Apostelgeschichte

Predigthilfe vom 18.7.2010 – Apostelgeschichte 20, 17-38

Monatsthema: Kurs halten in stürmischen Zeiten
Predigtthema: Auf Kurs bleiben – im Dienst

Bibelstelle: Apostelgeschichte 20, 17-38

Verfasser: Thomas Richter

Ein Predigttipp enthält Hilfestellungen für die Verkündigung und ersetzt deshalb nicht das eigenständige Erarbeiten des Bibeltextes und das Studieren von Bibelkommentaren.

1. TEXT- UND PREDIGTZUSAMMENHANG

Der Predigttext zieht nun ein Fazit für die Zeit des Gemeindeaufbaus mit Paulus in Ephesus (vgl. die Predigten vom 20.06. und 04.07.2010), da Paulus der Gemeindeleitung noch einmal zusammenfassend eine Perspektive für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft vermittelt (Apg 20,17-38). Paulus nimmt nun für längere Zeit Abschied von der Gemeinde in Ephesus (beachte aber den Eph) und betont deshalb noch einmal Grundsätze, die helfen als Gemeinde auf Kurs zu bleiben und das zu tun, wozu man berufen ist (= Predigtthema: Auf Kurs bleiben – im Dienst).

2. TEXT- UND PREDIGTANMERKUNGEN

Hilfreiche Text- und Predigtanmerkungen enthält der Predigttipp von Heiko Krimmer vom 08.05.2005 (Apg 20,17-38). Den Predigttipp findet ihr unter www.wbb-online.de/pt.

Hilfen zur Auslegung und Anwendung bieten z.B.
* Werner de Boor. Die Apostelgeschichte. Wuppertaler Studienbibel. 7. Aufl. Wuppertal: R. Brockhaus, 1980. S. 368-380.
* Heinz-Werner Neudorfer. Apostelgeschichte 2.Teil. Edition C-Bibelkommentar Bd. 9. Neuhausen: Hänssler, 1990. S. 230-248.
* Alfred Christlieb. Der Apostel Paulus. Herausgegeben von Arno Pagel. 7. Aufl. Lahr: VLM, 1996. S. 288-317 (nachfolgend in Auszügen).

A) Rückblick auf die Beauftragung (V. 17-21)

„Nach dem Rückblick des Paulus auf seinen Wandel folgt ein Rückblick auf seine Wortverkündigung. Derselbe lässt uns erkennen, wo, wie und was er damals öffentlich gepredigt hat:
* Wo Paulus predigte: Wo er das Wort verkündigte, zeigt uns der Ausdruck: ‚öffentlich und in den Häusern‘ (wörtliche Übersetzung). Unter der ‚öffentlichen‘ Verkündigung haben wir in erster Linie seine Versammlungen in der Synagoge von Ephesus (19,8) und nachher seine Reden in dem Lehrsaal des Tyrannus (19,9) zu verstehen. Bei der ‚sonderlichen‘ Verkündigung (Alte Luther Übersetzung) haben wir sowohl an die kleinen Versammlungen in den Privathäusern (Röm 16,5; 1Kor 16,19; Kol 4,15; Philemon 2; Apg 2,46), wie auch an die Einzelseelsorge zu denken. Was sagt uns diese reichliche Verkündigung? Sie ruft uns zu: Lasst uns den Samen des Wortes überall ausstreuen, wo Gott uns Gelegenheit gibt und Türen öffnet (2Tim 4. 2). Lasst uns auch zweierlei Einseitigkeit meiden: Man trifft öfters Menschen, welche nur die öffentliche Verkündigung etwa in Kirche und Gottesdienst gelten lassen und alles andere als unnüchtern und schwärmerisch verwerfen. Andererseits begegnet man solchen, welche die öffentliche Verkündigung verachten und nur diejenige hin und her in den Häusern als richtig ansehen. Demgegenüber lasst uns mit Paulus sowohl das eine wie auch das andere anerkennen und dankbar benutzen.
* Wie Paulus predigte: Nicht umsonst braucht der Text hier drei verschiedene Ausdrücke für die Predigtart des Paulus: Er verkündigte, er lehrte, er bezeugte.
a) In dem ersten Wort (verkündigen) steht Paulus, wie der Grundtext dies andeutet, als ein Bote, vor seinen Zuhörern, der ihnen genaue Meldung überbringt und darauf bedacht ist, ja nichts auszulassen von dem, was er in einem höheren Auftrag zu sagen hat. ‚Wie lieblich sind die Füße solcher Boten‘(Jes 52,7). Gott mehre ihre Zahl!
b) In dem zweiten Ausdruck (lehren) sehen wir Paulus als Lehrer vor den Ephesern, der in klarer Ordnung der Gedanken den Seelen zeigt, worum es sich handelt und sie in das Verständnis des göttlichen Heilsrates hineinführt. Solche Lehrer tun auch unserer Zeit not. Wie werden sie einst ‚leuchten wie des Himmels Glanz‘ (Dan 12,3).
c) In dem dritten Wort (bezeugen) schauen wir den Apostel als Zeugen, der den Inhalt seines Wortes feierlich und dringlich ins Herz legt als einer, der das, was er redet, am eigenen Leben erfahren hat. Wie dringt dieses Bezeugen tief in die Herzen der Hörer hinein und erschüttert ihre falsche Sicherheit! Alle noch so schöne Verkündigung und lichtvolle Belehrung hilft nicht, wenn dieses Bezeugen fehlt (2Tim 2,14).
Wer als Botschafter, Lehrer und Zeuge das Wort verkündigt, der wandelt in Paulus Fußstapfen.
* Was Paulus predigte: Paulus ließ sich weder durch Menschenfurcht noch durch Menschengunst bewegen, irgendetwas zu verschweigen, was den Seelen heilsam war. Vor allen Dingen hatte seine Predigt zwei Brennpunkte: Buße und Glaube. Er predigte Buße. Den Wünschen des natürlichen Menschen passte er sich nicht an. Dieser liebt eine Predigtweise, die das Gute in ihm anerkennt und nur weiter vervollkommnet wissen möchte. Ermahnungen zur Buße und Heiligung lässt er sich allenfalls gefallen. Wenn aber jemand die Notwendigkeit einer vollständigen Änderung der innersten Gesinnung predigt, so entsteht Widerspruch, oft Zorn und Wut. Aber gerade diese Sinnesänderung oder Buße bezeugte Paulus. Solcher Mut tut allen Knechten Gottes not (Jes 58,1; Jer 4,3). Zugleich zeigte er die Kraftquelle, durch welche die innere Erneuerung des Herzens zustande kommt. Nicht auf ihre eigene Kraft und Anstrengung wies er seine Hörer hin, sondern auf ‚den Glauben an unseren Herrn Jesus Christus‘. Während die eigene Bemühung in menschlicher Willenskraft uns in Verzweiflung führen müsste, bringt der Glaubensblick auf den Heiland und die Glaubensgemeinschaft mit ihm Frieden und Hilfe (17, 31). Deshalb gilt es auch heute noch, Buße und Glaube zu bezeugen, und zwar beides vereinigt“ (Christlieb, Apostel Paulus, S. 288-290).

