Predigtthema: Allein die Gnade macht gerecht
Die Erarbeitung dieser Predigt erfordert etliche Stunden an Vorbereitung. Zu eurer Unterstützung enthält diese Predigthilfe deshalb Hinweise für eure Verkündigung, ersetzt aber nicht euer eigenständiges Erarbeiten des Bibeltextes. Bei der Vorbereitung dieser Predigt suchen wir nach dem, was der Herr über den Predigttext durch uns sagen will, denn wir verkündigen nur die Botschaft, die uns persönlich auf der Basis des Predigttextes aufs Herz gelegt wird. Nur wo der Herr uns das Herz gefüllt hat, da haben wir etwas zu sagen, da nur dann gilt: „Wer euch hört, hört mich“ (Lk 10,16a)!
1. Sehen, was dasteht
Verschiedene Bibelübersetzungen um mit dem Predigttext vertraut zu werden findet man z.B. unter www.bibleserver.com (Luther 1984 / Revidierte Elberfelder Bibel / Hoffnung für alle / Schlachter 2000 / Neue Genfer Übersetzung / Gute Nachricht Bibel / Einheitsübersetzung / Neues Leben Bibel / Neue Evangelistische Übersetzung).
1.1 Allgemeine Hinweise zum Predigttext
Mit Römer 5 beginnt ein neuer Abschnitt im Römerbrief. Römer 1-4 beschreibt das Wie der Rechtfertigung. Römer 5-8 das Wozu der Rechtfertigung, also die Folgen der Rechtfertigung: das Leben aus Glauben – „Heiligung“ genannt. Wie in einem Gerichtsprozess zeigt Paulus in Römer 1-4, dass ausnahmslos alle Menschen untauglich sind für Gottes Reich, sowohl Heiden als auch Juden. Gott aber rechtfertigt den Sünder allein aufgrund seiner Gnade durch das Sühneopfer von Jesus Christus am Kreuz. Wer dieses Opfer im Glauben für sich annimmt, den spricht Gott gerecht, und zwar nicht aufgrund seiner guten Werke, sondern allein aus Glauben.
In den Kapiteln 1-4 kommt das Wort „glauben“ deshalb über 25mal vor, das Wort „leben“ aber nur 2mal. Dagegen behandeln die Kapitel 5-8 das Leben des aus Glauben Gerechten. Das Wort glauben erscheint nun fast nicht mehr, dagegen das Wort „leben“ 25 mal!
1.2 Hilfen zum Verständnis des Predigttextes
Hilfen zur Auslegung bieten z.B.
- Adolf Pohl, Der Brief des Paulus an die Römer, Wuppertaler Studienbibel
- Heiko Krimmer, Römerbrief, Edition C
Bitte studiert auch den hilfreichen Predigttipp von Eckhard Löffler vom 04.09.2005 zu Römer 5, 1-5 https://www.christusbund.de/predigthilfen/predigthilfe-vom-4-9-2005-romer-5-1-5/ und von Mathias Koch vom 29.06.2014 zu Römer 5, 1-11 unter https://www.christusbund.de/predigthilfen/predigttipp-vom-29-juni-2014-romer-5-1-11/
Beachtenswerte Anmerkungen zum Predigttext bietet z.B. die MacArthur Studienbibel und div. andere Studienbibeln.
1.3 Anmerkungen zum Verständnis des Predigttextes
Vers 1:
„Da wir nun gerechtfertigt worden sind aus Glauben“: Mit diesem Satz fasst Paulus noch einmal das Ergebnis seiner Ausführungen in Kap. 1-4 zusammen und leitet zum nächsten Gedankengang über: dem neuen Leben aus Glauben.
Paulus verwendet das Wort rechtfertigen fast ausschließlich als Tätigkeit und Urteil Gottes, womit er den Glaubenden rechtfertigt (Römer 3,26). Das macht deutlich, dass es allein Gott ist, der rechtfertigen kann.
