Lukas

Predigthilfe vom 3.11.2002 – Lukas 9,57-62

Monatsthema: Die Rettung ausrufen
Predigtthema: Gottes Reich verkündigen

Bibelstelle: Lukas 9,57-62

Verfasser: Boris Paschke

„Nachfolge – Was ist das?“

1.Zusammenhang
Der hier behandelte Text gehört zu der Reise Jesu nach Jerusalem, die mit Lk 9,51 beginnt. Jesus befindet sich also sozusagen auf dem Endspurt, auf dem Gang zur völligen Ablehnung, zum Leiden und zum Kreuz. Auf diesem Hintergrund gewinnt die Nachfolge seiner Jünger – das ist das Thema dieses Abschnitts – einen großen Ernst. Im vorhergehenden Abschnitt (V.51-55) ging es um die Ablehnung, die Jesus in Samarien erfahren hat.
Es ist naheliegend anzunehmen, dass alle drei Gespräche irgendwann auf der Reise Jesu nach Jerusalem stattfanden. Aus dem Text ist jedoch nicht zu entnehmen, dass diese chronologischen Charakter hätten. Der Ausdruck ist so allgemein gehalten, dass eine nähere Ortsbestimmung ebenfalls nicht möglich ist. Auch die drei Personen, die mit Jesus die Gespräche führen, werden nicht näher bekannt gemacht. Ihre Reaktion auf die Antworten Jesu bleibt dem Leser ebenfalls verborgen. All diese offenen Fragen lassen diese Umstände in den Hintergrund treten. Lukas möchte so die Aufmerksamkeit seiner Leser auf den Inhalt der jeweiligen Aussagen Jesu lenken.

2.Biblische Parallelen
Verse, in denen es um Verzicht, Entbehrung und Leiden um der Nachfolge Jesu willen geht: Mt 10,34-39; Mt 16,24-28; Mk 10,28.

3.Der Aufbau/Gliederung des Textes
1)Verse 57-58 Jesus und der erste Gesprächpartner
2)Verse 59-60 Jesus und der zweite Gesprächpartner
3)Verse 61-62 Jesus und der dritte Gesprächpartner

4.Einzelerklärungen

Vers 57
„Ich will dir folgen“: es handelt sich hier um einen Wunsch bzw. Willensentschluss. Hinter dem „folgen“ der Luther-84-Übersetzung steckt das griechische Verb akoloutheo, welches besser mit „nachfolgen“ zu übersetzen (vgl. Elberfelder) und im Sinne von „sich Jesus anschließen, um sein Jünger zu sein“ zu verstehen ist.

„wohin du gehst“: Der Gesprächspartner will Jesus mit diesem Zusatz deutlich machen, wie ernst sein Entschluss zur Nachfolge ist. Es gibt für ihn keinen Ort, an den er Jesus nicht begleiten würde. Die meisten anderen dt. Übersetzungen haben diese (auch im Urtext zum Ausdruck gebrachte) vorbehaltlose Bereitschaft besser ins Deutsche übertragen als die Luther-84-Übersetzung. So übersetzt z.B. die Gute Nachricht: „ganz gleich, wohin du gehst.“ (vgl. auch Elberfelder und Hoffnung für alle) Dass der Wunsch zur Nachfolge ernst gemeint ist, kann nicht bezweifelt werden; was genau aber der Sprecher unter Nachfolge versteht, kann aus dem Text nicht entnommen werden. Es ist nicht im Sinne des Lukas, dass seine Leser über das Verständnis dieser Person von Nachfolge nachsinnen, sondern der Fokus liegt auf Jesu Antwort, in der zum Ausdruck kommt, was es bedeutet, Ihm nachzufolgen.

Vers 58
Jesus hält der Nachfolgebereitschaft seines Gesprächpartners eine Warnung entgegen: Die wilden Tiere haben Wohnstätten, Jesus (der „Menschensohn“) dagegen hat keine. Sicherlich war Jesus nicht „immer“ heimatlos, doch im Licht der Ablehnung, die er grundsätzlich erfuhr (vgl. die Verweigerung einer Herberge in einem Dorf der Samariter, Lk.9,51-55) ist diese Aussage zutreffend. Hengel schreibt, dass „Heimatlosigkeit von Geburt an Jesu Schicksal war.“ (vgl. Lk 2,7) Da die Warnung Jesu eine Antwort auf den Wunsch zur Nachfolge ist, gilt das, was auf Jesus zutrifft ebenfalls dem, der ihm nachfolgen möchte: Heimatlosigkeit und Ablehnung sind Kosten der Nachfolge, denn der Jünger ist nicht größer als sein Meister (vgl. Mt 10,25; Joh 15,20). Kittel schreibt zutreffend, dass Nachfolge ein „Teilhaben an dem Geschick Jesu“ ist.