B) Einblick in die Berufung (V. 22-28)

„Lasst uns bei dem Reiseprogramm des Apostels auf den Grund, das Licht und das Ziel seiner Reise achten.
* Der Grund seiner Reise ist die innere Nötigung durch den heiligen Geist. ‚Gebunden im Geist‘ reist er nach Jerusalem. Eine zweifellose Gewissheit des göttlichen Willens ist und bleibt der sicherste Grund jeder Reise in diesem Leben (16,10; Gal 2,1+2a).
* Das Licht und der Führer seiner Reise ist wiederum der Heilige Geist (‚der Heilige Geist bezeugt und spricht‘). Dieser treibt ihn nicht nur zu dieser Reise an, sondern erleuchtet ihn auch, und gibt ihm diejenige Kenntnis über seinen Weg, die ihm vonnöten ist. Dieser Führer gibt ihm auch für dunkle und schwere Wege große Kraft und Freudigkeit, so dass er nicht zu erschrecken braucht, sondern „mit Freuden“ seinen Lauf fortsetzt. Es gibt keinen besseren Führer und kein besseres Licht für all unser Reisen, als das Licht des Geistes Gottes (Ps 143,10).
* Das Ziel und der Zweck seiner Reise ist die Ausrichtung der ihm von Jesus übertragenen Aufgabe (‚auf dass ich vollende meinen Lauf und das Amt, das ich empfangen habe von dem Herrn Jesus‘). Ihm war der Dienst der Verkündigung des Evangeliums unter den Heiden anvertraut. Er war berufener Missionar und wollte diesen Beruf treu ausfüllen. Auch wir haben eine Aufgabe in unserem Leben bekommen, die wir aus Gottes Hand annehmen dürfen. Wohl uns, wenn unser ganzer Eifer darauf gerichtet ist, diese unsere Aufgabe recht zu erfüllen (Joh 17,4).
Der Gesamtinhalt aller evangelischen Predigt wird hier in drei verschiedenen Ausdrücken zusammengefasst:
* In der Bezeugung der Gnade Gottes bestand die ganze Aufgabe des Paulus (V. 24). Einst war er Gesetzesprediger und Gesetzeseiferer. Aber seitdem Gott ihm das rechte Licht gegeben hatte, trieb er nichts als Gnade. Gnade bot er dem verkommensten Sünder unter den Heiden wie auch dem gesetzesstrengen Juden an. Diese Gnade konnte er bezeugen, weil er ihre Kraft selbst erfahren hatte und es ihm ein Herzensanliegen war, dass auch andere ihrer teilhaftig würden. Alle, die das Wort verkündigen, haben darauf zu achten, dass der Hauptinhalt ihrer Predigt Gnade sei (14,3).
* Zurückschauend auf all seine bisherige Wortverkündigung sagt Paulus: ‚Ich habe gepredigt das Reich Gottes‘ (V. 25). Der Apostel zeigte im Evangelium seinen Hörern. wie Gott in der Person Jesu ein ewiges, unvergängliches Königreich aufgerichtet habe. Er forderte sie gleichsam wie ein Herold auf, in dieses Reich einzugehen und dem König desselben untertan zu werden (8,12; 19,8; 28,23; Mk 1,14; Lk 9,2+60). Nicht für eine menschliche Partei oder Kirche warb Paulus, sondern für das Reich Gottes, dessen Ausbreitung ihm allein am Herzen lag.
* Endlich fasste Paulus seine Predigt in dem Ausdruck zusammen: ‚Ich habe allen Rat Gottes verkündigt‘ (V. 27). Hier betont Paulus, der ganze göttliche Heilsratschluss sei Gegenstand seiner Verkündigung gewesen. Nichts von dem Willen Gottes hat er verschwiegen (1Tim 2, 4-6).
Alle drei Ausdrücke beziehen sich auf den Gesamtinhalt aller evangelischen Predigt, jeder hebt eine besondere Seite derselben hervor. Ein rechter Prediger wird immer die Gnade Gottes bezeugen, das Reich Gottes predigen und allen Rat Gottes verkündigen (2Tim 4,5b)“ (Christlieb, Apostel Paulus, S. 290-292).