„…haben wir Frieden mit Gott“: Frieden mit Gott ist nun das Ergebnis der Rechtfertigung aus Glauben. Frieden ist ein Zustand, den der Mensch nicht selbst herbeiführen kann, sondern er ist nur durch Gottes Erbarmen möglich. Deshalb kann die Botschaft des Evangeliums auch als Evangelium des Friedens bezeichnet werden, vgl. Epheser 2,17: „Und er ist gekommen und hat im Evangelium Frieden verkündigt euch, die ihr fern wart, und Frieden denen, die nahe waren.“ Der Mensch, der Frieden mit Gott hat, kann auch Friedensstifter sein, vgl. Römer 12, 17: „Vergeltet niemandem Böses mit Bösem. Seid auf Gutes bedacht gegenüber jedermann. Ist’s möglich, soviel an euch liegt, so habt mit allen Menschen Frieden.“ Hier ist die Reihenfolge innerhalb des Briefes wichtig: zuerst Rechtfertigung und dann Aufforderung: Paulus fordert die aus Glauben Gerechten auf, mit allen Menschen Frieden zu haben.
Vers 2:
„…Zugang zu dieser Gnade“: Der Sünder hat keinen Zutritt zu Gottes Gegenwart. Ganz anschaulich wird diese Tatsache durch den Aufbau und die Ordnungen der Stiftshütte, die Gott anordnete, bzw. später den Tempel: Das Allerheiligste war durch einen Scheidevorhang abgetrennt. In das Allerheiligste, die Gegenwart Gottes, durfte nur der Hohepriester und das auch nur einmal im Jahr, am großen Versöhnungstag, unter genauen Anweisungen. Durch Jesus ist der Zugang zu Gottes Gegenwart nun frei: der Scheidevorhang im Tempel zerriss, als Jesus am Kreuz für die Sünden der Menschen starb (Mt 27,52). Es ist kein weiteres Opfer mehr nötig, der Glaubende hat durch das Gebet Zugang zu Gottes Thron.
„…rühmen uns aufgrund der Hoffnung der Herrlichkeit Gottes“: Frieden mit Gott spricht die Gegenwart des Glaubenden an, Herrlichkeit Gottes ist noch Zukunft und deshalb die Hoffnung des Glaubenden.
Schloss Paulus in Römer 3, 27 das Rühmen noch aus („Wo bleibt nun das Rühmen? Es ist ausgeschlossen. Durch welches Gesetz? Durch das Gesetz der Werke? Nein, sondern durch das Gesetz des Glaubens.“), so hält er es jetzt für nötig, und es ist auch klar warum: in Bezug auf sich selbst bzw. auf den Menschen ist das Rühmen ausgeschlossen: es wurde ja festgestellt, dass alle Menschen, ohne Ausnahme, Sünder sind. Nun rühmt Paulus doch, aber nicht sich selbst, sondern er rühmt die Herrlichkeit Gottes bzw. in Vers 11 Gott selbst. Das Wort Rühmen hat in der Bibel eine negative Bedeutung, wenn es um den Menschen und seine Leistungen geht. Aber in Bezug auf Gott, bzw. auf das was er schenkt, ist es positiv, ja nötig und Ausdruck lebendigen Glaubens.
Vers 3-5:
Was Paulus nun ausführt, könnte wie eine kalte Dusche wirken. War eben noch von Herrlichkeit Gottes die Rede, geht es nun um Bedrängnisse. Das Wort Bedrängnis bedeutet wörtlich zusammendrängen. Es bedeutet Bedrückung, Drangsal, Trübsal und ist der zentrale Ausdruck im NT für das Leiden der Christen in der Welt, besonders unter der Verfolgung (vgl. Apg 14,22: „Sie stärkten die Seelen der Jünger und ermahnten sie, im Glauben zu verharren, und sagten, dass wir durch viele Bedrängnisse in das Reich Gottes hineingehen müssen“). Warum also kann sich Paulus in Bedrängnis rühmen? Weil er das Ziel im Blick behält: die Hoffnung darauf, einmal an Gottes Herrlichkeit teilhaben zu dürfen (Vers 2). Bedrängnisse kann Paulus als etwas sehen, das Gott zulässt, um Heiligung zu bewirken. Das führt er weiter aus:
Warum lässt die Hoffnung auf die Herrlichkeit nicht zuschanden werden, warum enttäuscht sie nicht? „…denn Gott hat uns mit dem Heiligen Geist, den er uns geschenkt hat, auch seine Liebe ins Herz ausgegossen“ (NeÜ). Nun kommt Paulus zum ersten Mal auf den Beistand zu sprechen, den Jesus seinen Jüngern versprochen hat, den Heiligen Geist (Joh 14,16). Hier finden wir das Geheimnis, warum sich Paulus in Bedrängnissen rühmen kann: Gott rüstet den aus Glauben Gerechten mit seinem Geist aus, der hier vor allem als Geist der Liebe charakterisiert wird. In allen Bedrängnissen und Anfeindungen hilft der Geist, mit Liebe, statt mit Hass oder Verbitterung zu reagieren. Dass der Geist „ausgegossen“ wurde, soll die Tatsache betonen, dass Gott den Glaubenden durch den Geist mit überfließender Liebe beschenkt. Liebe also, die durch den Glaubenden zu anderen Menschen „überschwappt“. Ganz so, wie es Gottes Art ist, ganz so, wie Jesus das vorgelebt hat.
