Monatsthema: Der bewährte Retter
Predigtthema: Die Erfüllung im Sohn
Bibelstelle: Lukas 4,16-30
Verfasser: Matthias Köhler
1. Der Zusammenhang
Innerhalb des Evangeliums
Nach der göttlichen Beauftragung (Taufe Jesu im Jordan) und der Bewährung in der Versuchung tritt Jesus nun öffentlich auf – und predigte. Das war seine Hauptaufgabe!
In V. 23 wird deutlich, dass unsere Geschichte zeitlich nach dem Wirken Jesu in Kapernaum (V. 31ff) liegt.
2. Biblische Parallelen
siehe unter 4. Einzelerklärungen
3. Der Aufbau des Textes
16-17: Rahmenhandlung
18: Lesung aus dem Jesaja-Buch (Kap. 61,1.2)
19-21: Jesu Wortauslegung (in Kurzfassung)
22: Erste, positiv verwunderte („Worte der Gnade“) und skeptische Reaktion (Sohn Josephs) der Zuhörer
23-27: Jesus grenzt seinen Auftrag ein: Nicht allen helfen, nicht alle heilen ist seine Aufgabe. Am Ende werden die von Jesu begünstigten sogar die Heiden sein, und nicht die Juden.
28-29: Wut der Juden in Nazareth und Mordanschlag auf Jesus
30: Jesus bleibt in dieses Situation noch bewahrt.
4. Einzelerklärungen
Sie sind im Wesentlichen eine Zusammenfassung des Kommentars zum Lukas-Evangelium von Gerhard Maier, Hänssler Verlag, Holzgerlingen.
V. 16-17
Es war normal, dass irgendeiner der anwesenden Juden im Synagogengottesdienst die Lesung der Tora oder der Propheten übernahm. Der normale Ablauf des Synagogengottesdienstes war grob: Toralesung, Gebete, Prophetenlesung, Auslegung.
Jesus wurde die Jesaja-Rolle gegeben. Darauf hatte er also keinen Einfluss. Ob die Stelle (Jes. 61,1+2) damals schon nach einer Text-Ordnung vorgegeben war, oder ob Jesus sie selbst ausgesucht hatte, ist nicht bekannt.
V. 18f
„Der Geist des Herrn ist auf mir“ und „gesalbt“ deuten beides auf den Messias hin. Das ist schon in Jes. 11,2 und 42,1 so. Messias heißt bekanntlich ja: der Gesalbte.
Die Hauptaufgabe des Messias:
1) Arme zu evangelisieren. Arme sind, wie in der Bergpredigt, die geistlich Armen.
2) „Gefangenen Befreiung auszurufen“: Auch hier sind es „geistlich“ Gefangene: Gefangene von Sünde, Tod und Teufel. Befreiung ist im Grundtext ein Wort, das sonst meist Vergebung bedeutet. Befreiung von Gefangenschaft und Vergebung ist also das gleiche.
3) „Blinden zu verkündigen, dass sie wieder sehen“. Auch hier geht es zuerst um geistliche Blindheit (Vgl. die Blindenheilungen durch Jesus; Joh 9,40f; Offb. 3,17+18; Jes 29,9-14 gibt einen guten Hinweis, was der Grund der Blindheit ist)
4) „Zerschlagene in Freiheit hinzusenden“
Das ist ein Satz aus Jes 58,6 und meint dort, dass in Sklaverei gefangene frei gelassen werden.
Bei all diesen Aufgaben des Messias, die wir geistlich verstehen, bleibt wahr, dass im Laufe der Heilsgeschichte auch die leibliche Erfüllung dieser Befreiung und Heilung verheißen ist. „Wer allerdings jetzt schon aus Lk 4,18 den Schluss zieht, Christen dürften keine irdischen Herrschaftsverhältnisse mehr anerkennen, verrückt eigenmächtig die Zeiger an Gottes Uhr…“ (G. Maier). Das gilt auch für den, der meint, Christen hätten jetzt und hier schon einen Anspruch auf körperliche Unversehrtheit und Heilung.
5) Die fünfte Aufgabe des Messias: ein angenehmes Jahr des Herrn auszurufen.