V. 28:„* Es gibt ein falsches Achthaben auf sich selbst. Wenn jemand sich beständig den Puls fühlen und sein inneres Wachstum merken möchte; wenn ein Christ beständig auf seine Schwachheit anstatt auf den Herrn schaut, so befolgt er nicht des Apostels Mahnung: ‚Habt acht auf euch selbst‘. Paulus will vielmehr die Ältesten anspornen, ein wachsames Auge auf die eigene Herzensstellung und den Wandel vor Gott zu richten, um nicht in Abwege und Sünden hineinzugeraten. Bei der Wichtigkeit ihrer Stellung sollen sie einen geschärften Blick behalten, um die Anfänge eines Irrweges und die Entstehung von Entgleisungen bei sich selbst zu erkennen und so bewahrt zu bleiben (Eph 5,15; Ps 101,2; 1Tim 3,2-7; Tit 1,7).
* Die Tatsache, dass diese Mahnung an Älteste und Gemeindeleiter gerichtet ist, hat uns etwas zu sagen. Wir sehen leicht an älteren, erfahrenen Christen so hoch hinauf, dass wir dieselben über alle Gefahren erhaben wähnen. Das ist ein Irrtum. Hier werden diejenigen, welchen der Heilige Geist eine führende Stellung in der Gemeinde Gottes gegeben hat, zur Wachsamkeit über sich selbst ermahnt. Demnach sind auch für solche Männer noch Gefahren vorhanden. Auch sie sind nicht sicher vor Abwegen und Fehltritten. Schrift und Erfahrung bestätigen dies. Welch ein Triumph ist es für die Hölle, wenn ein leitender Bruder zu Fall kommt und in Sünde verstrickt wird. Ja auch Älteste und Gemeindeleiter, alle an der Spitze stehenden Brüder bedürfen der Mahnung: ‚Habt acht auf euch selbst‘ (2Kor 2,11).
* Paulus stellt den Satz ‚Habt acht auf euch selbst‘ an die Spitze seiner Ermahnungen zu treuer Amtsführung. Erst an zweiter Stelle folgt die Aufforderung, über die Herde zu wachen. Was sagt uns diese Reihenfolge? Was bedeutet die Voranstellung des Achtens auf sich selbst? Sie ruft uns zu: Bei allen, die an andern arbeiten wollen, ist die eigene richtige Stellung und das persönliche Vorbild im Wandel das erste. was im Auge behalten werden muss. Erst dann kommt ihr übriges Wirken. Die Arbeit an sich selbst darf also nie über der Arbeit an anderen vergessen werden und zu kurz kommen. Nicht die Leistungen, nicht der Dienst der Knechte Jesu ist vor Gott die Hauptsache, sondern ihre Person, ihr eigenes inneres Wachstum, ihre persönliche Heiligung. Die eifrigste und vielseitigste Arbeit im Weinberg des Herrn kann zum abstoßenden Zerrbild werden, wenn der Wirkende sich in seinem Leben und Wandel allerlei Blößen gibt. Darum hat Hudson Taylor recht, als er einer Schar ausziehender Missionare als einzigen Rat zurief: ‚Nehmt euch Zeit, geheiligt zu werden‘. Wenn wir auf uns selbst acht haben, so wird auch unser Wirken an der Herde nicht vergeblich sein. Wo wir aber uns selbst nicht in Zucht nehmen, so werden andere von uns nichts annehmen (Ps 50,16f; 1Tim 4,12; Tit 2,7). Unter allen Hinweisen für eine gesegnete Amtsführung soll die Mahnung ‚Habt acht auf euch selbst‘ die erste Stelle behalten“ (Christlieb, Apostel Paulus, S. 293f).

C) Ausblick auf die Bedrohung (V. 29+30)

