Matthäus

Predigthilfe vom 20. November 2022 – Matthäus 25, 14-46

Predigtthema: Jesus kommt und bringt alles zurecht

Die Erarbeitung dieser Predigt erfordert etliche Stunden an Vorbereitung. Zu eurer Unterstützung enthält diese Predigthilfe deshalb Hinweise für eure Verkündigung, ersetzt aber nicht euer eigenständiges Erarbeiten des Bibeltextes. Bei der Vorbereitung dieser Predigt suchen wir nach dem, was der Herr über den Predigttext durch uns sagen will, denn wir verkündigen nur die Botschaft, die uns persönlich auf der Basis des Predigttextes aufs Herz gelegt wird. Nur wo der Herr uns das Herz gefüllt hat, da haben wir etwas zu sagen, da nur dann gilt: „Wer euch hört, hört mich“ (Lk 10,16a)!

1. Sehen, was dasteht

Verschiedene Bibelübersetzungen um mit dem Predigttext vertraut zu werden findet man z.B. unter www.bibleserver.com (Luther 1984 / Revidierte Elberfelder Bibel / Hoffnung für alle / Schlachter 2000 / Neue Genfer Übersetzung / Gute Nachricht Bibel / Einheitsübersetzung / Neues Leben Bibel / Neue Evangelistische Übersetzung).

1.1 Hilfen zum Verständnis des Predigttextes

Hilfen zur Auslegung bieten z.B.

  • Gerhard Maier: Matthäusevangelium (Edition C Band 2)
  • Fritz Rienecker: Das Evangelium des Matthäus (Wuppertaler Studienbibel)
  • Gerhard Maier: Das Evangelium des Matthäus. (HTA)
  • Adolf Schlatter: Das Evangelium nach Matthäus. (Erläuterungen zum Neuen Testament 1)

Beachtenswerte Anmerkungen zum Predigttext bieten viele Studienbibeln, z.B. die MacArthur Studienbibel.

1.2 Anmerkungen zum Verständnis des Predigttextes

Das Gleichnis von den anvertrauten Talenten

V. 14: In der Antike war es üblich, dass Großgrundbesitzer ihren Besitz von einem Verwalter betreuen ließen, wenn sie z. B. auf Auslandsreisen gingen (vgl. 24,45). Der Mensch ist der Menschensohn Jesus, die Knechte seine Jünger, das Verreisen meint seine Himmelfahrt und das Übergeben des Besitzes die Verantwortung, die er seinen Jüngern überträgt.

V. 15: Das Talent war die größte damalige Geldeinheit. Ein Talent betrug 10000 Denare, 1 Denar war der Tagelohn eines Arbeiters (vgl. Matth 20,13). Somit war bei allen drei Knechten der anvertraute Geldbetrag sehr hoch. Der Herr verteilt den Geldbetrag und reist dann ab. Jesus hat seine Jünger vor seiner Himmelfahrt damit beauftragt, das Evangelium in alle Welt zu tragen (Matth 28,18-20). Das Talent ist also im übertragenen Sinne Gottes Gnadengabe: das ewige Leben. Der Auftrag an die Jünger lautet, die Botschaft von der unverdienten Gnade weiterzusagen und somit zu vermehren. Für die Gnade Gottes muss niemand arbeiten, sie ist eine unverdiente Gabe Gottes. Aber gerade deshalb nimmt sie auch in die Pflicht: wem viel anvertraut ist, von dem wird man umso mehr fordern (Lukas 12,48).

Dass der Herr die Talente nach den jeweiligen Fähigkeiten der Knechte verteilt zeigt, dass Jesus nicht mehr aufträgt, als jeder nach seinen Begabungen zu leisten fähig ist (vgl. auch Römer 12,3). Zu beachten ist sicher auch, dass die Gnade selbst zum Dienst ausrüstet. Gnadengabe und Gnade gehören zusammen: Gott schenkt Gnade und mit seiner Gnade viele Gnadengaben, die zum Dienst befähigen.

V. 16 – 17: Die ersten zwei Knechte gehen unverzüglich ans Werk und verlieren keine Zeit. Sie wissen, dass ihre Zeit wertvoll ist und der Herr von ihnen einen verantwortungsvollen Umgang mit den anvertrauten Talenten erwartet.