Nach 3. Mose 25,10 ist das Erlassjahr (oder auch Halljahr, oder Jubeljahr) gemeint. Das atl. Gesetz sieht für das Erlassjahr (das ist jedes 50igste Jahr) vor, dass alle irdischen Besitzverhältnisse wieder zurecht kommen. Sklaven werden wieder freigelassen, Ländereien kommen wieder an die ursprünglichen Besitzer zurück. Das kommen des Messias ist das (!) Erlassjahr schlechthin.
V. 20
Jesus setzt sich zur Auslegung. Das durfte jeder, dem es der Synagogenvorsteher gestattete.
V. 21
Lukas zitiert aus der Auslegung Jesu nur den einen Satz. Das wird auch der wichtigste und anstößigste gewesen sein: „Heute ist diese Schrift vor euren Ohren erfüllt.“
Heißt schlicht: Heute ist der Messias da! Welche Bedeutung hat dieser einfache Satz! Auch für uns heute!
V. 22
„Worte der Gnade“ oder „begnadete Worte“. Das ist aus dem Grundtext nicht zu entscheiden.
„Josephs Sohn“ ist der Normale Zusatz, den Jesus als diesen einen Jesus identifiziert. Das hebt das Jungfrau-Sein der Maria bei der Geburt Jesu nicht auf!
V. 23ff
Der Umschwung vom „wundern“ über Jesus zur Wut über ihn (V. 28) hat mehrere Gründe:
1) Jesus soll seine Messianität bestätigen: Die Leute aus Nazareth wollen Wunder sehen – wie sie in Kapernaum geschehen sind. Darauf war Jesus aber durch die Versuchungsgeschichte vorbereitet und ging nicht darauf ein.
2) Jesus hält den Juden einen klaren Spiegel vor: Was mit den Propheten, speziell mit Elia und Elisa geschehen ist, das wird auch mit ihm geschehen. Außerhalb Israels waren die Propheten besser angenommen worden als vom eigenen Volk.
Anstößig ist, dass Jesus, der für sich in Anspruch nimmt, der Messias zu sein, sein Volk (scheinbar) zurücksetzt.
Wütend werden Menschen gern (auch wir!), wenn Jesus nicht ihren Willen tut. Dabei müssen wir lernen, dass wir uns nach seinem Willen richten.
V. 29
In dieser Geschichte zeichnet sich schon am Anfang des Wirkens Jesu die Passionsgeschichte vor:
· Jesus wird gehasst – wegen seinem Anspruch, der Messias zu sein (= „Lästerung“)
· Schon hier ist die Todesstrafe im Blick
· „Zur Stadt hinaus“ – diesen Weg (allerdings in Jerusalem) ist Jesus später gegangen: Zum Kreuz.
V. 30
Wie das zu verstehen ist, ist unsicher. Wurde Jesus unsichtbar, oder „unmateriell“. Oder wichen die Leute doch so vor ihm zurück, dass er ungehindert durch die Menge gehen konnte. Lukas berichtet nur sehr knapp. Eins ist sicher: Noch war es nicht die Stunde Jesu, zu sterben. Deshalb konnten die Menschen ihm noch nichts antun. Der Tag hat eben 12 Stunden (Joh 11,9), und noch war dieser Tag noch nicht zu Ende. Vgl. auch Joh 7,30.44ff
5. Die Spitze des Textes
Heute ist diese Schrift vor euren Ohren erfüllt. Heute, am 21.4.2002!
6. Der Text heute
Wir leiden in unseren „frommen“ Kreisen sicher darunter, dass uns vieles an Jesus, was uns eigentlich packen müsste, kalt lässt. Weil wir’s so gewohnt sind. Ist Jesus für uns auch ein Prophet in seiner Vaterstadt? Ist er nur noch für die attraktiv, die ihn bisher noch nicht gekannt haben? Die Wahrheit von V. 18 und 19 kann uns wieder neu gefangen nehmen und dadurch frei machen – wenn Gott uns solch ein Heute schenkt! Beten wir darum!
7. Beispiele und Verdeutlichungen
8. Material und Gliederung zur Predigt
Predigtthema : Die Erfüllung im Sohn
Was war zuerst: Die Henne oder das Ei. Mörike hat gemeint: Der (Oster-)Hase, der das Ei brachte, aus dem die erste Henne schlüpfte…
Eine ähnliche Frage stellt sich die Theologie: Was war zuerst: Die Messiaserwartung oder die Verheißungen des Messias.
