Hebräer

Predigthilfe vom 20. Januar 2013 – Hebräer10, 26-31

Jahresthema: Leben im Horizont der Ewigkeit

Predigtthema: Ein offener Ausgang

Predigttext: Hebräer 10,26-31

Verfasser: Thomas Richter

Zu eurer Unterstützung enthält diese Predigthilfe Hinweise für eure Verkündigung, ersetzt aber nicht das eigenständige Erarbeiten des Bibeltextes und das Weitergeben der vom Herrn aus dem Predigttext von euch persönlich gehörten Botschaft Gottes: „So sind wir nun Gesandte an Christi Statt“ (2Kor 5,20a). Deshalb suchen wir in der Vorbereitung der Predigt nach dem, was der Herr durch das Wort des Predigttextes sagen will. Es geht dabei um seine Botschaft und wir sind seine Botschafter. Dabei hören wir zwar auch auf andere Botschafter, z.B. durch die Hinweise der Predigthilfe, verkündigen aber die Botschaft, die uns persönlich auf der Basis des Predigttextes aufgetragen wird: „Aus der Fülle des Herzens redet der Mund“ (Mt 12,34b). Nur wo der Herr uns das Herz gefüllt hat, da haben wir etwas zu sagen, da nur dann gilt: „Wer euch hört, hört mich“ (Lk 10,16a)!

1. TEXT- UND PREDIGTHILFSMITTEL

Verschiedene Bibelübersetzungen um mit dem Predigttext vertraut zu werden findet man z.B. unter www.bibleserver.com (Luther 1984 / Revidierte Elberfelder Bibel / Hoffnung für alle / Schlachter 2000 / Neue Genfer Übersetzung / Gute Nachricht Bibel / Einheitsübersetzung / Neues Leben Bibel / Neue Evangelistische Übersetzung).

Hilfen zur Auslegung und Anwendung des Predigttextes (Hebr 10,26-31) bieten z.B.

* Fritz Laubach. Der Brief an die Hebräer. Wuppertaler Studienbibel NT. R. Brockhaus (S. 211-215 – bitte zur Vorbereitung lesen).

* Sören Ruager. Hebräerbrief. NT Edition C-Bibelkommentar 22. Hänssler (S. 193-196).

* Jim M. Flanigan. Hebräerbrief. Was die Bibel lehrt 13. Christliche Verlagsgesellschaft (S. 308-313).

* Eduard Riggenbach. Der Brief an die Hebräer. Kommentar zum NT Bd. 14. (unter http://bitflow.dyndns.org/german/TheodorZahn/Kommentar_Zum_Neuen_Testament_Band_14_Buecher_58_1913.pdf; S. 323-329).

Beachtenswerte Anmerkungen und Parallelstellen zum Predigttext bietet auch die MacArthur Studienbibel (http://bitflow.dyndns.org/german/JohnMacArthurStudienbibel/58-Der_Brief_An_Die_Hebraeer.pdf; zum Predigttext: S. 1837 bzw. zur Einführung in den Hebr: S. 1816-1818 – empfehlenswert).

Für die Textlesung bietet die „Neue Genfer Übersetzung“ eine gut verständliche, lesbare und zuverlässige Übersetzung unseres Predigttextes (http://www.ngue.info/online/lesen).

2. TEXT- UND PREDIGTZUSAMMENHANG

Im Januar ist die Realität und die Wirkung des Opfers Jesu das zentrale Thema unserer Verkündigung. Das Opfer Jesu ermöglicht einen offenen Übergang – Zugang – Ausgang – Eingang. Ein grundlegender Aspekt im Heilsplan Gottes ist, dass er seine Geschöpfe nicht zur Annahme dieses Opfers zwingt, aber sehr wohl zieht (vgl. Joh 6,44f). Dieses „Ziehen“ Gottes erfolgt also durch das Wort. Es ist gewaltig, aber nicht vergewaltigend. Aus diesem Grund wird das Geschöpf Gottes auch für seine Reaktion auf die Aktion Gottes verantwortlich gemacht. Im Zentrum der Verkündigung steht von daher an diesem Sonntag die „Warnung“. Diesen Schwerpunkt haben wir bewusst zu setzen, weil er vom Wort Gottes so vorgegeben ist, aber wir haben den heutigen Predigttext einzubetten in den Gesamtzusammenhang von Hebr 10. Nicht nur der Anspruch Gottes ist zu predigen, sondern auch der Zuspruch, der in den Versen davor und danach steht. Von daher stehen wir für diesen Gottesdienst vor der Herausforderung in einer gewissen „Heiligen Unausgewogenheit“ predigen zu müssen, aber dies nicht gänzlich losgelöst vom Kontext der anderen Gottesdienste. Beginnt eure Verkündigung von daher mit einem kurzen Rückblick nach vorne (Hebr 10,1-25: Offener Übergang / Zugang) und beendet sie mit einem motivierenden Ausblick nach hinten (Hebr 10,32-39: Offener Eingang), aber brecht dem Text nicht seine warnende Spitze (Hebr 10,26-31: Offener Ausgang). Unter der Wirkung des Geistes kommt es zu einem „befreiten Willen“ und damit zur Entscheidungsfreiheit und Entscheidungsverantwortung des Menschen (vgl. 2Kor 3,17), die dem Geschöpf zum Segen oder Fluch werden kann. Von daher gilt für uns: „Christus zur Entscheidung predigen“ (Dietrich Bonhoeffer)!