„Neben den wahren Hirten (Vers 28) sieht Paulus auch verderbliche Führer in der Gemeinde Christi voraus:
* Wir sehen hier die prophetische Gabe des Apostels. Er hatte Gewissheit über das Eindringen jener Männer und sagte dasselbe mit voller Bestimmtheit voraus (‚Ich weiß, dass kommen werden‘). Gott hat dann und wann in der Geschichte der Kirche einzelne seiner Knechte mit einem weit in die Zukunft hinaussehenden Blick begabt. Auch heute noch kann er dies tun. Schon Bodelschwingh, Schrenk und andere haben vorausgesagt, dass Gerichte über unser Volk nicht fern sein könnten. Die Stimmen solcher Männer, die unser Volk kannten und in Gottes Wort zu Hause waren, haben mit den Prophezeiungen leichtfertiger Schwärmer nichts zu tun.
* Lasst uns die Zeit beachten, wann die verderblichen Führer auftreten (‚Nach meinem Abschied‘). Die Gemeinde Ephesus hatte durch Paulus‘ dreijährige Arbeit eine einzigartige Segenszeit erlebt, in der sie Gottes Wort aufs reichlichste genießen durfte. Nun soll diese Gemeinde, nachdem der Einfluss von Paulus aufhört, eine Zeit ganz besonderer Nöte und Schwierigkeiten durchmachen. So ist Gottes Weg vielfach. Auf Zeiten herrlicher Heimsuchung folgen Zeiten mannigfacher Verirrung und Drangsal, wo Spreu abfällt und Echtes offenbar wird, Wohl denen, die sich darauf gefasst machen und beim Eintreten solcher Nöte nicht irre werden.
* Die falschen Führer werden mit ‚greulichen Wölfen‘ verglichen, ‚die der Herde nicht verschonen werden‘. Sie sind genau das Gegenteil von einem wahren Hirten. Sie haben kein väterliches und mütterliches Herz für die Gläubigen (1Thess 2,7). Statt sie auf die Weide zu führen, haben sie ihre Freude daran, unbarmherzig auf sie loszuschlagen. Sie zerreißen dieselben gleichsam wie ein Wolf. Es fehlt ihnen die Durchdringung mit dem Lammessinn Jesu. Sie stehen wie einst Saulus in ihrer alten Raubtiernatur den Schafen Jesu gegenüber (Apg 9,1). Gott bewahre unsere Kirchen und Versammlungshäuser vor solch ‚greulichen Wölfen‘. (Joh 10,12; 3Joh 10; Jer 23,1f; Hes 34,2+10).
Lasst uns nun Herkunft, Lehre und Ziel der falschen Lehrer anschauen:
* Sie kommen zum Teil aus den Reihen führender, gläubiger Christen (‚Auch aus euch selbst werden aufstehen Männer‘). Es konnte vorkommen, dass Männer eine Zeitlang so wandelten, dass man sie unter die Ältesten aufnahm, welche die Aufsicht führten. Nachher aber wurden sie vielleicht durch Hochmut und andere Sünden als ‚greuliche Wölfe‘ offenbar. Die frühere Zugehörigkeit zu einem Kreis gesegneter Brüder ist demnach nicht immer ein Beweis von der Echtheit eines Arbeiters im Reich Gottes. Man kann in solchem Kreis gelebt und gewirkt haben und dennoch kein Vertrauen verdienen. Woran kann man sie erkennen und womit entlarven? Das zeigen uns die zwei folgenden Kennzeichen.
* Sie verlassen die Richtschnur des Wortes Gottes. Falsche Führer können unmöglich ganz bei dem geschriebenen Wort bleiben. Dieses lässt für solches Wolfswesen in der Gemeinde Jesu keinen Raum. Es straft und offenbart dasselbe vielmehr. Darum müssen sie von der einfältigen Lehre des Wortes Gottes abweichen. Sie ‚reden verkehrte Lehren‘. In dem Bleiben bei dem geschriebenen Wort, bei ‚der Lehre der Apostel‘ (2,42) , liegt eine bewahrende Macht. Bei dem Abweichen von Gottes Wort gerät man in die furchtbarsten Irrungen. Welch eine Mahnung, sich unverbrüchlich fest an das Wort zu halten (Ps 119,9+104+133+165)!
