Monatsthema: In der Korrektur des Herrn leben
Predigtthema: Umkehr
Bibelstelle: 2.Mose 33, 1-23
Verfasser: Thomas Richter
Ein Predigttipp enthält Hilfestellungen zur Verkündigung und ersetzt deshalb nicht das eigenständige Erarbeiten des Bibeltextes und Studieren von Bibelkommentaren (Hinweise unter „6. Hilfen zur Auslegung und Anwendung“).
1. TEXTZUSAMMENHANG
Die Predigttexte im März veranschaulichen uns an Hand des Volkes Israel, wie nötig eine „Bekehrung“ ist, damit man am Leben bleibt. Der Prozess der Bekehrung umfasst die Abkehr (32,1-14), Auskehr (32,15-35), Umkehr (33,1-23), Heimkehr (34,1-35,3) und Rückkehr (35,4-36,7). Die einzelnen Predigttexte sind von daher immer nur Bestandteile eines größeren Zusammenhangs (Bekehrung), den es vor Augen zu stellen gilt, damit wir auch wirklich „in der Korrektur des Herrn leben“ (= Monatsthema). Gott greift ein ins Leben. Aber entsprechend dem gegenwärtigen Standort im Prozess der Bekehrung fällt sein zurechtbringendes und korrigierendes Handeln unterschiedlich aus.
Letzten Sonntag endete der Predigttext mit dem Gerichtshandeln Gottes an Israel (32,35) und von daher stellt sich die Frage: Wer findet die Nähe Gottes (vgl. Jak 4,8), wie kann man dem Herrn begegnen? Am Leben Mose wird im Text verdeutlicht, wie man dem Herrn begegnen und wie man mit ihm leben kann. Von daher markiert der Text exemplarisch am Leben des Mose wohin es „umzukehren“ gilt (= Predigtthema).
2. TEXTANMERKUNGEN
„So seltsam, so verwirrend es auch klingt: Hier dreht es sich um eine Maske. Mehr noch: um die Maske Gottes. … Aber Gottes Maske – was heißt das? Nirgends steht davon etwas in der Bibel; was soll diese Vorstellung? Hier in 2Mose 33 kommt das Wort tatsächlich vor. Luther übersetzt das hebräische ‚panim‘ schon richtig mit ‚Angesicht‘, so in der Zusage Gottes: ‚Mein Angesicht soll vorangehen‘. Dieses seltene Wort der hebräischen Sprache meint aber nicht das eigentliche Angesicht Gottes. Trotz aller unserer Bildersprache von Gottes Hand oder Gottes Auge kann man bei ihm doch nicht wie bei einem Menschen vom Fuß oder gar Angesicht reden. Dieses hebräische Wort meint eine Art von Verhüllung Gottes, den man nicht sehen und erkennen kann, der aber unter der Maske etwa eines irdischen Geschehens, Erlebens oder auch einer menschlichen Erscheinung den Seinen nahe ist.
Gott begegnet uns unter der Maske – dieser Gedanke ist doch geradezu die Mitte des Evangeliums. In der Verhüllung seines menschgewordenen Sohnes, in der Maske eines Zimmermanns aus Nazareth tritt Gott in unsre Welt. Paulus gebraucht das Wort Maske an einer sehr zentralen Stelle offensichtlich ganz gezielt, dort in Philipper 2, wo von Jesus Christus gesagt ist: ‚Er entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an.‘ Die Gestalt eines Knechtes – aber das griechische Wort für Gestalt, morphe, ist zugleich der Fachausdruck für jene Masken, die die Chorsprecher in den hochberühmten altgriechischen Tragödien von Sophikles oder Aeschylos trugen, die heute wie einst in den großen Theatern von Syrakus, Epidauros oder Athen aufgeführt werden. ‚Ob er wohl in göttlicher Gestalt war, nahm Christus die Maske eines Knechtes, das heißt: eines sterblichen Menschen an … und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz‘.