Diese Verse zeigen ganz eindringlich, dass es ein Christsein ohne Schwierigkeiten und Anfeindungen nicht gibt. Vielmehr gebraucht Gott Schwierigkeiten, damit der Glaube sich dadurch bewährt. Ein Leben ohne Leiden wird es erst am Ziel, in Gottes Herrlichkeit geben. Bis dahin muss der Gerechte aber nicht verzagen, weil der Geist Gottes seiner Schwachheit aufhilft.
Vers 6-10:
„…als wir noch kraftlos waren“: kraftlos heißt, ohne Kraft in Bezug auf geistliche Dinge. Der Mensch kann zu seiner Erlösung nichts beitragen. Im Gegenteil: er ist durch und durch Sünder und damit Feind Gottes (Vers 11). Paulus macht sehr deutlich, dass Sünde kein kleines Problem, keine Lappalie ist, sondern nichts anderes als Feindschaft gegen Gott (vgl. Römer 8,6f: Was der Geist will, bringt Leben und Frieden, aber was die menschliche Natur will, bringt den Tod. Denn der menschliche Eigenwille steht dem Willen Gottes feindlich gegenüber; er unterstellt sich dem Gesetz Gottes nicht und ist dazu auch gar nicht fähig).
Nun wird auch klar, warum Frieden mit Gott ein besonderes Geschenk ist: Es war allein Gottes Entscheidung, sich mit dem feindlich gesinnten Menschen zu versöhnen und so Frieden zu stiften. Dafür nahm Jesus Christus den Tod am Kreuz auf sich. Am Kreuz zeigt sich die Feindschaft des Menschen Gott gegenüber ganz unmaskiert: dass der Mensch nämlich fähig war (und immer noch ist), den hinzurichten, der sein Leben lang nur Gutes tat. Nachdem dies gesagt ist, führt Paulus den unfassbaren Gedanken aus, dass Christus für den ihm feindlich gesinnten Menschen freiwillig und aus Liebe starb. Das Kreuz zeigt also zweierlei: den abgrundtiefen Hass, der im Menschen steckt und der vor nichts und niemandem zurückschreckt und die abgrundtiefe Liebe Gottes, die sich durch nichts und niemanden aufhalten lässt und so Erlösung für diejenigen schafft, die ihre große Schuld eingestehen. Deutlicher kann man nicht darlegen, dass Errettung allein Gottes Werk ist: Allein die Gnade Gottes macht gerecht!
Ähnlich wie in Röm 4,25 macht Paulus hier in Vers 10 deutlich, dass selbstverständlich Tod und Auferstehung zusammenwirken und zusammengehören. Ohne die Auferstehung würde das alles nichts bringen (1. Kor 15).
Vers 11:
Paulus schließt den Gedankengang mit dem Rühmen ab. Wer so mit Gott durch Jesus Christus versöhnt wurde, kann nicht anders als Gott dafür zu loben. Wieder ist jeglicher Eigenruhm ausgeschlossen.
2. Verstehen, worum es geht
2.1 Hinweise für hermeneutische Überlegungen
Wir befinden uns im Zentrum des Heilsplanes Gottes. Nachdem Paulus deutlich gemacht hat, dass alle Menschen ohne Ausnahme Sünder sind (Kapitel 1-3) und dass bereits Abraham (Kapitel 4) ohne Werke gerechtfertigt wurde, gipfelt er in der Aussage, dass Gott uns Menschen bereits im Zustand Sünde und Verlorenheit geliebt hat, dass er für uns gestorben ist, als wir noch Feinde waren. „Allein die Gnade macht gerecht“ das ist also kein theoretischer Glaubenssatz, sondern fasst beides zusammen: der verlorene Mensch kann nur durch das Sterben und Auferstehen von Jesus gerettet werden. Ohne Zutun von Werken. Das ist die reformatorische Erkenntnis, die in jede Zeit neu hineingesprochen werden muss.