Gewinnen ist ein typischer Begriff aus der Wirtschaftssprache (vgl. Jak 4,13). Es kann also davon ausgegangen werden, dass die Knechte ihr Geld eingesetzt haben und damit auf unterschiedliche Weise Geschäfte machten (z. B. Grundstücksgeschäfte, Ankauf/ Verkauf, Viehhandel, Geschäfte mit Schmuck etc.). Dafür stand ihnen ausreichend Zeit zur Verfügung. Im Neuen Testament erinnert gewinnen aber gleichzeitig an den Missionsauftrag der Jünger, vgl. 1. Kor 9,19: Denn obwohl ich frei bin von jedermann, habe ich doch mich selbst jedermann zum Knecht gemacht, auf dass ich möglichst viele gewinne.

V. 18: Nach talmudischer Lehre ist das Vergraben eines Schatzes die sicherste Art der Aufbewahrung. Der dritte Knecht hat zwar kein Geld verloren, aber entgegen dem Auftrag seines Herrn gehandelt. Auffällig ist, dass dieser Knecht sich nicht seinen Mitknechten anschloss und mit ihnen das Geld vermehrte. Er sondert sich von ihnen ab, bleibt passiv und tut nichts. Er verkennt damit die große Gabe, die ihm völlig unverdient anvertraut wurde. Er geht auf Abstand zu den Mitknechten und zu den Talenten.

V. 19: Wie in den Gleichnissen vorher liegt auch hier das Zentrum in der Aussage: Jesus kommt wieder und hält Gericht. Wie in den Gleichnissen vorher macht Jesus auch hier deutlich, dass eine lange Zeit bis zu seiner Wiederkunft verstreichen wird. Es ist also viel Zeit, um den Auftrag auszuführen. Auch Christen werden sich vor Gericht verantworten müssen für das, was sie mit der ihr anvertrauten Gabe Gottes gemacht haben, vgl. 2Kor 5,10: Denn wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi, auf dass ein jeder empfange nach dem, was er getan hat im Leib, es sei gut oder böse.

V. 20 – 23: Die ersten beiden verdoppeln den Geldbetrag und handeln somit sehr erfolgreich und gewissenhaft.

Das Lob kann mit den Worten recht so!, vortrefflich!, bravo! Übersetzt werden. Es ist ein ermutigendes Lob. Dazu kommt noch die Bezeichnung guter und treuer Knecht! Das Augenmerk liegt bei diesem Lob auf der Treue des Knechts. Entscheidend ist der innere Beweggrund, nicht die Qualität dessen, was der Knecht zustande gebracht hat, vgl. 1. Kor 4,2: Nun fordert man nicht mehr von den Haushaltern, als dass sie für treu befunden werden.

Über weniges warst du treu könnte zum einen den Geldbetrag meinen, der ihm anvertraut wurde. Da 5 Talente aber ein sehr hoher Geldbetrag war, macht es Sinn, das Wenige auf den Auftrag des Knechtes zu beziehen: Er war über einen kleinen Auftrag treu. Es geht hier um die Treue zu seinem Herrn, also seine innere Einstellung, die hier gelobt wird.

Nun besteht die Belohnung zum einen in einem größeren Auftrag. Auch im Himmel werden Nachfolger Jesu nicht untätig sein, vgl. Offb 22,3: …und der Thron Gottes und des Lammes wird in ihr sein; und seine Knechte werden ihm dienen. Zum anderen in einem Freudenmahl. Das geh hinein/ komm legt nahe, dass es nicht nur um Freude an sich, sondern eben um ein Freudenfest/ Freudenmahl im Himmelreich handelt.

Der Knecht, der 2 Talente verdoppelt hat, bekommt exakt das gleiche Lob. Auch hier zeigt sich, dass es dem Herrn nicht um den Erfolg geht, sondern um die Treue zum ihm und seinem Auftrag.

V. 24 – 25: Die Beschreibung des dritten Knechtes ist länger als die der ersten zwei. Hier ist der Höhepunkt des Gleichnisses, wegen dieses dritten Knechts erzählt Jesus das Gleichnis.