Vers 59
„Und er sprach …“: Anders als in Vers 57 wird die „andere“ Person hier von Jesus selbst zur Nachfolge aufgefordert.

„Herr, erlaube mir, …“: Es geht bei diesem Einwand nicht um eine Verweigerung der Nachfolge. Das „zuvor“ zeigt vielmehr eine grundsätzliche Einwilligung zur Nachfolge, doch es wird hier um einen Aufschub gebeten. Die Bitte des Sprechers zeugt von Verantwortungsbewusstsein und ist in einer Kultur, in der Beerdigungen große Bedeutung beigemessen wurden, sehr wohl berechtigt. Die eigenen Eltern zu bestatten war von größter Wichtigkeit (vgl. 2.Mose 20,12; 1.Mose 25,9; 35,29; 46,4; 50,5; 1.Kön 13,31) Im apokryphen Buch Sirach heißt es: „Mein Sohn, wenn jemand stirbt, dann weine und klage über ihn. Zeig, dass es dir nahe geht! Gib ihm ein ordentliches Begräbnis und vernachlässige sein Grab nicht.“ (Sir 38,16, Gute Nachricht Bibel)

Vers 60
„Aber Jesus sprach zu ihm: …“ Die Antwort Jesu ist hart. Es wurde von einigen Auslegern versucht, der Härte die Schärfe zu nehmen, indem sie die Bitte so auslegten, dass der Gesprächspartner warten wollte, bis sein Vater irgendwann, in einer unabsehbaren Zukunft, sterben würde. Doch es ist hier eher anzunehmen, dass der Vater entweder schon tot war oder im Sterben lag.

„Tote“: die „Toten“ können niemanden begraben. Es muss sich hier also um eine rhetorische Stilfigur Jesu handeln, d.h. er muss mit den ersten „Toten“ etwas anderes als mit den zweiten „Toten“ meinen. Im NT wird „tot“ des öfteren im Sinne von „geistlich tot“ verwendet (vgl. Lk 15,24; 32; Eph 2,1.5; Kol 2,13; 1Tim 5,6). Das scheint auch hier der Fall zu sein. Jesu Aussage hat – so Noel Kachouh – folgenden Nebeneffekt: „Dadurch, dass Jesus hier von den geistlich Toten redet und den zweiten Kandidaten durch das „du aber“ aus der Gruppe dieser geistlich Toten heraushebt, stellt er ihm das geistliche Leben, das durch die Verbindung mit der Nachfolge zustande kommt, vor Augen.“ Was Jesus hier sagen will, ist eindeutig: Auch vor den wichtigsten (familiären) Pflichten dieser Welt hat die Nachfolge Priorität, nichts ist ihr vorzuziehen. Ein „zuvor“ gibt es vor der Nachfolge eben nicht. Keine Pflicht, wie heilig sie auch sein mag, darf der Nachfolge im Wege stehen (vgl. Lk 14,26). Für das Nicht-Nachfolgen gibt es keine Entschuldigung, wie vernünftig diese auch immer klingen mag: Nachfolge hat allerhöchste Priorität. Interessanterweise war es im Alten Bund den Hohepriestern und den Gottgeweihten untersagt, ihre Eltern zu begraben (3.Mose 21,10-11; 4.Mose 6,6-7)

„verkündige“: Es ist interessant, dass Jesus hier nicht sagt: „du aber folge mir nach!“, sondern: „du aber verkündige!“. Damit setzt er „nachfolgen“ und „verkündigen“ auf dieselbe Ebene. Jesus nachfolgen ist von der Verkündigung der Herrschaft Gottes nicht zu trennen!