* Ein zweites Hauptkennzeichen der falschen Führer ist das Ziel, welches sie verfolgen. Sie wollen ‚die Jünger an sich ziehen‘. Wahre Hirten wollen die Seelen nur in Verbindung mit Jesus bringen und darin erhalten. Dies ist der einzige Zweck ihrer Arbeit (Joh 1,29; Apg 14,14f). Die falschen Führer aber suchen etwas für sich selbst. Sie trachten nach Anhang. Sie legen es darauf an, dass sich die Gläubigen an ihre Person hängen (2Sam 15,2-6). Deshalb ‚wollen sie sich angenehm machen nach dem Fleisch‘ (Gal 6,12), schmeicheln diesem und jenem, werden neidisch und eifersüchtig, wenn ein anderer Anerkennung findet und dergleichen. Gott helfe, dass keiner von uns in den Reihen dieser Männer erfunden werde“ (Christlieb, Apostel Paulus, S. 303-305).

D) Aufblick zu der Bewahrung (V. 31-38)

V. 31f: „Die Ältesten von Ephesus sollten durch die Schilderung der kommenden Gefahren nicht etwa mutlos und verzagt, sondern ‚wachsam‘ werden (‚Darum seid wach‘):
* Der Ausblick auf große Schwierigkeiten kann leicht entmutigen. Niemals aber dürfen wir dem Volk Israel gleichen, welches durch die Kundschafter den Ernst der Lage erfuhr und allen Mut verlor (4Mose 13,27-14,3). Wohl aber soll eine von Gottes Wort uns angekündigte Gefahr uns vor falscher Sicherheit und sorgloser Schläfrigkeit bewahren. Weil der Feind sich aufmachen wird, deshalb gilt es mit Eifer zu wachen und zu beten, dass seine Pläne zuschanden werden, wie bei Nehemias Mauerbau alle Anschläge der Gegner an der Wachsamkeit Nehemias scheiterten.
* Wie kann man denn recht wachsam und wacker sein? Unser Text gibt uns ein Hilfsmittel zur Wachsamkeit an: ‚Denkt daran, dass ich nicht abgelassen …‘. Fleißiges Gedenken an die treue Arbeit gesegneter Gottesmänner kann uns aufmuntern und wacker machen. Es gibt allerlei zerstreuendes Denken, welches schwächt. Aber solches Gedenken stärkt. Lasst uns recht denken an die Arbeit, welche Gott in unseren Gegenden durch bewährte Zeugen treiben ließ. Lasst uns ihr Bild oft vor uns stellen und dadurch angespornt werden. Vor allen Dingen lasst uns an den Einen gedenken, der drei Jahre als ‚Knecht des Herrn‘ (Jes 42,19) auf dieser Erde wirkte und ‚nicht abließ, Tag und Nacht‘ für unser Heil geschäftig zu sein. Lasst uns diesen immer wieder vor unsere Seele stellen. So werden wir wacker.
* Wenn die Ältesten das Auftreten jener ‚greulichen Wölfe‘ mit der selbstlosen Arbeit des Paulus verglichen, so war ihnen bald klar, welches die rechte und welches die falsche Arbeit war. Wollen wir Prüfgeist bekommen, so gilt es sich immer wieder in das Leben und die Arbeit solcher Männer zu versenken, die Gott als wahre Führer uns gesetzt und beglaubigt hat.
Es liegt ein dreifacher Trost beim Scheiden des Apostels in diesem Abschiedswort, in dem er die Ältesten Gott anbefiehlt:
* Wenn er auch weggeht, so bleibt doch der himmlische Führer, in dessen Hand er nun alle übergibt (‚Ich befehle euch Gott‘). Das ist ein Trost für den Scheidenden und für die Zurückbleibenden. Menschen gehen und Menschenarbeit hört auf. Gott bleibt und seine Arbeit geht weiter. Gottes Werkzeuge mögen wohl fortgehen, aber das, was Gott durch sie gegeben hat, nämlich „Das Wort seiner Gnade“, bleibt als unversiegbare Kraftquelle zurück. Bei allen drohenden Gefahren, die entmutigen könnten, bei aller Schwachheit der ‚Ältesten‘, schaut der Glaube auf den, ‚der da mächtig ist, zu erbauen‘.
* Ihre Wege gehen jetzt auseinander und doch gehen sie einem gemeinsamen Ziel entgegen. Es ist ‚das Erbe‘, auf das er sie hinweist. Wenn Scheidende diesem Ziel gemeinsam entgegen wandern, so bleiben sie vereinigt (Ps 122,3; Offb 7,9; 1Petr 1,4).
* Sie bleiben auch in einer bestimmten Gemeinschaft verbunden. Welches ist diese Gemeinschaft? Ist es eine äußere Organisation, die durch menschliche Statuten und Paragraphen vereinigt ist? Nein, eine viel höhere Verbindung umschließt sie. Es gibt eine Schar solcher dem Herrn geweihter Seelen, ‚die geheiligt sind‘ (wörtlich). Keine Blutsverwandtschaft und keine Interessenverbindung vereinigt so fest wie das Band das „unter allen, die geheiligt werden“, besteht (Mt 12,48-50)“ (Christlieb, Apostel Paulus, S. 305-307).