2.2 Hinweise für situative Überlegungen
Für viele Menschen beginnt mit den Sommerferien der wohlverdiente Urlaub. Endlich, nach einem anstrengenden Jahr die Füße hochlegen, sich ausstrecken und nichts tun, was an Arbeit erinnert.
Das, was wir genießen, möchten wir uns auch gerne verdienen. Sonst hat es einen Beigeschmack!
Hier kann man wunderbar an Gottes Gnade anknüpfen. Gottes Gnade kann man sich nicht verdienen. Können wir sie trotzdem annehmen und genießen? Regt sich da in uns das schlechte Gewissen, wenn wir keine „geistliche Leistung“ erbringen?
2.3 Hinweise für homiletische Überlegungen
Der Text deckt sehr viele Themen ab, die alle für sich schon eine Predigt ergeben würden: Glaube, Hoffnung, Liebe, Frieden, Versöhnung, Gnade…
Es ist deshalb wichtig, sich auf einen Kerngedanken zu fokussieren, den man dann in verschiedenen Aspekten darlegt!
3. Sagen, wo es hingeht
3.1 Predigtziel – warum halte ich diese Predigt?
Die Zuhörer sollen erkennen, dass der Mensch von seinem Wesen her Feind Gottes ist. Gottes Wesen aber ist die Liebe. Er hat sich trotz dieser Feindschaft für den Menschen hingegeben. Seine Gnade allein rettet den Menschen aus seinem verlorenen Zustand.
3.2 Predigtentfaltung – wie sage ich es in dieser Predigt?
Allein die Gnade macht gerecht!
Gnade schenkt uns:
a) einen freien Zugang zum Vater (Vers 1-2)
b) eine Hoffnung mitten in Bedrängnis (Verse 2b-5)
c) eine Liebe, die alle Feindschaft überwindet (Verse 5b-11)
4. Predigtveranschaulichungen – wie verdeutliche ich es in dieser Predigt?
Sola gratia – allein die Gnade
Was es heißt, in einer Leistungsgesellschaft zu leben, können besonders die nachvollziehen, die an den Anforderungen scheitern, denen man sich in einer solchen gegenübersieht. Erfolg beruht auf Leistung, und wer keine Leistung erbringt, dem bleiben Erfolg und Anerkennung verwehrt. Das geht dann schnell einher mit sozialem Abstieg, Frustration, Ausgrenzung, Perspektivlosigkeit usw.
Das Deutschland im Mittelalter war eine religiöse Leistungsgesellschaft. Das Seelenheil (ewiges Leben) musste man sich durch allerlei religiöse Pflichten und Verbindlichkeiten mühsam erarbeiten. Trotzdem gab es keine letzte Sicherheit, ob diese Bemühungen auch wirklich ausreichten. Man starb in der Ungewissheit, ob es wirklich reichte, was man geleistet hatte.
Martin Luther aber hatte erkannt, dass nicht einmal das beste Bemühen ausreichte, um von Gott vorbehaltlos anerkannt zu werden. Es war wie das vergebliche Jagen nach einem unerreichbaren fernen Ziel. Der Erfolg musste aufgrund der Sündhaftigkeit des Menschen ausbleiben, ja, rückte in immer weitere Ferne. Denn je mehr man Gottes Heiligkeit erkennt, desto tiefer blickt man auch in die eigene Sündhaftigkeit. Luther hat sehr unter dieser Einsicht gelitten, bis er aus dem Neuen Testament heraus erkennen durfte, dass die ewige Rettung nicht auf menschlicher Leistung, sondern allein auf Gnade beruht, durch die Gott das ewige Heil aus freien Stücken denen schenkt, die auf das vollkommene Werk der Erlösung in Jesus Christus vertrauen. Das Heil war ihm längst geschenkt, begriff Luther. Durch diese Erkenntnis von einem ungeheuren Druck befreit, war er völlig neu fähig und motiviert zu einem kraftvollen Leben im Dienst für Gott und seine Mitmenschen. (von Joachim Pletsch)
Das Gnadengesuch
Es war im 19. Jahrhundert. Reichsgraf Prinz Karl von Salm-Horstmar besuchte des öfteren die Strafanstalten und Zuchthäuser seines Landes, weil ihm die Straffälligen am Herzen lagen. Aber unter all den Inhaftierten fand er keinen, bei dem er hätte erkennen können, dass er aus seiner Straftat und dem Gerichtsurteil gelernt hätte. Alle rechtfertigten sich und stellten ihr Urteil in Frage. Nur einer bekannte ihm, dass er zu Recht einsitze, weil er viele Straftaten begangen habe. Der Prinz setzte sich daraufhin bei König Wilhelm von Preußen dafür ein, dass dieser Mann begnadigt würde. Diesem Gnadengesuch wurde erst stattgegeben, nachdem der Reichsgraf sich persönlich mit seinem Ehrenwort für den Gefangenen verbürgt hatte.