Vers 61
„zuvor“: Auch der dritte Gesprächspartner bat Jesus darum, „zuvor“ etwas anderes,
etwas also, dem er höhere Priorität als der Nachfolge einräumte, tun zu dürfen.
„dass ich Abschied nehme von denen, die in meinem Haus sind“: Genau diese Bitte richtete der pflügende Elisa bei seiner Berufung an Elia (1Kön 19,19-21): „Lass mich meinen Vater und meine Mutter küssen, dann will ich dir nachfolgen“. Was Elia erlaubte, erlaubt Jesus hier jedoch nicht. Vielleicht um – wie Darell Bock in seinem Lukas-Kommentar (Luke, Vol. II, S.982) vermutet- deutlich zu machen, dass die heilsgeschichtliche Situation nun viel wichtiger als die z. Zt Elias/Elisas ist.

Vers 62
„Pflug“: In seiner Antwort gebraucht Jesus ein Bild aus der Landwirtschaft. Für das Verstehen dieses Bildes ist folgende Erklärung von Joachim Jeremias hilfreich:
Der sehr leichte palästinische Pflug wird mit einer Hand regiert. Diese eine Hand, meist ist es die linke, muss gleichzeitig die senkrechte Stellung des Pfluges wahren, seine Tiefe durch Druck regulieren und ihn über im Wege stehende Felsen und Steine hinwegheben. Die andere Hand braucht der Pflüger, um die störrischen Ochsen mit dem etwa 2 m langen, an der Spitze mit einem eisernen Stachel versehenen Treibstock anzutreiben. Gleichzeitig muss der Pflüger, zwischen den Tieren hindurchblickend, ständig die Furche im Auge behalten. Diese primitive Art des Pflügens erfordert Geschick und konzentrierte Aufmerksamkeit. Wenn der Pflüger sich umblickt, wird die neue Furche schief“.
Jemand, der beim Pflügen dauernd nach hinten schaut, zieht schiefe Furchen und ist daher untauglich für das Pflügen.

„zurücksehen“: Das Zurücksehen und -sehnen auf das frühere Leben wird in der Bibel öfters verurteilt und kann gefährlich werden: z.B. Das Israel sehnt sich in der Wüste nach den „Fleischtöpfen“ Ägyptens zurück (2.Mose 16,3). Lots Frau blickt zurück auf Sodom (1.Mose 19,26). Wir sollen nicht zurück, sondern hinauf, zu Jesus, schauen (Kol 3,1-2; Hebr 12,2)

„nicht geschickt“: Ein Nachfolger Jesu ist untauglich für das Reich Gottes, wenn er sich beständig vom Wichtigsten ablenken lässt. Jesus warnt hier vor einem nicht endgültigen Bruch mit der Welt bzw. früheren Prioritäten und fordert eine ungeteilte Treue zur Priorität des Reiches Gottes. In seiner Antwort geht Jesus sogar noch einen Schritt weiter als in V.60: Nicht nur in diesem bestimmten Fall fordert er der Nachfolge die Priorität zu geben, sondern in allen Fällen und immer.

5. Die Spitze des Textes
Ich übersetze an dieser Stelle die vorzügliche Zusammenfassung, die Darell L. Bock in seinem Lukas-Kommentar bietet:
„Jesus ist ein Realist. Daher macht er in Lk 9,57-62 denjenigen, die den Wunsch zur Nachfolge äußern, klar, was es mit sich bringt, wenn man Ihm folgt … Ihm nachzufolgen bedeutet, einem zu folgen, den die Welt nicht annimmt. Potentielle Jünger müssen erkennen, dass für sie, wenn sie sich Gott verpflichten, heilige Familienpflichten zweitrangig werden. Sie müssen wissen, dass ein Sich-Hängen an Jesus einen Bruch von alten Bindungen bedeutet. Die höchste Priorität ist das Reich Gottes. Im Vergleich dazu verblasst alles andere. Das ist die Einstellung, die Jesus verlangt … Obwohl die Straße keine angenehme ist, so ist sie doch klar. Der Jünger soll vorwärts und gerade gehen. Er soll nach vorne schauen … und nicht zurück. Die Größe des Auftrags verlangt es, dass diejenigen, die Jesus folgen einen höheren Standart der Hingabe als die großen Jünger des AT (z.B. Elisa) haben. Ein großartiger Ruf verlangt eine 100 %-ige Antwort.“ (Bock, Luke, Vol.II, S.984-985)