Nur der dritte Knecht macht eine Aussage über seinen Herrn. Dafür, dass er nichts getan hat, tritt er sehr forsch auf. Die anderen handeln einfach in Treue und drücken ihre Verbundenheit mit ihren Taten aus. Dieser Knecht dagegen fasst die innere Distanz zu seinem Herrn, die sich schon vorher in seiner Verweigerung zeigte, dem Auftrag zu gehorchen, nun in Worte. Er kennzeichnet seinen Herrn als hart. Damit zeichnet Jesus mit diesem Knecht einen Menschen, der seinen Herrn, also Jesus, in einen völligen Gegensatz zu seinem wahren Charakter setzt: hart, oder anders übersetzt: schroff, grausam, streng, unbarmherzig. In 2Mo 34,2 bezeichnet sich Gott als barmherzig und gnädig, langsam zum Zorn und reich an Gnade und Treue.

Der Knecht wirft ihm vor, Dinge von ihm zu fordern, die ihm nicht zustehen, andere für sich arbeiten zu lassen und ungerechtfertigt die Früchte ihrer Arbeit zu genießen. Jesus sagt aber von sich in Mk 10,45: Denn auch der Sohn des Menschen ist nicht gekommen, um bedient zu werden, sondern um zu dienen und sein Leben zu geben als Lösegeld für viele. Jesus ist ja gerade nicht wie die Religionsstifter, die von ihren Anhänger Opfer verlangen, ohne ihnen dabei irgendetwas zu schenken.

Dass diese Aussage völlig ungerechtfertigt ist, zeigt sich auch daran, dass der Herr gerade diesen Knecht nicht überfordert hatte, denn er gab ihm nur ein Talent, also weniger Verantwortung als den anderen.

Seine Furcht ist folglich ein Zeichen seines Misstrauens. Die Worte erinnern an 1Joh 4, 18: Furcht ist nicht in der Liebe. In den Worten siehe, da hast du das Deine drückt sich auch Selbstgerechtigkeit aus: „Ich habe nichts Falsches gemacht!“, „Ich habe recht gehandelt!“. Und damit drückt er seine Verachtung gegenüber der Gabe Gottes aus, der unverdienten Gnade.

V. 26 – 27: Die Antwort ist ebenfalls länger als bei den zwei ersten. Du böser und fauler Knecht ist genau der Gegensatz zum guten und treuen Knecht. Die Antwort entlarvt seine innere Einstellung. Er ist ein fauler Knecht, der allerlei Gründe vorschiebt, warum er den Auftrag nicht ausgeführt hat und warum er sich nicht zur Tat durchringen konnte.

Die Antwort zeigt aber auch, dass der Knecht, wenn er schon nicht bereit war, etwas für seinen Herrn zu tun, durchaus eine bessere Option gehabt hätte, als das Geld zu vergraben: Er hätte es den Wechslern geben können, dann hätte das Geld wenigstens Zinsen abgeworfen und er hätte sich nicht vor seinem Herrn fürchten müssen, wenn dieser sein Geld zurückfordert. Bei dem Wort Wechsler ist an Geschäftsleute zu denken, die Bankgeschäfte durchführten und dabei auch Zinsen vergaben. Aber nicht einmal das hatte er getan. Er war nicht bereit, irgendetwas für seinen Herrn zu tun, auch nicht das Kleinste. So offenbart sich hier, dass er seinem Herrn nicht nur nicht treu und loyal war, sondern dass er ihm feindlich gesinnt war. Er projiziert seine eigene bösartige Gesinnung auf seinen Herrn und gibt ihm die Schuld für sein eigenes schuldhaftes Verhalten.

V. 28 – 30: Die Anweisung ist kurz, aber klar: dem Knecht wird das eine Talent abgenommen, für das er keinen Finger angerührt hat. Es wird dem gegeben, der aus 10 Talenten 10 weitere hinzugewonnen hatte. Es wird also dem gegeben, der seinem Auftrag treu war, weil es bei ihm gut aufgehoben ist. Wieder geht es nicht in erster Linie um die Qualität des Auftrages, sondern um Treue. Derjenige, der 10 Talente dazu gewann, bewies seine Treue, ihm kann man auch noch mehr anvertrauen. Derjenige, der nichts dazu gewann, zeigte seine Ablehnung des Herrn, er wird am Ende alles verlieren.

Mit der äußeren Finsternis ist nun das Gerichtsurteil im Endgericht angesprochen. Die Diener, die hier angesprochen sind, sind die Gerichtsengel. Jesus warnt mit diesem Gleichnis in eindringlichen Worten davor, ihn, und damit seine Gnade und seinen Auftrag abzulehnen. Aber gleichzeitig wird auch klar, dass eine reiche Belohnung auf denjenigen wartet, der sich treu seinem Herrn zur Verfügung stellt und nach seinen Fähigkeiten seinem Herrn dient.