Zum Nachdenken:

„Je mehr ich sicher, securus, bin, desto weniger bin ich gewiss, certus. (Martin Luther)

„Und so gilt dann der Satz: Je mehr ich certus bin, um so weniger bin ich securus. Je mehr ich dessen gewiss bin, was Gott mir tat, desto weniger verlasse ich mich auf mich selbst, auf meine eigenen Kräfte, Werke, Leistungen und Gaben. Certitudo [= Gewissheit] und securitas [= Sicherheit] sind also die beiden Seiten einer Waage: je mehr die eine steigt, je mehr sinkt die andere. Je mehr certitudo, desto weniger securitas; je mehr scuritas, desto weniger certitudo“. (Julius Schniewind)

„Wir aber verwechseln Gewissheit und Sicherheit, verwechseln certitudo und securitas. Gewissheit meint eine Beziehung zwischen Personen, zwischen lebendigen Menschen, zwischen uns Menschen und dem lebendigen Gott. Sicherheit meint, dass Sachen und Dinge verlässlich sind. Eine technische Konstruktion muss die Gewähr der Sicherheit bieten; wir reden von Lebens-Versicherung, Feuer-Versicherung. Der Sprachgebrauch ist in allen modernen Sprachen gleichartig. Nun versuchen wir, aus unserer Beziehung zu Gott solch eine Sicherheit zu machen. Gott ist dann wie ein Ding, eine Sache, ist wie etwas, dass sich von selbst versteht. Es geht nicht mehr um das Entweder-Oder von Heil oder Unheil, sondern wir haben uns Gottes bemächtigt, sind seiner Herr geworden, wir haben ihn in unsre Gewalt bekommen. Luther warnt immer wieder mit größtem Ernst vor der securitas. Wir sind sicher, dass wir mit Gott in bester Ordnung sind; wir sind frech und stolz und denken nun könne uns nicht mehr schaden, Gottes Gericht könne uns nimmermehr treffen, seine Gnade könne uns nie verloren gehen. […]. Gerade die Kirche als Institution, als Anstalt und Ordnung, ist zu allen Zeiten in der größten Gefahr gewesen, tote Sicherheiten zu gewähren, anstatt durch das lebendige Wort des Evangeliums die lebendige Gewissheit zu wecken von der Gnade des lebendigen Gottes. Und jeder einzelne für sich ist in der größten Gefahr, aus allem, was Gott ihm gibt, eine Sicherheit, eine Sache, ein Ding zu machen, auf das er sich verlässt. Die Bibel, von den Propheten bis zu den Aposteln, ist eine einzige Warnung vor dieser Gefahr. Jesu Lebenskampf, der Kampf gegen die Pharisäer, ist eine einzige Warnung vor dieser Gefahr. Diese ist deshalb so groß, weil es wirklich Gottes eigene Gaben sind, an denen unsere böse Sicherheit erwächst“. (Julius Schniewind)

Entnommen aus dem Aufsatz „Gewissheit – nicht Sicherheit“ aus Julius Schniewind. Zur Erneuerung des Christenstandes. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. 1966. S. 33-44.