Noel Kachouh bringt die Aussage des Textes folgendermaßen auf den Punkt: „Dem Anspruch der Nachfolge Jesu wird der gerecht, der bereit ist, Jesu Geschick der Ablehnung zu teilen und der Nachfolge stets die Höchste Priorität einzuräumen.“

6.Der Text heute
Die Aussagen, die Jesus in Lk 9,57-62 zum Thema „Nachfolge“ macht, gelten auch für unsere Nachfolge. Christen erfahren aufgrund ihres Glaubens auch heute noch Ablehnung und Heimatlosigkeit. So z.B., wenn die Familie eines Christen kein Verständnis für dessen Glauben aufbringen kann und ihn nicht mehr akzeptiert. Oder Missionare, die sich einsam fühlen, fernab von ihren Lieben. Auch heute muss die Nachfolge Priorität #1 sein. Weder Familie, Freunde und frühere Lebensgewohnheiten dürfen einen davon nicht abhalten.

7. Beispiele und Verdeutlichungen
„Ich gehöre zu Jesus Christus und bin ein Teil der Gemeinschaft seiner Jünger. Meine Entscheidung ist klar. Ich habe die Grenze überschritten. Ich kenne meine Berufung und lebe in ihr. Ich werde nicht zurückschauen, langsamer werden oder mich zurückziehen.
Meine Vergangenheit ist erlöst, meine Gegenwart macht Sinn, meine Zukunft ist sicher. Ich habe mit dem Alten abgeschlossen und bin fertig mit einem unbedeutenden Leben, kleinen Plänen, Leben aus dem Schauen, farblosen Träumen, gezähmten Visionen, weichen Knien, billigem Geben und verschwommenen Zielen.
Ich brauche nicht länger Bevorzugung, Wohlstand, Position, Beförderung, Applaus und Popularität.
Ich muss nicht recht haben, der erste sein, anerkannt, gepriesen und belohnt werden.
Ich lebe jetzt aus Glauben und verlasse mich auf Seine Gegenwart. Ich bin geduldig, lebe durch Gebet und arbeite mit Kraft.
Mein Gesicht ist auf das Ziel gerichtet, mein Gang ist schnell, mein Ziel ist der Himmel, meine Straße ist schmal, mein Weg ist rauh, meine Begleiter sind wenige, mein Führer ist zuverlässig, meine Mission ist klar.
Ich bin weder käuflich noch zu falschen Kompromissen bereit. Ich gehe keine Umwege.
Niemand kann mich weglocken, irreleiten, abschwächen oder aufhalten.
Ich werde nicht kneifen angesichts von Opfern, nicht zögern bei Gegenwind, werde nicht am Tisch des Feindes verweilen, am Pool der Popularität herumhängen oder in der Masse der Mittelmäßigkeit mitschwimmen.
Ich werde nicht aufgeben oder loslassen – bis ich aufgestanden bin und durchgebetet, den Preis bezahlt und meine Stimme erhoben habe für die Sache Jesu.
Ich bin ein Jünger Jesu Christi. Ich werde, ich muss laufen, bis er wiederkommt,
geben bis zum Äußersten, predigen, bis alle es wissen und arbeiten bis er mich stoppt.
Und wenn er wiederkommt für die Seinen, wird er keine Probleme haben, mich zu erkennen.
Mein Motto ist klar:
Ich bin ein Teil der Gemeinschaft seiner Jünger“
Verfasser unbekannt!

8. Material und Gliederung zur Predigt
Es wurde oben („Zusammenhang“) gezeigt, dass Lukas in Bezug auf die Gesprächspartner Jesu und die Schauplätze der drei Gespräche keinerlei Angaben macht. Das, was hier eindeutig im Vordergrund steht, sind die Ausführungen Jesu zum Thema „Nachfolge“. Es bietet sich daher an, die Predigt unter die Überschrift „Nachfolge – Was ist das?“ zu stellen. Die drei Gliederungspunkte könnten dann folgendermaßen aussehen:

1) Nachfolge heißt Bereitschaft zur Ablehnung (V.57-58)
2) Nachfolge heißt der Sache Jesu Priorität geben (V.59-60)
3) Nachfolge heißt diese Priorität stets zu bewahren (V.61-62)