Der Ausgang des Gleichnisses erinnert an Mat 7, 26 Und jeder, der diese meine Worte hört und sie nicht tut, der wird mit einem törichten Mann zu vergleichen sein, der sein Haus auf den Sand baute; und der Platzregen fiel herab, und die Ströme kamen, und die Winde wehten und stießen an jenes Haus; und es fiel, und sein Fall war groß.

Das Gericht
V. 31 – 34: Nachdem Jesus 6 Gleichnisse über seine Wiederkunft erzählt hat, spricht er hier wieder, ohne ein Bild zu verwenden. Jedenfalls führt er hier kein neues Bild ein, sondern spricht nun ganz direkt von seiner Wiederkunft. Das Gericht, das hier dargestellt wird, unterscheidet sich von dem im vorhergehenden Gleichnis: Während dort von Christen die Rede ist, die anhand ihrer Treue zu ihrem Auftrag gerichtet werden, werden hier die Völker gerichtet. Jesus erscheint als der von Daniel angekündigte Menschensohn (Dan 7,13) und tritt seine Herrschaft an, indem er sich auf den Thron der Herrlichkeit setzt, vgl. Sacharja 14,9: Und der HERR wird König sein über alle Lande. An jenem Tag wird der HERR der einzige sein und sein Name der einzige.

In Vers 34 ist dann nicht mehr vom Menschensohn, sondern vom König die Rede, der als Richter Recht spricht. Nun müssen alle Menschen aus allen Völkern Rechenschaft vor ihm ablegen.

Wir werden erinnert an Offenbarung 1,7: Siehe, er kommt mit den Wolken, und jedes Auge wird ihn sehen, auch die, welche ihn durchstochen haben, und wehklagen werden seinetwegen alle Stämme der Erde. Ja, Amen.

Der Weltenrichter wird die Schafe von den Böcken scheiden. Die Schafe sind schon im Alten Testament oft ein Bild für das Volk Gottes bzw. Israel (vgl. z. B. Hes 34, 5.15). Jesus greift dieses Bild dann in Johannes 10 auf und bezeichnet diejenigen, die ihm folgen als Schafe und sich als den guten Hirten. Die Böcke sind demnach das Gegenteil.

Gericht ist im Wesentlichen ein Scheidungsvorgang. Endlich wird die schlimme Vermischung von Gut und Böse aufgehoben, die für so viel Leid gesorgt hat. Der rechte Platz ist seit jeher der Ehrenplatz, der linke ist dann wieder das Gegenteil.

Hier handelt der Menschensohn und König als der gute Hirte, wie es schon in Hesekiel 34,17 angesagt wurde: Und ihr, meine Herde, so spricht der HERR: Siehe, ich werde richten zwischen Schaf und Schaf, den Widdern und den Böcken.

Der Richter lädt die Gesegneten in das von Gott bereitete Reich ein. Damit wird der von Gott schon mit der Schöpfung gefasste Plan zur Rettung der Welt nach dem Sündenfall verwirklicht und vollendet, vgl. Mt 13,35: Ich werde meinen Mund öffnen in Gleichnissen; ich werde aussprechen, was von Grundlegung der Welt an verborgen war.

V. 35 – 40: Es stellen sich hier 2 wichtige Fragen: Wer sind die Gerechten und wer die geringsten Brüder? Im vorherigen Gleichnis ging es um Christen. Hier erwähnt Jesus alle Nationen der Erde, die ihm Rechenschaft geben müssen, wenn er wiederkommt. Es sind wohl Menschen aus allen Nationen, die nichts von Jesus gehört haben, die hier an ihrem Verhalten gemessen werden.

Mit Vers 40 kommt Jesus zu einem verblüffenden Höhepunkt: Er selbst war der Durstige, der Fremdling, der Nackte…! Jesus ist in seinen Nachfolgern in dieser Welt immer präsent! Die geringsten Brüder sind also nicht die Armen dieser Welt, sondern die Nachfolger Jesu: Mt 12,49 Und er streckte seine Hand aus über seine Jünger und sprach: Siehe da, meine Mutter und meine Brüder!