V. 33-35: „Indem Paulus während seiner Missionsarbeit nie nach Bereicherung schielte, vermied er eine große Gefahr, welche die Schrift uns unter allen drei Gleichnissen zeigt:
* Er vermied einen ‚Fallstrick‘ (1Tim 6,9; wörtl.). Jäger legen für das Wild Netze und Fallstricke mit Lockspeise. Viele lassen sich betören und geraten in die Gefahr. Indem Paulus nie nach dem Besitz seiner Zuhörer trachtete, umging er diese gefährliche Falle und wurde bewahrt.
* Der Reichtum legt denen, die nach ihm jagen, Sklavenketten an. Er macht die Menschen zu seinen Dienern (Mt 6,24). Während sie den Reichtum zu haben glauben, hat der Reichtum der Welt sie. Paulus wehrte sich nicht, als man ihn bei seiner Gefangennahme in Ketten legte (21,33); aber niemals ließ er sich von Mammonsfesseln binden.
* Der Reichtum ist auch ein Betrüger (Mt 13,22). Er stellt allerlei Befriedigung und Glück in Aussicht und hält sein Versprechen nicht. Er betrügt seine Opfer, die ihm Vertrauen und Liebe entgegenbringen, wie der ärgste Schwindler. Wie wurden Achan (Jos 7,21), Gehasi (2Kön 5,19), Judas (Mt 27,5) und viele andere von ihm betrogen! Paulus ließ sich mit seinem göttlich erleuchteten Auge nicht in den Betrug des Reichtums hineinziehen.
Wir haben Mitleid mit einem Tier, das in einen Fallstrick gerät, mit einem Sklaven, der in Ketten geführt wird, und mit einem Menschen, der einem Schwindler zum Opfer fällt. Sollten wir nicht vielmehr mit unserer eigenen Seele Mitleid haben und die Gefahren des Reichtums vermeiden, wie Paulus tat (Pred 5,9; 1Tim 6,6-10)!
Es gibt Menschen, die für die Arbeit eines Gottesknechtes wenig Interesse haben, wohl aber für die Frage: Wovon lebt er? Welche Einnahmen bezieht er? Wer bei Paulus so fragt, kann in unserem Text eine Antwort erhalten. Es ist eine beschämende Antwort. Dreierlei wird uns hier über Paulus Einnahmen mitgeteilt:
* Woher stammten die Einkünfte von Paulus? Paulus bezog sein Geld weder von gutbemittelten Freunden, noch von den Heimatgemeinden Jerusalem oder Antiochien, sondern durch seine persönliche Arbeit als Zeltmacher (Luther: „Teppichweber“; 18,3). Er konnte auf seine Glieder zeigen und sagen: ‚Diese meine Hände haben mir gedient‘. Paulus war also nicht arbeitsscheu. Er hätte Gründe genug angeben können, wenn er diese Mühe hätte vermeiden wollen. Aber er schaffte mit seinen Händen, um niemand beschwerlich zu werden (1Thess 2,9) und um dem Evangelium kein Hindernis zu bereiten (1Kor 9,12). Der Botschafter des himmlischen Königs schämte sich der Arbeitsschürze nicht! Es sollte niemand auf äußere Arbeit verächtlich herabsehen. Sie entwürdigt den größten Gottesmann nicht. Ein echter Knecht Christi im Arbeitskittel ist vor Gott mehr als ein Mietling in herrlicher Amtstracht (1Kor 4,12; 2Thess 3,8-10; 1Kor 9,14f).
* Wie verwandte Paulus seine Einkünfte? Nicht zu einem bequemen oder üppigen Leben, nicht zum Ansammeln eines Reichtums verwandte Paulus seine Einnahmen. Er brauchte sie nur zu seiner Notdurft. Dieser Ausdruck deutet darauf hin, dass er ein einfaches Leben führte. Er war kein Nabal, der sich ‚ein Mahl zurichtete wie eines Königs Mahl‘ (1Sam 25,36). Er kleidete sich nicht wie der reiche Mann ‚in Purpur und köstliche Leinwand‘ (Lk 16,19). Was zur Nahrung und Kleidung not war (1Tim 6,8), auch solche Bücher, die für seinen Dienst nützlich waren (2Tim 4,13), beschaffte er sich. Aber auf viele Dinge, die nicht zur Notdurft gehörten, verzichtete er gern. Auch wir wollen noch besser lernen, die Einnahmen ‚zu unserer Notdurft‘ zu verwenden und alle Üppigkeit zu vermeiden. Für einen Zweck aber hatte Paulus Geld übrig: Er übte Gastfreundschaft. Es weilten bei ihm oft kürzere oder längere Zeit Gehilfen am Evangelium. Mit ihnen teilte er gern sein einfaches Mahl, wie der Ausdruck ‚und derer, die mit mir gewesen sind‘ uns zeigt. Paulus war also nicht geizig. Er herbergte gern (Röm 12,13). So wollen auch wir für uns selbst einfach leben, aber stets bereit sein, Liebe zu üben und gastfrei zu sein gegen die Brüder (Jes 16,4; Hebr 13,1f; Spr 10,16; 17,1; 1Petr 4,9; 2Kön 4,10; Hiob 31,32; Mt 25,35; Apg 28,14).
* Es hat immer wieder Leute gegeben, die keinem Menschen Einblick gewähren wollten in ihre persönlichen Einnahmen und Ausgaben. Dadurch entstand oft allerlei Misstrauen. Bei Paulus war dies anders. Bei ihm lag kein geheimnisvolles Dunkel über dieser Frage. Den Ältesten war genau bekannt, wie Paulus das selbstverdiente Geld zu seinem Unterhalt verwandte (‚Denn ihr wisst selbst‘). Lasst uns in Geldsachen so wandeln, dass ältere, erfahrene Christen jederzeit in unsere Einnahmen und Ausgaben Einblick erhalten dürfen, weil dieselben einwandfrei sind (Spr 16,8; 15,16).
Dies köstliche Heilandswort kann vielen Christen über einen schwierigen Punkt hinweghelfen. Die heikle Stelle ist bei vielen das Geben. Unser natürlicher Sinn ist vielmehr auf das Nehmen gerichtet. Nehmen wollte der verlorene Sohn das ihm zustehende Teil der Güter (Lk 15,12). Nehmen wollte Gehasi, als er die Silberzentner Naemans sah (2Kön 5,19-21). Die Menschen gleichen alle von Natur den hungrigen Einwohnern Samarias nach dem Verschwinden des syrischen Belagerungsheeres: Alle strömten zu den Toren hinaus, um zu nehmen (2Kön 7,15-17). Ganz anders sieht es mit dem Geben aus. Als die Leute von Sukkoth dem verfolgenden Gideon ‚etliche Brote‘ geben sollten, war ihre Vaterlandsliebe bald zu Ende. Sie hatten Bedenken und Ausflüchte (Ri 8,4-9). Das Geben fiel ihnen offenbar schwer. Solche Gesinnung findet man nicht nur in Sukkoth. Sie steckt tief in unserem natürlichen Herzen. Als der reiche Nabal bei seiner Schafschur David eine Gabe geben sollte, glaubte er alles für seine eigenen Knechte nötig zu haben (1Sam 25,11). Solcher Nabalsinn ist in unserer Brust (Mt 19,21; 1Mose 31,41; Apg 5,1ff; 1Tim 6,10). Nun aber kommt Jesus und ändert unsern Sinn. Bei wahrer Sinnesänderung kommt ein ganz anderes Nehmen an die Stelle des alten. Man nimmt jetzt ‚Gnade um Gnade‘ (Joh 1,16). Man nimmt aus Gottes Wort und aus der Gemeinschaft mit Jüngern Jesu innere Kraft und himmlisches Licht. Dieses neue Nehmen verdrängt das alte. Es wird uns zum Bedürfnis und zur Freude, geben zu dürfen. Rechte Christen sind immer gebende und darum auch immer selige Leute. Auch wenn sie mit Petrus sprechen: ‚Silber und Gold habe ich nicht‘ (3,6), so gehören sie doch zu den ‚Armen, die viele reich machen‘ (2Kor 6,10).
Pastor Engels hatte den Grundsatz: ‚Ich will keinen Tag vorübergehen lassen, wo ich nicht jemand eine Freude mache‘. Auf seinem Antlitz las man die Bestätigung des Wortes: ‚Geben ist seliger denn Nehmen‘. (5Mose 15,11; Jes 58,7; Joh 12,3-8; Hebr 13,5+16)“ (Christlieb, Apostel Paulus, S. 309-312).

