gläubiges Gottesvolk mehr sind wie Israel damals).

2.2 Hinweise für situative Überlegungen (Predigtanlass)

Wir sind an diesem Sonntag am Ende der Predigtreihe zu Esra. Deswegen ist ein kleiner Rückblick oder eine Zusammenfassung sicher nochmal hilfreich. Vor Ort ist zu überlegen: Wie ist die Situation hier gerade (auch in Blick auf Corona). Wo gab es hier möglicherweise Schuld, Buße, Reue, Umkehr? Wo kann Gnade Gottes zugesprochen werden?

2.3 Hinweise für homiletische Überlegungen (Anwendung)

In diesem Teil möchte ich einige Ideen zur Anwendung des Textes geben. Natürlich muss in einer Predigt ein Schwerpunkt gelegt werden. Bei dem langen Text muss man überlegen, was man alles vorliest in der Predigt oder worauf man sich fokussiert. Die Namensliste kann ausgelassen werden. Da Esra 9,1-10,17 eine zusammenhängende Geschichte ist, ist es hier aber schwer, nur einen Teil auszuwählen. Möglicherweise könnte man sich auf das Gebet Esras konzentrieren, wenn es sonst zu lange wird.

Esra 9:

  • Die Oberen kamen, um ihre Schuld zu bekennen. Welche Rolle spielt Schuldbekenntnis bei dir und uns heute? Lassen wir uns von Predigten und Gottes Wort auf Schuld hinweisen und bekennen diese dann auch?
  • Mit wem verheiraten wir uns? Wen man heiratet, von dem wird man auch beeinflusst, deswegen warnt auch das neue Testament davor, ungläubige Personen zu heiraten bzw. sich zu eng mit ihnen zu verbinden (2Kor 6,14ff). Allerdings sehen wir im Neuen Testament in 1Kor 7, dass eine Scheidung von nichtgläubigen Partnern (wenn beispielsweise einer sich bekehrt) nicht notwendig ist. Allerdings darf der nichtgläubige Partner sich vom gläubigen trennen.
  • Was beeinflusst uns negativ oder droht, uns von Gott wegzubringen? Manchmal sind klare Brüche notwendig und gut, damit wir nicht Stück für Stück von Gott wegkommen. Suchen wir manchmal auch unser persönliches Glück und verachten dabei Gottes Gebote?
  • Auch wir sind beauftragt, ein heiliges und reines Volk für Gott zu sein (1Petr 2,9-10).
  • Esra drückte seine Trauer und seinen Zorn auf verschiedene Weise aus: niederknien, fasten, Kleidung zerreißen, Haare ausreißen. Wie drücken wir Trauer oder Buße aus? Haben wir da heute Zeichen und Symbole dafür? Sollten wir manche davon vielleicht wiederentdecken?
  • Die Frage der Kollektivschuld kann behandelt und diskutiert werden. Bei was machen wir uns durch ein „Mitmachen“, „Dabeisein“ oder „Zulassen“ mitschuldig? Können wir fröhlich in einer Gruppe dabeisitzen, die sich betrinkt, die Gott lästert oder die andere offensichtliche Sünden begeht (Vgl. Ps 1,1)?
  • Sind wir noch so bestürzt über Schuld und Sünde, wie es Esra war – sowohl bei eigener als auch bei der von anderen? Sind wir uns bewusst, dass wir Gnade kein bisschen verdient haben? Gnade und Verdienst widerspricht sich ja gerade. Wir können hoffen, dass Gott uns gnädig ist durch Jesus Christus, aber können uns das nie verdienen.
  • Lasst uns Gottes gute Taten und seine Gnade, die wir erlebt haben, niemals vergessen. Denn wenn wir danach wieder sündigen, wie die Israeliten damals, ist es umso schlimmer. Wir können auch geschichtlich aufzeigen, wie gnädig Gott der Menschheit und uns als Volk immer wieder war, dass es uns heute so gut gehen darf – trotz Corona.
  • Gottes Gnade bringt Augen zum Erleuchten – bis heute. Das kann auch als Einladung ausgesprochen werden, seine Schuld ein erstes Mal vor Gott zu bekennen.
  • Erwarten wir als Christen manchmal, dass Gott uns eh vergibt? Oder sind wir noch so bestürzt über unsere Schuld wie Esra, der sich nicht wirklich traut, um Vergebung zu bitten, weil er weiß: Wir haben es nicht verdient?
  • Was lernen wir hier über Leiter? Esra ist frei von irgendwelcher Selbstrechtfertigung. Im Gegenteil, er tritt für andere ein, die gesündigt haben.
  • Röm 2,4: Verachten wir den Reichtum seiner Gnade und Langmut?