Die kritische Theologie verwechselt oft Ursache und Wirkung der Messiaserwartung des AT. Sie meint, die Messiaserwartung sei aus unbefriedigenden, notvollen und frustrierenden Zuständen des Volkes Israel heraus erwachsen. Klar: Wenn man mit dem Zustand jetzt nicht zufrieden ist, wartet man auf etwas besseres.
Die Bibel sagt es aber anders: Die Messiaserwartung kommt aus den göttlichen Verheißungen, die von Anfang an da waren. Die Messiasverheißungen kommen nicht aus dem Frust, sondern sind entscheidende gottgegebene Hilfe in den notvollen Zuständen.
1) Lange ersehnt
Der Messias wurde sehnlichst erwartet – wenigstens von manchen (vgl. Lk 2,38)
Und es gibt in unserer Welt Grund genug, den zu erwarten, der:
· Armen gute Botschaft bringt. „Arme“ sind die, denen das fehlt, was zu einem Gottesverhältnis notwendig ist. Die Gute Botschaft ist: Jesus bringt, was fehlt! (Mt 5,1-12)
· Gefangene befreit. Wie viel Gefangenschaft gibt es in unserer Zeit: Gefangen von Sucht, von Gewohnheiten, von Biographien, von geerbten, anerzogenen und angewöhnten Problemen. Gefangen von Gedanken und verschiedenste Umständen. Da brauchen wir Befreiung. Die Welt und wir schreien danach.
· Blinde sehend macht. Blindheit für die geistlichen Dinge. Siehe Offb. 3,17+18; Jes 29,9-14 gibt einen guten Hinweis, was der Grund der Blindheit ist. Würden wir unsere Blindheit „sehen“, würden wir wie Bartimäus rufen! (Mk 10,48)
· Und ein Jubeljahr ausruft. Was war das für eine gnädige Einrichtung im atl. Sozialgesetz.
Wie bei Monopoli: Zurück zu „Los“. 4000.- Mark (wurde das schon auf Euro geändert?) einkassieren. Nochmal von vorne beginnen. Was für ein Aufatmen!
Oder wie bei einem Computer: Wenn nichts mehr läuft, bleibt wenigstens noch ein Reset. Dass in unserem in Schuld verstrickten Leben ein „Reset“ möglich wäre, das ist die Sehnsucht des AT gewesen, und das ist die Sehnsucht vieler unserer Zeitgenossen – und vieler Christen!
Endlich da
Jetzt ist all das ersehnte erfüllt! Heute!
Heute meint in der Bibel nicht nur das Heute damals. Sondern das Heute heute! Das muss den Predigthörern „eingebrannt“ werden.
Eine beeindruckende Auslegung des AT: Es ist erfüllt. Da gibt Jesus uns die Auslegung für andere Messias-Verheißungen vor (Jes 8,23; 9,1; 12,1ff usw….): Der Messias ist da! Heute. Warum warten wir so oft – und rechnen nicht mit ihm, seiner Hilfe, seinem Trost? Das Warten hat ein Ende!
Doch nicht angenommen
Nun nimmt unsere Geschichte eine Wende, die uns staunen lässt. Warum freuen sie sich Menschen, die den Messias erwarten, nicht, wenn er kommt?
· Weil er nicht so kommt, wie wir’s wollen. Nicht in Wundern und Zeichen, sondern „nur“ im Wort. Das ärgert, wenn man möglichst schnell vom Messias „profitieren“ will.
· Biblisch gesprochen: Weil er mit dem Skandal des Kreuzes kommt (1. Kor 1,18-24
· Weil wir uns an ihn gewöhnt haben – in einem schlechten Sinn.
Passen wir auf, dass der Herr Jesus sein Werk nicht an uns vorbei tut bei denen, die nicht zu ihm gehören. Denen gönnen wir es natürlich auch! Wir wollen es diesen Menschen, die noch warten, sogar unbedingt sagen. Aber das geht nur, wenn wir nicht teilnahmslos zusehen, wenn der Herr Jesus uns sagt: Heute ist es erfüllt, was längst verheißen war. Rat Jesu aus Offenbarung 3: Kauf Dir Augensalbe, dass Du siehst.
Deutliche Ermahnung in Hebr. 3,12-15, die wir deutlich werden lassen müssen.
Schluss
Wenn das keine Worte der Gnade sind, die Jesus an unserer Stelle hat, wenn das keine gute Botschaft für Arme ist!