Außerdem erinnert das Wort geringste an 5. Mose 7,7: Nicht weil ihr mehr wäret als alle Völker, hat der HERR sich euch zugeneigt und euch erwählt – ihr seid ja das geringste unter allen Völkern. Es ist an die Jesus- Gläubigen Israeliten zu denken, die in der Endzeit Verfolgung erleiden müssen.

Die barmherzigen Werke, die hier beschrieben werden, tun Menschen aus allen Nationen an den verfolgten messianischen Juden, denen es an allem mangelt. Jesus hatte diese Verfolgung in der Endzeitrede angekündigt.

Die Gesegneten/ Gerechten waren sich nicht bewusst, dass sie in Wirklichkeit Jesus gedient haben (vgl. Mt 10,40)! In ihrem Verhalten zeigen sie, dass sie sich ganz im Willen und Wesen Gottes bewegt haben, der barmherzig und gnädig und von großer Güte ist.

Die barmherzigen Taten, die Jesus hier aufführt, erinnern z. B. an Jesaja 5,7: Brich dem Hungrigen dein Brot, und die im Elend ohne Obdach sind, führe ins Haus! Wenn du einen nackt siehst, so kleide ihn, und entzieh dich nicht deinem Fleisch und Blut!

V. 41 – 46: Die Verfluchten zur Linken waren sich ebenfalls nicht bewusst, wem sie in Wirklichkeit nicht geholfen haben. Aber das entschuldigt ihr Verhalten nicht. Die ausgeführte Tat bringt zum Vorschein, was im Herzen ist. Deshalb ist auch dieses Gericht nicht allein ein Gericht nach den Werken, sondern nach der Gesinnung, dem, was der Mensch geglaubt und wonach er sein Handeln ausgerichtet hat. Der gerechte Richter sieht das Herz und kennt die Gesinnung.

2. Verstehen, worum es geht

2.1 Hinweise für hermeneutische Überlegungen (Auslegung)

Der Abschnitt vom Gericht (31 – 46) beinhaltet einige schwierige Fragen, z.B. ob es möglich ist, auch ohne Glauben durch Werke der Barmherzigkeit gerecht zu werden. Der Text scheint dies zu bejahen. Da aber nirgends davon die Rede ist, dass es Werke um Jesu Willen sind und Heidenvölker angesprochen sind, wird man davon ausgehen können, dass es sich um Menschen handelt, die keine Gelegenheit hatten, Jesus Christus kennen zu lernen.

Auch wird der Abschnitt von Auslegern heilsgeschichtlich unterschiedlich eingeordnet, je nach Endzeitlehre. Es geht um die Frage, ob es sich um das letzte Gericht im Himmel handelt (Offb 20,11) oder aber ob das Gericht auf der Erde stattfindet und sich daran das Friedensreich des Messias anschließt (Offb 20,4).

Eines darf aber mit Sicherheit festgehalten werden: Gottes Gericht wird für jeden gerecht sein. Zu denken ist an Matthäus 16, 27 Denn es wird geschehen, dass der Menschensohn kommt in der Herrlichkeit seines Vaters mit seinen Engeln, und dann wird er einem jeden vergelten nach seinem Tun.

Des Weiteren auch Römer 2, 11-16: Denn es ist kein Ansehen der Person bei Gott. Denn so viele ohne Gesetz gesündigt haben, werden auch ohne Gesetz verloren gehen; und so viele unter Gesetz gesündigt haben, werden durch Gesetz gerichtet werden – es sind nämlich nicht die Hörer des Gesetzes gerecht vor Gott, sondern die Täter des Gesetzes werden gerechtfertigt werden. Denn wenn Nationen, die kein Gesetz haben, von Natur dem Gesetz entsprechend handeln, so sind diese, die kein Gesetz haben, sich selbst ein Gesetz. Sie beweisen, dass das Werk des Gesetzes in ihren Herzen geschrieben ist, indem ihr Gewissen mit Zeugnis gibt und ihre Gedanken sich untereinander anklagen oder auch entschuldigen – an dem Tag, da Gott das Verborgene der Menschen richtet nach meinem Evangelium durch Christus Jesus.

Das Handeln eines Menschen ist der sichtbare Ausdruck seiner innersten Gedanken und Motive. Insofern gleichen sich die beiden Gerichte, da bei beiden Jesus nach der Treue/Liebe eines Menschen richtet, die sich in den Taten sichtbar ausdrückt.