Esra 10:

  • Dieses ganze Kapitel kann als Einladung zum Christsein formuliert werden: Selbst die Israeliten damals, die auf ganz falschen Wegen waren, sich von schlechten Dingen beeinflussen ließen, anderen Göttern nacheiferten, die ihr Leben komplett verpfuscht hatten, selbst diese hat Gott nicht einfach in seinem Zorn vernichtet, sondern war ihnen gnädig. Egal, wie verpfuscht dein Leben ist, bei Gott kann es Gnade und Hoffnung geben. Kehr zu Gott um und lass dein Leben in gute Bahnen lenken! Erkenne deine Schuld!
  • Zu ernsthafter Buße gehört immer auch die tätige Reue: Die Israeliten entfernten die Sünde aus ihrem Leben. Damit verdienten sie sich nicht die Gnade, die Gnade Gottes ist kein Verdienst. Aber sie zeigten, dass sie wirklich von Herzen zu Gott umkehrten.
  • Wir können von Schechanja lernen: Bekennen wir unsere Schuld, ohne uns zu entschuldigen oder zu beschönigen? „So schlimm war es doch gar nicht, es war nicht so gemeint, …“
  • Es gibt noch eine Hoffnung – wir wissen aus dem Neuen Testament konkret, was diese Hoffnung ist: 1Joh 1,9: Wenn wir unsere Sünden bekennen, ist er treu und gerecht und vergibt sie!
  • Erzittern wir auch vor Gottes Wort?
  • Schwören, sich verpflichten, Versprechen machen – in welchem Rahmen ist das heute erlaubt? Wo ist es gut, wenn wir uns durchaus für etwas verpflichten, beispielsweise Mitgliedschaft, Mitarbeit, Treue? Wo verpflichten wir uns, gegen Sünde vorzugehen?
  • Wollen wir Gott loben? Das können wir, indem wir Schuld bekennen, ihm Recht geben und nach seinem Willen handeln!
  • Lasst uns bei Sünden und falschen Wegen in unserem Leben realistisch überlegen: Wie können wir uns gut davon trennen? Hau-Ruck-Aktionen sind manchmal nicht hilfreich. Übereifer (Vers 15) ist nicht immer gut.
  • Es braucht auch in unserem Leben die klare Flucht vor Sünde, das betont das Neue Testament immer wieder (1Kor 6,18, 1Tim 6,11, 2Tim 2,22). Oder Kol 3,5-6: „Tötet nun eure Glieder, die auf der Erde sind: Unzucht, Unreinheit, Leidenschaft, böse Lust und Habsucht, die Götzendienst ist. Um dieser Dinge willen kommt der Zorn Gottes.“
  • Sind wir bereit Gott zu gehorchen, auch wenn es teuer und schwer sein kann?
  • Öffentliches Schuldbekenntnis: Für was für Sünden ist es wichtig und gut, sie auch öffentlich zu bekennen in der Gemeinde? (Unterscheidung, öffentliche Sünde, die alle mitbekamen, private Sünde, die niemand mitbekam und wo das Bekenntnis vor einzelnen Freunden und Gott ausreicht).