Das ist bis heute so: Nur wer sein Urteil anerkennt, kann auf Antrag begnadigt werden. Und: Begnadigung setzt ein rechtskräftiges Urteil voraus.
Gott handelt mit uns Menschen nicht anders. Sein Urteil über jeden von uns lautet: Schuldig vor Gott. Und im Grunde weiß jeder, dass er den Geboten Gottes nicht entspricht. Und doch versuchen alle, sich zu rechtfertigen, die Schuld auf andere zu schieben, mildernde Umstände geltend zu machen oder die Schuld zu bagatellisieren. Viele versuchen durch gute Taten nach dem Waagschalenprinzip ihre schlechten aufzuwiegen. Doch jeder weiß, dass man keine Sünde ungeschehen machen kann. Wir brauchen Begnadigung durch Gott! Und Gott kann sie uns gewähren, weil sein Sohn Jesus Christus sich für uns verbürgt hat, er nahm unsere Schuld auf sich und hat für sie gesühnt. Ob wir bereit sind, die Begnadigung Gottes anzunehmen? (von Eberhard Platte)
Gnade, solange die Fackel brennt
Von dem griechischen König Alexander dem Großen wird erzählt, dass er jedes Mal, wenn er eine feindliche Stadt belagerte, vor den Stadttoren eine brennende Fackel in die Erde stecken ließ. Das bedeutete, dass jeder, der herauskam, solang diese Fackel brannte, am Leben bleiben durfte. Der König gewährte diesen Menschen seine Gnade. War dagegen die Fackel abgebrannt, wurde die Stadt gestürmt und jeder getötet, der sich noch innerhalb der Mauern befand.
Heute noch bietet Gott uns seine Gnade an. Er will, dass wir leben. Wir Menschen müssen uns jedoch entscheiden: zu ihm umzukehren oder ihn weiterhin zu ignorieren. Und das, solange wir leben, d.h. solange unsere Lebensfackel brennt. Wie lange noch, das weiß niemand. Ein plötzlicher Sturm kann sie jederzeit ausblasen.
Wenn ein Verurteilter vom Bundespräsidenten begnadigt wird, so bedeutet das: Es wird auf die weitere Vollstreckung eines Urteils verzichtet. Und der Verurteilte wird in den Stand versetzt, als hätte er nie eine Straftat begangen. Dadurch steht aber Gnade im Gegensatz zur Gerechtigkeit. Es ergeht Gnade vor Recht. Menschliche Gnade setzt die Gerechtigkeit außer Kraft.
Bei Gott ist das anders. Seine Gnade gibt er nie auf Kosten der Gerechtigkeit. Er wäre sich sonst selbst untreu. Bei Gott stimmen Gnade und Gerechtigkeit überein. Seine Gerechtigkeit fordert die Bestrafung der Menschen für ihre Sünden, aber in seiner Liebe und Gnade hat Gott seinen eigenen Sohn als »Sühnung für unsere Sünden« gesandt. Am Kreuz auf Golgatha sind Gottes heilige und gerechte Forderungen durch den Herrn Jesus vollständig erfüllt worden. Und zugleich leuchtet hell vom Kreuz die wunderbare Gnade. Auf dieser Grundlage bietet Gott uns seine Gnade an. Er will, dass wir leben sollen. (von Herbert Laupichler)
(Karlheinz Deininger)