Gott kommt in der Maske, in der Verhüllung menschlicher Geschehnisse und Geschichte, über die man eben deshalb immer auch anderer, rein vernunftmäßiger Auffassung sein kann. Der Glaube weiß aber dennoch, dass zum Beispiel damals bei jenem Wüstenzug Israels letztlich nicht die Führergestalt des großen Mose, sondern Gottes Angesicht voranging – wenn auch unter der Maske erregender Begebenheiten. Und vor allem weiß der Glaube, dass Gott unter der Maske des gekreuzigten Nazareners der Welt das Heil gebracht hat. Nein, sehen kann man das Angesicht Gottes nicht, auch nicht in der Maske, auch Mose sah es nicht. Nur glauben kann man, dass Gott kommt, vorangeht, führt und am Werke ist.
Gott kommt in der Maske . ja, wir brauchten heute, um diesen Angelpunkt dieses großartigen Kapitels der Bibel zu finden, eine ziemlich lange Hinführung“ (entnommen aus Kurt Hennig. Esslinger Predigten über Gott und die Welt. Neuhausen: Hänssler, 1981. S. 105f).
A. Umkehr = Akzeptieren wie und wo der Herr ist (V. 1-11)!
Das Volk feierte den Gottesdienst nach seinen eigenen Vorstellungen, haben sich selbst ein Bild von Gott geformt, das ihren eigenen Vorstellungen entsprach, aber eben nicht der Realität Gottes.
Deshalb muss Mose nun heraustreten aus dem Gewohnten und Üblichen und kann dem Herrn nur außerhalb des Lagers begegnen (vgl. 2Mose 3,13f; Jes 30,15). Der Herr begegnet Menschen, die ihm nicht vorschreiben, wie er zu sein hat.
Mose gibt dem Herrn Raum (z.B. „Zelt“) in seinem Leben, womit sich die Frage stellt, wo der lebendige Gott Raum in unserem Leben hat, wo er so erscheinen kann, wie er ist (Familie – Gemeinde – Arbeitsplatz – Wohnung)? Wir haben die Orte aufzusuchen, wo der Herr verheißen hat zu erscheinen (V. 7). Wer ihm begegnen will, muss ihn an der Stelle suchen, wo man ihm begegnen kann (z.B. in der Bibel, im Gebet, in der Gemeinde). Gottesbegegnungen kann es durch das Erbarmen Gottes auch an außergewöhnlicher Stelle geben, aber gerade deshalb gilt der Grundsatz: „Die Ausnahme nicht zur Regel erklären“.
Das Volk braucht den stellvertretenden Dienst des Mose. Diese Grundlinie unserer Predigttexte ist wieder konsequent zu Christus hin weiterzuführen (siehe Joh 1,14). Aus diesem Grund brauchen wir auch nicht den Gedanken zu denken: ‚Ja, Mose, der hatte es gut! Aber wir … . Ja, damals, als die Berge bebten und Gottes Wolke kam, das waren noch Zeiten. …‘ Oder wir wünschen uns, in der Zeit gelebt zu haben, als Christus selbst über dies Erde ging, so dass man ihm von Angesicht zu Angesicht begegnen konnte. Mit solchen Tagträumen sollten wir Schluss machen. Die Realität ist doch vielmehr, dass wir nun in einer Zeitepoche leben, in der wir viel größere Möglichkeiten haben, als die Menschen früherer Zeitalter. Das Volk musste damals Abstand halten vom Berg und was damals nur ganz wenigen Menschen vorbehalten war, das steht heute allen Gläubigen offen. Paulus bestätigt zwar, dass der Dienst des Mose herrlich war, aber durch Christus ist für und zu uns ein noch viel größere Herrlichkeit gekommen (2Kor 3,18).
Mose ist offen für die Erscheinung Gottes, eben so wie er erscheinen will. Als Leitspruch könnte man über sein Leben schreiben: „Wenn auch alle, ich nicht“!