V. 36-38:„ Welch ein köstlich Ding ist es um eine rechte Gebetsvereinigung! Hier ist eine solche. Wir freuen uns an den Teilnehmern, der Form und der Zeit dieser Gebetsvereinigung:
* Die Teilnehmer sind Paulus und die Ältesten von Ephesus (‚Er betete mit ihnen allen‘). Wo Gottes Arbeiter und Jesu Knechte zusammenkommen, da ist es ganz natürlich, dass sie miteinander das Angesicht Gottes suchen und vor dem Gnadenthron sich vereinigen. Wo dies als unnatürlich oder überspannt empfunden wird, da ist man nicht in Pauli Linien. Den Segen des gemeinsamen Gebetes soll sich kein Gläubiger, vornehmlich die Arbeiter im göttlichen Weinberg nicht, rauben lassen.
* Die äußere Form war die des knienden Gebetes. Das Knien bedeutet demütige Unterwerfung. Sklaven fielen vor ihrem Herrn, Untertanen vor ihrem König nieder (1Mose 42,6 ; 43,26+28; 44,14; 50,18). Auch uns geziemt Gott gegenüber allezeit aufrichtige Beugung und Unterordnung. Wer die Gesinnung Abrahams (1Mose 18,27) und des Zöllners (Lk 18,13) hat, der beugt die ‚Knie seines Herzens‘. Dies ist die Hauptsache. Wo die Herzensknie durch rechte Sündenerkenntnis gebeugt sind, da pflegt das äußere Niederknien keine Schwierigkeit zu machen. Doch wollen wir aus der äußeren Form niemals ein Gesetz machen.
* Zeitpunkt und Anlass dieses Gebetes waren zunächst der Schluss der Rede von Paulus (‚als er solches gesagt hatte‘). Nachdem er die Ältesten ermahnt, betete er noch mit ihnen. Wie manche Ermahnung würde vielleicht noch tiefer eindringen und unvergesslicher bleiben, wenn der Ermahnende auch mit dem Ermahnten noch beten würde (Joh 17). Endlich stand Paulus jetzt unmittelbar vor einem ernsten Abschied. In diesem feierlichen Augenblick beugte er die Knie und betete mit allen. So wollen auch wir gerade die besonders wichtigen und bedeutsamen Stunden unseres Lebens durch Gebet heiligen.
Die hier geschilderte Abschiedsszene lässt uns einen Blick tun in die Liebe jener Ältesten zu Paulus und ihre Anhänglichkeit an ihn. Aus zwei Gründen ist uns diese Liebe besonders beachtenswert:
* Paulus hatte es nie darauf abgelegt, Anhänglichkeit an seine Person zu erzielen. Er gehörte nicht zu den Männern, welche ‚die Jünger an sich ziehen‘ wollten (V. 30). Er eiferte nicht, wie die galatischen Irrlehrer um die Seelen, damit diese wieder um ihn eifern sollten (Gal 4,17). Sein Trachten ging darauf, dass sie an Christus hingen (2Kor 11,2). Und dieser Mann darf die Liebe und Anhänglichkeit, nach der er niemals getrachtet hat, in besonders reicher Weise erfahren. Er kam also bei seiner lauteren, selbstlosen Arbeitsweise nicht zu kurz. Gott schenkte ihm die Liebe und Zuneigung seiner geistlichen Kinder aufs herrlichste. Daraus sehen wir: Gerade die selbstlosen und uneigennützigen Arbeiter im Reich Gottes, welche die Seelen von sich weg auf Jesus weisen, dürfen die tiefste und bleibende Liebe bei andern ernten. Wer es in Unlauterkeit darauf ablegt, Anhänglichkeit an sich selbst zu erzielen, mag wohl eine Zeitlang Erfolg haben, aber nicht dauernd, denn Gott wendet die Herzen seiner Kinder dem zu, der nur seine göttliche Ehre sucht und seine göttlichen Ziele verfolgt (Jes 42,8; 48,11).
* Aber auch im Blick auf die Ältesten ist uns diese innige Liebe wichtig. Hätten jene Ältesten ihr eigenes Ansehen und ihre eigene Ehre im Auge gehabt, so wären sie sicherlich nicht so tief betrübt über den Abschied des Apostels gewesen. Denn solange dieser in Ephesus (wenn auch nur hin und wieder) persönlich mitarbeitete und die von ihm gegründete Gemeinde leitete, traten sie vielmehr in den Hintergrund. Die Bedeutung des Apostels war so groß und sein Ansehen so mächtig, dass alle anderen gegen ihn zurücktraten. Wären diese Männer stolze Leute gewesen, so würden sie die Abreise des Apostels nicht beweint, sondern im Stillen ersehnt haben, weil sie von jetzt an eine viel größere Rolle spielten und ihr Wort nun maßgebend war. Ihre Tränen beweisen, dass sie nicht in die Art der Mirjam geraten waren, die auf Moses Ansehen neidisch wurde und es schmerzlich empfand, dass ganz Israel immer auf Moses Wort und nicht auf das ihrige hörte (4Mose 12,1f)“ (Christlieb, Apostel Paulus, S. 314-317).