Im Aidlinger Bibellesezettel werden einführend unter der Überschrift „Die Herrlichkeit des Sohnes Gottes“ folgende Hinweise zum Predigttext gegeben: „Die Hebräerchristen kamen aus dem Judentum. Ob sie versucht waren, dorthin zurückzukehren? Das würde aber das Abfallen vom Glauben an Jesus Christus beinhalten. Abfallen ist etwas anderes als Fallen. Abfallen bedeutet das bewusste, öffentliche Ende der Beziehung zu Jesus. Der Apostel spricht hier eine eindringliche Warnung aus. Um ins Judentum zurückzukehren, musste man Jesus als Sohn Gottes und als Erlöserverleugnen und bestätigen, dass er ein Verführer und Gotteslästerer war, weshalb er auch gekreuzigt wurde (lies Mk 14,61-64.) So kommt es zu der scharfen Aussage in V. 29: »Wie viel schlimmere Strafe, meint ihr, wird der verdienen, der den Sohn Gottes mit Füßen getreten und das Blut des Bundes, durch das er geheiligt wurde, für gemein erachtet und den Geist der Gnade geschmäht hat?« Der bekannte Bibel-Ausleger Adolf Schlatter überträgt diesen Vers sinngemäß so: »Wie viel mehr ist euch gegeben als den Alten! Euch hat Gott nicht nur durch das Gesetz mit sich verbunden, sondern durch seinen Sohn und durch das heiligende Blut des Neuen Bundes und durch den Heiligen Geist. Das sind die Bande, mit denen Gott euch zu sich gezogen hat. Wenn ihr sie antastet und entheiligt, seid ihr tiefer verschuldet als die Übertreten des Gesetzes« (lies Apg 20,28; Röm 8,9.14.16; Eph 4,30; 1Petr 1,2; 1Joh 1,7-9; Offb 1,17f). Hier geht es nicht um das Fallen in eine Sünde. Wir werden, solange wir auf Erden sind, nicht sündlos sein. Die Sünde kann uns wieder ereilen. Aber früher suchten wir sie, jetzt laufen wir weg vor ihr. »Diese ernsten Worte im Hebräerbrief sind nicht für Schwermütige geschrieben, sondern für Leichtsinnige« (Hans Brandenburg). »Wenn jemand sündigt, so haben wir einen Fürsprecher bei dem Vater, Jesus Christus, den Gerechten; und er ist das Sühnopfer für unsere Sünden« (1Joh 2,1f; lies Offb 3,7f.10-12).

Denn wir kennen ja den, der sagt: »’Die Rache ist mein; ich will vergelten‘; und wiederum: ‚Der Herr wird sein Volk richten’«. Haben wir hier nicht ein Wort des Rachegottes aus dem Alten Testament vor uns? Ist der Gott des Neuen Testaments dagegen nicht ein Gott der Liebe? Doch Gott ist derselbe im Alten wie im Neuen Bund. Aber im Alten Bund stehen wir in einer anderen Phase von Gottes Heilsgeschichte als im Neuen Bund. Deshalb tritt »jedes unberechtigte Mitleid der Majestät und Ehre Gottes zu nahe und muss darum abgewiesen werden. Wir haben hier nicht eine Äußerung des erbarmungslosen Gottes des Alten Testaments i vor uns, sondern des heiligen Gottes, der seinen Sohn für uns gegeben hat« (Otto Michel). Gott hat alles für uns getan: »Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richte, sondern damit die Welt durch ihn gerettet werde. Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet; wer aber nicht glaubt, der ist schon gerichtet, weil er nicht an den Namen des eingeborenen Sohnes Gottes geglaubt hat« (Joh 3,17f). Wer bewusst die Rettung durch den für Sünder gekreuzigten Sohn Gottes ablehnt und ihn lästert, schließt sich selbst vom Heil aus (vgl. Hebr 10,26b.27.) Nur in Christus haben wir Vergebung unserer Schuld. Es ist unsere Entscheidung, das Heil anzunehmen oder auszuschlagen. Im Himmel sind nur Freiwillige. »Wer an den Sohn glaubt, der hat ewiges Leben; wer aber dem Sohn nicht glaubt, der wird das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibt auf ihm« (Joh 3,36; lies Apg 4,12; Gal 6,7). Doch keiner, der für Zeit und Ewigkeit bei Jesus bleiben will, muss sich durch diese Worte erschrecken lassen. Er selbst hat gesagt: »Wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstoßen« (Joh 6,37) und »sie werden in Ewigkeit nicht verloren gehen, und niemand wird sie aus meiner Hand reißen«“ (entnommen aus Zeit mit Gott H. 4 / 2009; S. 6f).

Zu unserem Predigttext bietet Prof. Erich Mauerhofer (früher STH Basel) unter der Überschrift „Kann ein Christ sein Heil verlieren?“ bedenkenswerte Anmerkungen (einsehbar unter http://www.efg-hohenstaufenstr.de/downloads/bibel/heilssorge.html bzw. in der Zeitschrift „Fundamentum“ H. 1/ 1988; S. 34-48 unter dem Titel „Kann ein Kind Gottes das Heil wieder verlieren“). Seine Anmerkungen zu Hebr 10,26-31 stehen am Ende des Artikels (z.B. S. 46f) und sollten nicht ohne Kenntnisnahme seiner Schlussbemerkungen (z.B. S. 47f) gelesen werden.