Zum Verständnis von V. 11 ist V. 20 zu berücksichtigen. Die Wendung „von Angesicht zu Angesicht“ ist zu verstehen als die Zuwendung einer Person zu seinem Gegenüber (nach Bräumer).
B. Umkehr = Ganz mit und vom Herrn leben (V. 12-17)!
Dreimal redet Mose den Herrn ganz persönlich an („du“) und macht sich so an den Zusagen Gottes fest (V. 12). Der Herr hat ihn beauftragt, mit Namen gerufen und ihm Gnade erwiesen.
Kennzeichnend für Mose ist, dass er nicht schon immer alles zu wissen meint. Er ist zwar schon über 80 Jahre alt, aber weiß, dass er dem Herrn gegenüber immer der Lernende bleibt (V. 13). Wie ist das eigentlich bei uns? Sind wir noch Lernende (= Jünger)? Vgl. hierzu 1Kor 8,2 und Joh 15,12-17.
Wilhelm Wagner hat zutreffend darauf hingewiesen, dass wir den Herrn an seine Zusagen erinnern (V. 12), um seine Wegweisung bitten (V. 13) und durch ihn Gelassenheit erfahren (V. 14) dürfen.
C. Umkehr = Sehnsucht nach der Nähe und Begegnung mit dem Herrn (V. 18-23)!
Die Gemeinschaft mit dem Herrn weckt in Mose ein tiefes Verlangen ihn noch besser kennen zu lernen, womit zugleich das Grundproblem der Menschen deutlich wird: ihr Wunsch zu „sehen“ (V. 18). Allerdings ist hierzu der Grundsatz aus 2Kor 5,7 zu berücksichtigen: „denn wir wandeln durch Glauben, nicht durch Schauen“. Von daher stellt sich die Frage, wie wir die Herrlichkeit (hebr. kabod = Schwere / Gewichtigkeit / Bedeutung) Gottes erfahren können? Für uns gilt, dass wir die Herrlichkeit Gottes in Christus erleben, so wie er in diesem Zeitalter gegenwärtig ist (vgl. Joh 1,14.18; 2Kor 4,6).
Ein Vergleich von V. 20 mit V. 23 zeigt uns, dass Mose nur das „Nachher“ (= von hinten) sehen und ertragen kann. Dazu legt er wieder den Ort fest und schützt ihn „vor der Wucht seiner Herrlichkeit“. Das „Nachher“ ist das bereits Entfernte, der Nachglanz, verleichber mit den Fußspuren im Sand (vgl. Bräumer). Gott macht sich bekannt in seiner Schönheit durch die Erfahrung seiner Güte, Gnade und Barmherzigkeit. Er ist ganz nah (V. 19), ganz für uns da (V. 17), ganz erfahrbar (V. 22), aber hinter der Ausstrahlung seiner „Maske“ durch sein Wesen (V. 19: Güte bzw. Schönheit), seine Eigenschaften (V. 19: gnädig; barmherzig), sein Wirken (V. 19: Jahwe = der Gott der da ist) in Christus.
3. TEXTSCHWERPUNKT
Während das Volk die Gottesbegegnung entsprechend den eigenen Vorstellungen und Wünschen sucht, findet Mose die Gottesbegegnung an dem Ort und nach der Art und Weise wie der Herr es will. Aus diesem Kontrast ergibt sich das Predigthema „Umkehr“. Von falschen Ansichten und Wünschen der Gottesbegegnung gilt es umzukehren.
4. TEXTVERANSCHAULICHUNG
„Samstag, der 11.08.2007 – Paris vor dem Centre Pompidou – 13:17h – ein Mann stellt zwei Klapphocker auf – begrüßt die anderen Straßenkünstler – wartet ab – und beginnt Porträts von Passanten zu zeichnen – normalerweise macht er das nicht – aber mal was Neues probieren – 5 Euro – gelegentlich sogar gratis, aber nicht jeder nimmt sein Porträt auch mit – einigen sieht das einfach zu normal aus, zu wenig spektakulär, zu gewöhnlich – so verschwinden 25 Werke in amerikanischen und koreanischen Rücksäcken oder wandern gleich wieder in den Müll.