3. TEXT- UND PREDIGTSCHWERPUNKT

„Die Rede von Paulus in Milet ist nicht nur geeignet, uns zur Treue anzuspornen, sondern auch vor Einseitigkeit zu bewahren. Der Anblick von drei scheinbaren Gegensätzen wird uns dies zeigen:
* Paulus sieht dunkel und doch hell in die Zukunft! Zunächst ist es lehrreich, zu beobachten, wie Paulus einerseits so dunkel und schwarz, andererseits so licht und hell in die Zukunft hineinblickt. Dunkel sieht er in die kommende Zeit. Für sich selbst erwartet er ‚Bande und Trübsal in Jerusalem‘ (V. 23). Für die Gemeinde sieht er ebenfalls allerlei Nöte und Schwierigkeiten voraus. ‚Greuliche Wölfe‘, ‚falsche Lehren‘ sieht er kommen (V. 29f). Er schaut die Verirrungen, in die führende, gläubige Männer hineingeraten werden, klar voraus. Er weiß, dass Zertrennungen entstehen werden, indem mancher ein Parteihaupt sein und die Jünger an sich ziehen will, statt sie zum Herrn zu weisen. Welch ein trübes Zukunftsbild! Man könnte den Apostel fast einen Schwarzseher nennen. Und doch gibt es keinen, der so hell, freudig und getrost in die Zukunft hineinblickt wie dieser ‚Schwarzseher‘ Paulus. Wie fröhlich blickt er auf den vor ihm liegenden Leidensweg, als ob es zu einer Hochzeitsfreude ginge. ‚Mit Freuden‘ will er ‚seinen Lauf vollenden‘ (V. 24). Er schaut weit hinaus bis zu dem Erbteil, das einst alle Geheiligten empfangen (V. 32). Wie sind doch wahre Gotteskinder vor der Welt gar sonderbare Leute! Auf der einen Seite sind sie so ernst und schauen schwere Wetterwolken, von denen andere in ihrer Leichtfertigkeit nichts wissen wollen. Auf der anderen Seite sind sie die getrostesten, fröhlichsten Leute der Erde. ‚Sie stehen im Leiden und bleiben in Freuden‘. Sie sind traurig, aber allezeit fröhlich (2Kor 6,10). Wohl allen, die den dunklen und hellen Zukunftsblick recht zu verbinden wissen wie Paulus.
* Paulus ist vielseitig und doch einseitig in seiner Wortverkündigung! Im Rückblick auf seine Wortverkündigung darf Paulus auf der einen Seite auf eine große Mannigfaltigkeit und Vielseitigkeit in seiner Darbietung des Wortes hinweisen (‚Ich habe nichts verhalten, das da nützlich ist‘, V. 20; ‚Ich habe euch nichts verhalten, dass ich nicht verkündigt hätte all den Rat Gottes‘, V. 27). Wie vielseitig muss Pauli Predigt nach all diesen Ausdrücken gewesen sein! Er war kein Steckenpferdreiter. Er brachte nicht immer dieselben Gedankengänge. Er bewegte sich nicht in jeder Ansprache in demselben Kreis, sondern zeigte der Gemeinde den ganzen Heilsrat Gottes nach allen Seiten recht. Und doch war dieser vielseitigste Prediger aller Zeiten auch der einseitigste, denn er fasst allen Inhalt seiner Verkündigung in dem Wort zusammen: ‚Ich habe Buße zu Gott und Glauben an unsern Herrn Jesus bezeugt‘ (V. 20). Seine ganze Aufgabe erkennt er darin, das Evangelium von der Gnade Gottes zu bezeugen (V. 24). Hier ist ein Spiegel für alle, die Gottes Wort zu verkündigen haben: Lasst uns nach Pauli Vielseitigkeit, aber auch nach seiner Einseitigkeit trachten und beides recht zu vereinigen suchen (2Tim 2,15; Ps 119,14).
* Paulus macht die Zukunft ganz von Gottes Macht und Wirken und doch von menschlicher Arbeit und Treue abhängig! Im Blick auf die Zukunft und den Fortgang des göttlichen Werkes in Ephesus setzt Paulus sein ganzes Vertrauen auf den Herrn und erwartet alles von ihm, nicht von Menschen. Er übergibt die Vertreter der Gemeinde ‚Gott und dem Wort seiner Gnade‘ (V. 32). Er weiß, dass der Herr allein ‚mächtig ist, zu erbauen‘ (V. 32). Offenbar war Paulus von dem Bewusstsein durchdrungen, dass der Herr selbst alles machen müsse, damit seine Gemeinde in dieser Stadt wachse und zunehme (Röm 9,16). Und doch sehen wir denselben Apostel Tag und Nacht wirken, als ob alles nur von seiner Arbeit und Treue abhinge. Wir hören ihn, wie er die Ältesten zu gleichem Eifer ermutigt. Ist das nicht ein Widerspruch? Wie vereinigt sich beides? Ein Beispiel aus Hiskias Leben kann uns diesen scheinbaren Gegensatz erklären: Dieser fromme König arbeitete einst eifrig mit den Priestern des Tempels an der Wiederherstellung des rechten Gottesdienstes in Jerusalem. Als nach treuer Arbeit und emsigem Schaffen das Werk glücklich vollendet war, ‚freute sich Hiskia samt allem Volk an dem, das Gott dem Volk bereitet hatte‘ (2Chr 29,36). Obwohl Hiskia eifrig gewirkt hatte, schrieb er doch das vollendete Werk nicht sich selbst und der treuen Menschenarbeit zu, sondern sah es als eine Gabe des Herrn an. Die Stellung Hiskias ist auch Pauli Stellung. Lasst uns beides verbinden. Lasst uns fleißig schaffen an der uns von Gott befohlenen Aufgabe. Aber niemals lasst uns im Blick auf geleistete oder zu leistende Arbeit sagen: Ich bin es, der es schafft (5Mose 8,17). Aus dem rechten Glauben fließt die Treue, welche eifrig wirkt, und die Demut, die Gott allein alles zuschreibt“ (Christlieb, Apostel Paulus, S. 312-314).

Da der Predigttext etwas „länger“ ist, empfiehlt es sich, eine auf Anhieb verständliche und eingängige Übersetzung zu wählen, wie z.B. die „Neue Genfer Übersetzung“ (http://www.ngue.info/online/lesen).

4. PREDIGTVERANSCHAULICHUNG

„Zum Schluss [oder zum Anfang] noch die Geschichte der Wildesel, die immer wieder durch ein Rudel Wölfe angefallen wurde. Eines Tages taten sie etwas Ungewöhnliches. Sie steckten die Köpfe zusammen, um zu beratschlagen, was zu tun wäre. Gerade da kamen die Wölfe. Die Esel hatten keine Zeit zur Flucht. Es blieb ihnen nur noch übrig, fester zusammen zu rücken und nach hinten auszutreten. Das zeigt Wirkung und sie vertrieben die Wölfe (von Gunter Kiene – ‚Lehre und Lebe‘ – BSK – April 2008)“.

5. PREDIGTGLIEDERUNG

Wir bleiben auf Kurs, wenn wir wissen,
a) weshalb wir beauftragt sind (V. 17-21)
b) wozu wir berufen sind (V. 22-28)
c) wodurch wir bedroht sind (V. 29+30)
d) womit wir bewahrt sind (V. 31-38)

oder nach Wilhelm Wagner: Wache Gemeinde
a) steht in der Verantwortung
b) praktiziert die Zuwendung
c) braucht die Ermutigung