Das Gericht Jesu ist also absolut gerecht! Jesus sieht selbst die kleinste Tat, die aus der Liebe heraus geschieht. Dabei geht es nicht um Leistung, sondern um die Herzenshaltung. Im Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg sagt Jesus zu demjenigen, der glaubt, dass jeder entsprechend seiner Arbeitsleistung entlohnt werden müsste: Darf ich mit dem, was mir gehört, nicht tun, was ich will? Oder ist dein Auge böse, weil ich gut bin? So werden die Letzten Erste sein und die Ersten Letzte (Matthäus 20,15f).

2.2 Hinweise für situative Überlegungen (Predigtanlass)

Der 20.11. ist im Kirchenjahr der letzte Sonntag, der Ewigkeitssonntag oder auch Totensonntag. Beide Worte bezeichnen den gleichen Sonntag, zeigen aber unterschiedliche Perspektiven auf, an die man anknüpfen kann: Die Bezeichnung Totensonntag ist ein Wort aus dem Volksmund und meint allgemein das Gedenken an die Toten, womit oft ein Besuch auf dem Friedhof verbunden ist. Der Blick richtet sich zurück auf das Vergangene. Die Bezeichnung Ewigkeitssonntag ist ein christliches Wort und weist in eine andere Richtung: nach vorne, auf die Ewigkeit. Der Tod ist nicht das letzte, sondern als Christen glauben wir an die Ewigkeit bei Gott, die schon hier und heute beginnt.

Der Bibeltext lädt dazu ein, dankbar auf das eigene Leben mit all dem zu sehen, was Gott uns anvertraut hat und die verbliebene Lebenszeit mit allem was wir haben für Gottes Reich zu einzusetzen!

2.3 Hinweise für homiletische Überlegungen (Anwendung)

Auch im Deutschen ist mit dem Wort richten nicht nur eine Verurteilung des Täters verbunden. Der Gedanke des (Wieder-)Herstellens einer Ordnung/ eines Gebäudes etc. ist fest in unserem Sprachgebrauch verankert in Worten wie: errichten, aufrichten, herrichten, einrichten, anrichten.

In Bauhandwerk gibt es sogar ein Werkzeug, das als Maßstab dient: mit dem Richtscheit kann z.B. festgestellt werden, ob etwas in Schieflage ist und korrigiert werden muss.  

So ist die Aussicht darauf, dass Gott Recht schaffen wird für diejenigen eine große Ermutigung, die Unrecht leiden, für die anderen aber eine Warnung, umzukehren. Für alle aber eine Aufforderung, sich mit allem, was wir haben, Gott zur Verfügung zu stellen.

Gerhard Maier schreibt in seinem Kommentar: „Eine Frage, die in den Kommentaren kaum gestellt wird, ist die: Was bedeutet es für Christen praktisch, ihr „Geld den Wechslern zur Verfügung zu stellen“? Vielleicht lässt sich die Antwort so zusammenfassen: Andere Christen in ihren Aufträgen, z.B. der Verkündigung, der Diakonie und der Mission, zu unterstützen.“

3. Sagen, wo es hingeht

3.1 Predigtziel – warum halte ich diese Predigt?

Der Zuhörer soll erkennen, dass Gottes unverdiente Gnade zum Handeln motiviert, befähigt und verpflichtet. Wenn Jesus Christus seine Nachfolger beauftragt, dass sie ihm mit den anvertrauten Talenten dienen und andere für sein Reich gewinnen, ist das eine Ehre: Wir dienen dem höchsten Herrn, der wiederkommen wird. Es ist ein Auftrag, der deshalb machbar ist, weil Gott alles schenkt, was wir dazu brauchen.

Deshalb ist die Antwort des bösen und faulen Knechts nichts als eine faule Ausrede.

Noch ist Zeit umzukehren. Aber wenn Jesus wiederkommen wird, wird es zu einer Scheidung kommen: dann werden diejenigen, die sich als Christen bezeichnen, aber nie danach gehandelt haben und seine Gnade nicht angenommen haben, alles verlieren. Und Jesus wird diejenigen noch viel reicher beschenken, die seinem Auftrag treu waren.

3.2 Predigtentfaltung – wie sage ich es in dieser Predigt?

Jesus kommt und bringt alles zurecht:
a) Reich beschenkt und beauftragt (V. 14-23)                                                                                
b) Reichlich viele Ausreden (V. 24-27)
c) Reich entlohnt oder alles weg? (V. 28-30)

(Karlheinz Deininger)