Prof. Otto-Siegfried von Bibra (früher FETA Basel) merkt folgendes zum Predigttext an: „Mit V. 26-31 wird nun ein sehr ernstes Thema angeschnitten, nämlich das des mutwilligen Sündigens. Schon im Alten Testament wurde Wert gelegt auf die Unterscheidung zwischen der ungewollten und der mutwilligen Sünde (vgl. 4Mose 15,22-31!). Im Neuen Testament schreibt Paulus zum ungewollten, versehentlichen Sündigen folgendes: «Brüder, wenn sich auch jemand von einem Fehltritt hat übereilen lassen, dann solltet gerade i h r, die ihr euch doch vom Heiligen Geist leiten lassen wollt, den Betreffenden im Geist der Sanftmut wieder zurechtbringen, indem du dabei auf dich selber achtzugeben hast, damit nicht auch du in Versuchung gerätst» (Gal 6,1 frei übersetzt). Wenn jemand in diesem Sinn versehentlich sündigt, dann «haben wir einen Fürsprecher beim Vater: Jesus, den Messias, den Gerechten» (1Joh 2,1b). Ganz anders steht es um das mutwillige Sündigen, in dem nach Otto Michel vom Alten Testament her zwei Momente liegen: «1. Der willentliche und bewusste Verstoß gegen die ganze Botschaft Gottes, nicht nur gegen ein vereinzeltes Gebot des Gesetzes. 2. Das Verharren im Sündenzustand, ohne sich zurückrufen zu lassen». Neutestamentlich gesehen geht es um die ungeheuerliche Möglichkeit und Gefahr, einerseits die Erkenntnis der Wahrheit empfangen (V. 26), den Sohn Gottes aufgenommen, die Heiligung durch Sein Blut und den Geist der Gnade erfahren zu haben (V. 29), – andrerseits aber mit Wissen und Willen zu sündigen und damit alles zu verleugnen, zu verachten und zu schmähen, was der Geist der Gnade geschenkt und gewirkt hatte. Das ist der Abfall. Wer es mit sich dahin kommen lässt, muss sich darüber klar sein, dass für solche Sünde kein sühnendes Opfer mehr zur Verfügung steht. Jesus war ja das letzte Opfer. Für die freventliche, weil bewusste Preisgabe und Verachtung dieses Opfers gibt es kein Sündopfer mehr: V. 26. Da bleibt nur die furchtbare Aussicht auf das unausweichliche Gericht Gottes übrig: V. 27. Und wieder (wie schon in 3,1-6) wird der Vergleich zwischen Mose und dem Messias gezogen – V. 28f -, um die Größe des Frevels zu enthüllen, dessen der abfallende Christ schuldig wird. Umso härter ist die Strafe, die er verdient, und das Gericht, dem er entgegengeht. So besteht kein Zweifel darüber, dass es furchtbar ist, dem lebendigen Gott in die Hände zu fallen: V. 31. Wer nicht in solch mutwilliges Sündigen hineingeraten will, muss sich vor jeglichem Sündigen hüten. Der einzig gegebene Weg ist also der, mit der Sünde in jeder Form radikal zu brechen und überhaupt nichts mehr mit ihr zu tun haben zu wollen. Das meint Jesus mit der lapidaren Aufforderung: ((Von jetzt an sündige nicht mehr!» (Joh 8, 11c). Wer sich zu einem Leben völligen Gehorsams entschließt und sich dabei stetig vom Geist Gottes leiten lässt, braucht der Begierde des Fleisches keineswegs mehr nachzugeben (Gal 5,16) und wird ganz gewiss vor mutwilligem Sündigen bewahrt bleiben. Heißt es doch ausdrücklich in der Schrift, dass der lebendige Gott imstande ist, uns – nicht nur vor dem mutwilligen Sündigen, sondern – überhaupt vor jeglichem Straucheln zu bewahren, um uns vor das Angesicht Seiner Herrlichkeit ohne Tadel zu stellen mit jubelnder Freude (Jud 24). Nichts ist allerdings gefährlicher als die Illusion einer angeblichen Bekehrung, die man einmal erlebt zu haben wähnt und die doch kein neues, befreites Leben in Gehorsam und Heiligung zur Folge hat und dadurch ohne Frucht bleiben muss (Mt 3,8; Joh 15,6)“ (entnommen aus der Zeitschrift Fundamentum H. 4 / 1985 – S. 17f).

3. PREDIGTGLIEDERUNG

Ein offener Ausgang?

a) Gottes Wahrheit bewusst verachten (V. 26-28)

b) Gottes Sohn bewusst verwerfen (V. 29a)

c) Gottes Geist bewusst verhöhnen (V. 29b)

d) Gottes Gericht bewusst empfangen (V. 30f)