3. Sagen, wo es hingeht

3.1 Predigtentfaltung – wie sage ich es in dieser Predigt?

Textgliederung:

1.Die Oberen Israels bekennen die Schuld vor Esra und Esra bringt sie für Israel vor Gott (Esra 9)

   1.1 Die Oberen Israels bekennen ihre Schuld Esra (1-4)

   1.2 Esra betet und bekennt die Schuld vor Gott (5-15)

          1.2.1 Esra drückt seine Bestürzung aus (5-7)

          1.2.2 Esra schildert das Erbarmen Gottes in der Geschichte (8-9)

          1.2.3 Esra bekennt die Schuld anstelle des Volkes vor Gott (10-14)

          1.2.4 Esra ist hilflos vor Gott und sieht keinen Anspruch auf Gnade (15)

2.Ganz Israel bekennt die Schuld und ist bereit, sich von andersgläubigen Frauen zu trennen (Esra 10)

   2.1 Ganz Israel bekennt die Schuld und verspricht Veränderung (1-6)

   2.2 Ganz Israel versammelt sich und ist bereit, sich geordnet von den andersgläubigen Frauen zu trennen (7-17)

   2.3 Die Trennungen wurden durchgeführt und aufgelistet (18-44)

Predigtgliederung:

Thema: Gott will uns ganz – und verbietet falsche Gemeinschaft

  1.  Bekennen wir unsere Schuld und sind uns der Ernsthaftigkeit der Schuld bewusst? (Esra 9)
  2.  Sind wir bereit, gegen Sünde anzukämpfen, vor gefährlicher Gemeinschaft und Sünde zu fliehen und uns ganz Gott auszuliefern? (Esra 10)
  3.  Es gibt Hoffnung, dass Gott uns wieder gnädig ist, auch wenn unser Leben ganz in Schuld war und verpfuscht ist. Kehrt um! (Esra 9-10)

Knapper formuliert:

  1.  Ernsthaft Schuld bekennen!
  2.  Mit Leidenschaft gegen Sünde kämpfen!
  3.  Hoffnung auf Gnade – kehrt um!

Alternative Predigtgliederung (nach Jacob Thiessen):

Thema: Die Bestimmung, ein heiliges Volk zu sein, und die Folgen für eheliche Vermischung

1. Die Bestimmung: Ein heiliges Volk (Esra 9,2.14b-15)

2. Die Aufgabe: Keine Vermischung (Esra 9,1-2a.10-14a)

3. Die Folgen: Reinigung und Trennung (Esra 10,2-4.10-11)

3.2 Predigtveranschaulichungen – wie verdeutliche ich es in dieser Predigt?

Das Bild vom Sauerteig:

  • Eine mögliche Veranschaulichung ist das Bild Jesu aus dem Neuen Testament: Hütet euch vor dem Sauerteig (Mt 16,6). Haltet euch rein! Gleichzeitig verwendet Jesus das Bild vom Sauerteig auch für das Gottesreich (Mt 13,33). Wir sollen uns reinhalten, aber wir dürfen wissen: Gottes Sauerteig ist stärker, sein Reich setzt sich am Ende durch!

Mit Leidenschaft gegen Sünde kämpfen:

  • Man kann am Bild des Soldaten anknüpfen (1Tim 6,12). Wir sind Kämpfer des Glaubens als Christen, das heißt auch Kämpfer gegen die Sünde. Wie geht ein Soldat gegen Feinde vor? Nachlässig, halbherzig? Das Bild kann weiter ausgeführt werden.

Klare Trennung kann reinigend wirken:

  • Das Prinzip gibt es in vielen Bereichen der Welt, dass klare Trennung reinigend ist. Beispielsweise Gewitter und Blitze: Es gibt elektrostatische Aufladungen, die dann in dem Blitz entladen werden. Manchmal ist so ein reinigender, entladender Blitz notwendig.

(Samuel Koser)