Das Interessante – der Künstler ist aber nicht irgendein Künstler, sondern der Künstler – sein Name: Daniel Richter – auf Auktionen werden mittlerweile bis zu 800.000 Dollar für seine Gemälde bezahlt – eines davon ist auch oben im Centre Pompidou, vor dem er sich nun als Straßenkünstler betätigt – seine Galeristin sagt, wenn sie diese Straßenzeichnungen verkaufen würde, würde sie mindestens 6500 Euro pro Blatt bekommen – aber: wer kennt schon Daniel Richter, wer weiß wie der Künstler aussieht und wer vermutet ihn unter den Straßenkünstler – ein Experiment oder wie man heutzutage sagt: Eine Performance, die der Gier des Marktes mit der Schönheit der Vergeudung begegnet.
Aber es ändert nichts daran – 25 Menschen haben nur nach dem äußeren Schein geurteilt – nichts außergewöhnliches festegestellt, da sie nicht erkannt haben, wer der Schöpfer dieser Werke war – manches kommt ganz unscheinbar daher und ist doch äußerst wertvoll – den Wert erkennt man oft erst, wenn man weiß, wer der Schöpfer dahinter ist! Aber auf den ersten Blick wirkt vieles so ganz normal! So lebt man mit manchem Schatz und weiß gar nichts davon, weil man nicht erkennt und wertschätzt, wer der Schöpfer dahinter ist.“
„Eine russische Legende erzählt von zwei Mönchen. Sie hatten in einem alten Buch gelesen, dass es am Ende der Welt eine Tür gäbe, hinter der sich Himmel und Erde berührten und die Herrlichkeit Gottes sichtbar würde.
Der Gedanke faszinierte sie. Diese Tür wollten sie finden, und so machten sie sich auf den Weg und durchstreiften die ganze Erde. Sie nahmen Entbehrungen und Gefahren auf sich. Nichts konnte sie von ihrem Ziel abbringen. Schließlich fanden sie die Tür, die sie suchten. Sie klopften an und gingen voller Erwartung hinein. Als sie sich umsahen, stellten sie fest, dass sie vor dem Betschemel ihrer alten Klosterzelle standen. Da begriffen sie: Der Ort, an dem sich Himmel und Erde berühren, liegt nicht am Ende der Welt sondern ist da, wo wir leben, da, wo wir hineingehören“ (entnommen aus der Zeitschrift Entscheidung Nr. 112 von Konrad Eißler S. 13).
Von Prof. Ole Halesby stammt der markante Ausspruch: „Je länger ich lebe, umso mehr danke ich Gott, dass ich ihn nie ganz verstehen kann. Denn wenn er nicht größer wäre, als mein Begriffsvermögen, dann wäre er gewiss nicht in der Lage, diese Welt zu regieren, noch viel weniger sie zu retten“.
5. PREDIGTGLIEDERUNG
Umkehren in die Gemeinschaft mit dem Herrn kann,
a) wer akzeptiert wie und wo der Herr ist (V. 1-11)
b) wer ganz mit und vom Herrn zu lebt (V. 12-17)
c) wer sich nach der Nähe des Herrn sehnt (V. 18-23)
Konrad Eißler:
a) Gottes Güte zeigt sich in seinem Namen
b) Gottes Barmherzigkeit zeigt sich an seiner Hand
c) Gottes Freundlichkeit zeigt sich in seiner Spur
6. HILFEN ZUR AUSLEGUNG UND ANWENDUNG
Hansjörg Bräumer. Das zweite Buch Mose: Kapitel 19-40. Wuppertaler Studienbibel. Wuppertal: R. Brockhaus, 1999. S. 337-346.
Karl Heinz Knöppel. Auf dem Weg mit Gottes Volk: Streifzüge durch das zweite Buch Mose. Neuhausen: Hänssler, 1997. S. 135-144.